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Ugandas erfundene Flüchtlinge

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

Lokale NGOs, die sich bereichern, Flüchtlinge, die nur in Datenbanken existieren: Ein interner UNHCR-Bericht deckt auf.


Kampala. Es ist eine Zahl, mit der Uganda weltweit Hilfsgelder eintrieb: Mehr als 1,4 Millionen Flüchtlinge beherbergt das Land in Ostafrika angeblich - und damit so viele wie kein anderer Staat Afrikas. Die Ausgaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) etwa stiegen von 125 Millionen Dollar im Jahr 2016 auf über 200 Millionen Dollar 2017 - die EU, Deutschland, Großbritannien und die USA bezahlten den Löwenanteil.

Doch ein interner Prüfbericht des UNHCR zeigt nun: Mehr als 300.000 Flüchtlinge existieren gar nicht. Entweder wurden Ugander als Flüchtlinge gelistet oder die Zahlen manipuliert. Allein das herauszufinden, hat elf Millionen Dollar gekostet.

Der 41-seitige Bericht kritisiert die mangelhafte Überwachung der Projektgelder. Insgesamt hat UNHCR im Jahr 2017 über 31 Millionen Dollar an sogenannte "Partner" verteilt, also internationale oder lokale NGOs und Firmen, die in den Lagern Lebensmittel verteilen, Toiletten bauen oder Trinkwasser anliefern. Welche NGO aber welches Projekt umsetzt, das wurde - entgegen der Richtlinien - von Ugandas Flüchtlingsministerium entschieden und damit der Freunderlwirtschaft Tür und Tor geöffnet.

Eine Straße, die nie fertig wurde

Regierungsmitglieder oder deren Verwandte haben lokale NGOs gegründet, um Verträge zugeschanzt zu bekommen. Der Bericht belegt nun, dass "Partner" Projekte umsetzen, die gar nicht geeignet sind, die bereits in der Vergangenheit Geld veruntreut hatten oder die sich für diese Projekte gar nicht beworben hatten.

Ein Beispiel: Eine Logistikfirma hatte 2017 den Auftrag erhalten, mehr als 1200 Kilometer Straße zu festigen zur Versorgung der Flüchtlingslager im Norden des Landes. Rund acht Millionen hat UNHCR dafür bereitgestellt. Doch dieser "Partner" war laut Bericht "für Straßenbau gar nicht qualifiziert". Er hat die falschen Straßenbaumaschinen bestellt, die nicht benötigt wurden und dann "unbenutzt am Straßenrand lagen". Fazit des Berichts: Ob die Straßen gebaut wurden, wurde bislang "nicht unabhängig bestätigt".

Dasselbe bei der Verteilung von Hilfsgütern im Wert von 6,5 Millionen Dollar. Die Prüfer stellten Ende 2017 fest: In manchen Warenlagern gab es "exzessive" Überschüsse. Es wurde also "mehr eingekauft als benötigt oder verteilt"; darunter etwa 288.000 Decken oder 50.000 Schubkarren. In anderen Lagern fehlten aber mehr als 15.000 Solarlampen im Wert von rund 280.000 Dollar und knapp 30.000 Hygienebinden für Frauen im Wert von 10.000 Dollar. Die Einzelbeispiele sind eine Sache - die andere Sache ist die Systematik der gezielten Veruntreuung von internationalen Hilfsgeldern. Der Bericht bestätigt nämlich: Ugandische Vertreter schöpften systematisch Güter von UNHCR ab.

UNHCR versichert in einer Stellungnahme am Montag, dass "verschiedene korrigierende Maßnahmen getroffen wurden". Die UN-Organisation erklärt die Misswirtschaft vor allem mit dem "massiven Zustrom" sowie "schnell wachsenden Operationen mit neuen Partnern".

Wie sehr UNHCR in Sachen Korruption selbst beide Augen zudrückt, das zeigt sich am Ende des Berichts. Geprüft wurde nämlich auch, ob die vergangenen Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung umgesetzt wurden. Bereits 2016 wurde festgestellt: Über 320 Fahrzeuge seien an lokale NGOs verteilt worden, ohne zu prüfen, ob diese ein Auto benötigen. Eine Prüfung hat es nicht gegeben. Stattdessen wurden 2017 noch mehr Fahrzeuge verteilt - ohne, dass angemessen Überprüfungsmaßnahmen getroffen wurden.