"Eine von drei Frauen in Uganda macht Gewalterfahrungen", sagt Eunice Musiime über die größten Probleme für Frauen in ihrem Land. - © CARE Österreich
"Eine von drei Frauen in Uganda macht Gewalterfahrungen", sagt Eunice Musiime über die größten Probleme für Frauen in ihrem Land. - © CARE Österreich

"Wiener Zeitung: Sprechen wir über den Zustand der Demokratie in Uganda. Gewinnt die Opposition derzeit an Zugkraft?

Eunice Musiime: Als Präsident Yoweri Museveni 1986 an die Macht kam, war das ein Fortschritt in Richtung Demokratie. Aber inzwischen ist er seit 32 Jahren Präsident, und vergangenes Jahr wurde das Alterslimit für sein Amt abgeschafft. Ich glaube nicht, dass man sich in Österreich vorstellen kann, was das bedeutet. Die Opposition in Uganda war lange Zeit nicht so stark, wie sie hätte sein sollen, aber nun arbeitet sie mit aller Kraft daran, stärkeren Halt im Parlament zu bekommen.

Der Star der Opposition ist Robert Kyagulanyi, besser bekannt als der Rapper Bobi Wine.

Bobi Wine ist erst seit kurzem in der Politik, bisher kannte man ihn als Musiker, und seine Musik war immer politisch und revolutionär. Er wuchs in einem Slum in Kampala auf, weshalb er "Ghetto Präsident" genannt wird. Dass er keine höhere Bildung absolviert hat, ist nicht unumstritten, aber aufgrund seines Alters und seiner Musik hat er in Uganda, wo Dreiviertel der Bevölkerung unter 35 Jahre alt ist, eine riesengroße Fan-Gemeinde. Die aktuelle Regierung sieht ihn als große Gefahr, so ist seine Verhaftung im Sommer zu erklären. Aber Bobi Wine ist nur eines von vielen Symbolbildern, die als Katalysator für Veränderung im Land angesehen werden. Es gibt viele Menschen wie ihn, doch meist gibt es nicht so viel internationalen Druck, dass diese wieder auf freien Fuß gelassen werden.

Sie kämpfen für Frauenrechte. Wird dieser Kampf in Uganda einfacher?

Bei den legalen Rahmenbedingungen gibt es Fortschritte: Es gibt nun Gesetze, die häusliche Gewalt oder Genitalverstümmelung unter Strafe stellen. Der Landbesitz für Frauen wurde teilweise legalisiert. Doch die Umsetzung dieser recht progressiven Gesetze gestaltet sich schwierig, denn die Mittel, die für Frauenrechte zur Verfügung gestellt werden, sind weiterhin sehr gering. Uganda hat wichtigste Frauenrechts-Charta wie das Maputo-Protokoll (das Protokoll für die Rechte von Frauen in Afrika, Anm.) oder die UN-Resolution von 2005 unterschrieben, doch im Alltag merkt man davon wenig. 33 Prozent der Parlamentarier in Uganda sind heute Frauen, doch ob das zu besseren Entscheidungen in der Frauenpolitik geführt hat, wage ich zu bezweifeln.

Was wäre notwendig, damit Gesetze in der Gesellschaft ankommen?

Wir brauchen mehr Bewusstsein für Gleichberechtigung. Derzeit gibt es etwa Kampagnen, um unbezahlte Hausarbeit anzuerkennen. Auch Männer sind aufgefordert, da mitzumachen. In Uganda hören wir immer, dass Männer und Frauen in Europa gleichberechtigter leben, aber auf den Straßen Wiens fällt mir auf, dass man meistens Frauen mit Kinderwägen sieht. Das bedeutet, dass die Last der Kindererziehung weiterhin auf den Frauen liegt, auch wenn diese im Arbeitsmarkt integriert sind. Interessant ist ja: obwohl allseits bekannt ist, dass Frauen mehr leisten als Männer, wird dies gesellschaftlich nicht verurteilt. Wir brauchen männliche Vorbilder und müssen Männer stärker in die feministische Arbeit miteinbeziehen.

Zurück zu Uganda. Was sind die größten Probleme im Alltag von Frauen?

Häusliche Gewalt. Eine von drei Frauen in Uganda macht Gewalterfahrungen. Zudem sind wir eines jener afrikanischer Länder mit der höchsten Anzahl verheirateter Minderjähriger. Es ist nicht unüblich, dass 14- oder 15-Jährige verheiratet werden. Armut ist ein Grund, aber Hauptschuld ist das Patriarchat. Ein weiteres Problem sind Teenager-Schwangerschaften: Ein Viertel der Mädchen in Uganda wird vor dem 18. Geburtstag schwanger. Nur eine von fünf Frauen hat Zugang zu Verhütungsmitteln. Außerdem ist die Müttersterblichkeitsrate nach wie vor hoch.

Ihre NGO setzt einen Fokus auf Empowerment. Wieso, und was sind die Herausforderungen?

Es ist uns wichtig, die ökonomische Handlungsfähigkeit von Frauen zu stärken. Dazu ist Landbesitz essenziell. Es gibt inzwischen mehr Frauen, die Land besitzen, aber ihr Anteil ist mit 15 Prozent weiterhin minimal. Wir haben einige gute Projekte im Bereich ökonomisches Empowerment, doch oft haben diese Programme wenig Zugkraft. Der Großteil der Frauen arbeitet ohne Dienstvertrag im informellen Sektor, weshalb ihnen rechtliche Ansprüche wie Mutterschaftsurlaub nicht zugutekommen. Mit unserem Führungskräfte-Programm wollen wir etwas entgegenhalten; dieses haben bereits 5000 Frauen absolviert. Etliche der Frauen, die daran teilgenommen haben, haben heute politische Ämter inne.