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Hoffen aufs Wunder von Kattowitz

Von Ronald Schönhuber

Politik

Die Weltklimakonferenz in der polnischen Industriestadt wird von politischen Rivalitäten geprägt.


Kattowitz. Der Auftritt von Wells Griffith wird wohl zu den kontroversiellsten der gesamten Weltklimakonferenz in Kattowitz gehören. Denn der Mittdreißiger, der im März zum neuen Klima- und Energieberater von US-Präsident Donald Trump ernannt wurde, soll in der polnischen Industriestadt eine Veranstaltung leiten, bei der die effizientere Verwendung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Öl beworben werden soll. Dass Griffith sich den Zorn der in Kattowitz versammelten Klimaschutzaktivisten zuziehen wird, ist dabei wohl einkalkuliert, denn bereits im vergangenen Jahr hatte in Bonn eine ähnliche Veranstaltung der US-Regierung für massiven Unmut gesorgt. "Sich auf einer Klimaschutzkonferenz für Kohle stark zu machen, ist wie für Tabak auf einem Krebskongress zu werben", spottete damals New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg, der sich seit Jahren im Kampf gegen die Erderwärmung engagiert.

Die US-Werbeveranstaltung für saubere Kohle steht allerdings sinnbildlich für die zwei großen Probleme, mit denen sich die Umweltminister aus 200 Ländern ab Montag auseinandersetzen müssen. Denn nachdem sich die internationale Staatengemeinschaft 2015 in Paris darauf verständigt hatte, die Erderwärmung klar unter zwei Grad Celsius zu drücken, stehen nun vor allem die Pläne für den Ausstieg aus der besonders klimaschädlichen Kohle unter besonderer Beobachtung. Gleichzeitig hat sich die politische Lage seit der Pariser Klimakonferenz in eine Richtung entwickelt, die nicht unbedingt Hoffnung auf eine Rettung des Weltklimas macht. So haben die USA unter Trump nicht nur den Ausstieg aus dem in der französischen Hauptstadt vereinbarten Klimaabkommen beschlossen, sondern auch einen Handelskrieg mit Europa und China angezettelt, der die geopolitischen Rivalitäten wieder deutlich verschärft hat. So werden die USA, die wegen der bestehenden Fristen in Kattowitz noch mit am Verhandlungstisch sitzen dürfen, wohl genau darauf achten, dass die dort getroffenen Vereinbarungen den eigenen Interessen nicht entgegenstehen.

Doch nicht nur die USA könnten Sand ins Getriebe des fragilen multilateralen Verhandlungsprozesses streuen. Auch in Brasilien, das auf Grund seines hohen Regenwaldanteils eine zentrale Rolle bei der Eindämmung der Erderwärmung spielt, hat sich der Wind mit der Wahl von Jair Bolsonaro gedreht. So hat der künftige Regierungschef bis jetzt nicht nur wenig Interesse an dem Thema gezeigt. Im Wahlkampf hatte Bolsonaro auch immer wieder einen Ausstieg Brasiliens aus dem Pariser Vertrag in den Raum gestellt. "Damit wir Erfolg haben, braucht es eigentlich ein Wunder", sagt Michal Kurtyka, der ehemalige polnische Vize-Energieminister, der nun der Konferenz vorsteht.

Zusagen vergleichbar machen

Die Herausforderungen für die Konferenz, die ein Gipfel der Entscheidungen werden soll, sind allerdings auch ohne politische Querschüsse schon groß genug. Denn zum einen sollen die bereits von den Staaten versprochenen Emissionsminderungen gesammelt und vergleichbar gemacht werden. Dies ist bei Staaten, die sich absolute Ziele gesetzt haben, relativ einfach. So hat die EU ausgehend vom Basisjahr 1990 versprochen, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent zu senken. Andere Länder wiederum gehen von einem Szenario aus, in dem gar nichts unternommen wird, und beziehen ihre Einsparungen auf sich daraus ergebende Referenzwerte. Und schließlich gibt es noch eine dritte Hauptstoßrichtung, die vor allem China verfolgt. So will die Volksrepublik, dass ihre Treibhausgaseinsparungen in Relation zum Wirtschaftswachstum bewertet werden.

Vergleichbar gemacht werden sollen die Zusagen dann in einem sogenannten Regelbuch. In diesem soll auch festgehalten werden, wie die Fortschritte überprüft werden und über welche Befugnisse der Ausschuss verfügt, der bei Verfehlungen tätig wird. "Jeder Staat braucht die Gewissheit, dass nicht nur er selbst, sondern auch seine Wettbewerber ambitionierten Klimaschutz betreiben", sagte die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze. Ein weiterer Streitpunkt betrifft wie schon bei den vergangenen UN-Klimakonferenzen die Finanzierung. Denn die Entwicklungsländer wollen möglichst genau wissen, mit welchen Hilfen sie in den kommenden Jahren rechnen können. Zwar haben die Industrieländer versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar aus privaten und öffentlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Doch welche Zusagen es angesichts des US-Ausstiegs in der kommenden Zeit noch gibt und wer in welchem Ausmaß profitiert, ist offen.

Das Ziel in weiter Ferne

Außerdem sind erste Signale der Staaten gefragt, wie sie ihre Klimaschutz-Anstrengungen erhöhen wollen. Die EU-Kommission hat kurz vor der Konferenz ehrgeizigere Überlegungen vorgelegt, mit denen der CO2-Ausstoß bis 2050 auf Null gedrückt werden könnte und hofft auf Nachahmer. "Die EU erwartet eine Erklärung, in der die Staaten des Pariser Abkommens ankündigen, ihre Ambitionen zu überdenken", meinte Schulze. 2023 sollen diese dann konkret und verbindlich werden.

Aus Sicht von Klimaforschern ist die Aufstockung dringend nötig. Denn ihren Berechnungen zufolge reichen alle bisherigen Zusagen nicht einmal aus, um die Erderwärmung unter drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten. Wie eine Welt, in der das Klima außer Kontrolle geraten ist, aussehen könnte, hat sich heuer allerdings schon angedeutet. So war 2018 nach vorläufigen Analysen nicht nur das viertwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit der Hitzewelle in Europa, den verheerenden Hurrikans an der US-Südküste und den Waldbränden in Kalifornien hat auch die Zahl der Extremereignisse zugenommen. "2018 wird vielleicht in die Geschichte eingehen als erstes Jahr, in dem das Klimasystem Rechnungen an die Welt geschickt hat", sagte Johan Rockström, künftiger Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Offizielle Webseite der UN-Klimakonferenz in Katowice