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Fatal loyal

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Von US-Justizminister Sessions Nachfolger will Trump allem voran eins: Schutz für sich und seine Familie.


Washington D.C. Schuld sind am Ende immer die anderen. Am Tag, an dem feststand, dass für die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus weg ist, tat US-Präsident Donald Trump, was er immer tut, wenn etwas nicht nach Plan verläuft: Zuerst erklärt er den Sieg auf ganzer Linie - und dann zaubert er einen Sündenbock aus dem Hut.

Diesmal fiel ihm die Wahl leicht. Justizminister Jeff Sessions muss seinen Job aufgeben. Der erzkonservative Ex-Senator von Alabama, der den Posten seinen "absoluten Traumjob" genannt hatte, ist das erste Opfer der neuen Mehrheitsverhältnisse.

Nicht, dass sich sein vom Weißen Haus erzwungener Rücktritt nicht schon lange angekündigt hätte. Seit sich Sessions - einer der Ersten, die sich für den Partei-Outsider Trump als Präsidentschaftskandidaten der Konservativen ausgesprochen hatten - bereit erklärt hatte, sich aus der Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller herauszuhalten, hatte ihn der Präsident regelmäßig zur Zielscheibe seines Zorns erkoren.

Granden lassen Sessions fallen

Ihn zu entlassen, schien Trump bisher trotzdem zu riskant. Sessions hatte sich während des Wahlkampfs mehrmals mit Sergej Kisljak getroffen, dem damaligen russischen Botschafter in Washington. In einer Anhörung vor dem Senat hatte er diese Tatsache geleugnet, obwohl er zu diesem Zeitpunkt unter Eid gestanden war. Trump ließ Sessions trotzdem walten, weniger wegen der schiefen Optik als aufgrund der Tatsache, dass der 71-Jährige lange Zeit den Rückhalt seiner ehemaligen Kollegen im Oberhaus genoss.

Zu Sessions prominentesten Unterstützern zählten unter anderen die innerparteilichen Schwergewichte Lindsey Graham (South Carolina) und Chuck Grassley (Iowa). Nachdem beide aber wussten, wie sehr Trump daran lag, seinen ungeliebten Justizminister loszuwerden - bis zuletzt hatte es der Präsident vermieden, mit ihm persönlich zu sprechen, selbst die Rücktrittsforderung wurde Sessions von Kabinettschef John Kelly serviert -, stimmten auch sie jetzt seiner Entlassung zu.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Aus Trumps Sicht schlägt er damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits eignet sich Sessions als perfektes Bauernopfer, weil Trump seine Anhänger seit mittlerweile fast zwei Jahren darauf konditioniert hat, dass es vor allem dessen Schuld sei, dass die Untersuchungen Muellers zu den Verbindungen seines Wahlkampfteams zu Russland immer noch im Gange sind. (Zum Zeitpunkt von Sessions’ Abberufung waren es 18 Monate.)

Andererseits sendet seine Entlassung ein deutliches Signal an die von dem ehemaligen FBI-Chef angeführten Sondermittler selbst, die Trump im Rahmen seiner Post-Midterm-Pressekonferenz, wie schon zuvor regelmäßig in seinen Tweets, "13 oder 15 oder 17 zornige Demokraten" nannte.

Die Kriterien für Sessions’ Nachfolger oder Nachfolgerin fallen ergo simpel aus. Wie Trump in der Vergangenheit bei jeder sich bietenden Gelegenheit betonte, sucht er in einem Justizminister vor allem nach einer Qualität: persönliche Loyalität zu ihm selbst. Der Präsident glaubt etwa, dass Sessions’ Vorgänger Eric Holder Barack Obama in den Jahren seiner Präsidentschaft "beschützt" habe. Vor wie und was genau Obama Schutz gebraucht hätte, hat Trump bis heute nicht erklärt, aber so stellt sich das Anforderungsprofil für den neuen Justizminister für ihn dar. Derzeit hat den Job, vorübergehend das Justizministerium zu leiten, Sessions’ bisheriger Stabschef Matthew Whitaker inne.

Was die Befürchtungen über eine Einmischung in Muellers Ermittlungen nur noch weiter verstärkt. Whitaker, in seiner Weltanschauung kaum weniger konservativ als sein Ex-Boss, hatte Mueller im vergangenen Jahr öffentlich vorgeworfen, den Fokus seiner Arbeit zu verlieren und das Feld der "Persons of Interest" zu sehr auszuweiten. Rod Rosenstein, der als höchstrangiger Beamter im Justizministerium Muellers Arbeit übersieht, hatte er gleich mehrmals ausgerichtet, dass er den Sonderermittlern "Grenzen setzen muss".

Es war indes Trump selbst, der in der Vergangenheit klargemacht hatte, wo diese Grenzen genau verortet sind: im Finanzgebaren seines Firmenkonglomerats und dem seiner Familie. In genau diese Kerbe schlug Whitaker freilich erst im vergangenen Jahr, als er in einem Gastbeitrag für CNN bekannte, dass nämliches "ernsthafte Bedenken darüber aufwerfen würde, ob die Untersuchung des Sonderermittlers eine reine Hexenjagd ist".

Roger Stone im Fokus

Letzten Medienberichten zufolge konzentrieren sich Mueller und sein Team derzeit auf das Umfeld des langjährigen Trump-Intimus Roger Stone, einen so legendären wie berüchtigten Berater der Republikanischen Partei, dessen Karriere während der Präsidentschaft Richard Nixons ihren Ausgang nahm. Stone, 66, soll während des Präsidentschaftswahlkampfs Kontakte zu jenen russischen Hackern gepflegt haben, die für die Veröffentlichung von Hillary Clintons E-Mails verantwortlich waren.

Entsprechend groß ist die Angst der Demokraten, dass Sessions permanenter Ersatz nach Matthews Abgang, wer immer es werden wird, Mueller buchstäblich den Hahn abdrehen wird, indem er den Sonderermittlern einfach das Budget streicht.

Der New Yorker Chuck Schumer, Sprecher der demokratischen Minderheit im Senat, rief Whitaker deshalb bereits gleichsam vorbeugend dazu auf, sich während seiner Ära "ja nicht in Muellers Ermittlungen einzumischen". CNN bestätigte am Donnerstag, dass Mueller seinen Endbericht demnächst vorlegen werde.