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"Wir müssen wachsam bleiben"

Von Klaus Huhold

Politik

Nach der Ära Zuma hat Südafrika schwere Aufräumarbeiten vor sich, sagt der Demokratieaktivist Neeshan Balton.


Wien. Neeshan Baltons Biographie ist mit den Höhen und Tiefen des ANC verwoben. Der heute 56-Jährige war schon Aktivist bei der südafrikanischen Befreiungsbewegung, als diese in der Apartheid noch verfolgt wurde. Als dann der ANC unter Nelson Mandela die Macht in Südafrika übernahm, arbeitete der Ökonom weiter für die Partei und organisierte etwa Wahlkampagnen.

In den vergangenen Jahren aber hat er seine Mitgliedschaft nicht mehr verlängert, sagt Balton, der nun auf Einladung des Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika (Sadocc) und des Wiener Instituts für Internationalen Dialog und Kooperation (VIDC) in Österreich war. "Ich war nicht einverstanden damit, wohin sich der ANC unter dem vormaligen Präsidenten Jacob Zuma entwickelt hat", erklärt Balton. Er steht heute der Ahmed Kathadra Foundation vor, die im Andenken an den bedeutenden Freiheitskämpfer die Entwicklung der Demokratie in Südafrika beobachtet und bewertet. Unter Zuma sei diese schwer beschädigt worden, konstatiert Balton und stützt sich dabei auf den Bericht einer nun eingesetzten Untersuchungskommission, die die Verfehlungen der Ära Zuma unter die Lupe nimmt.

Korrupte Netzwerke

"Systematisch wurde versucht, Leute loszuwerden, die viel Integrität besaßen", berichtet Balton, der der indischstämmigen Bevölkerungsgruppe angehört. Das hatte zur Folge, dass das politische System nicht mehr den Bürgern gedient hat. Sondern es wurde derart manipuliert, dass vor allem einzelne Politiker, Geschäftsleute und Konzerne profitiert haben, konstatiert Balton im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

So ist die Unternehmerfamilie Gupta mittlerweile berühmt und berüchtigt. Die drei steinreichen Brüder Ajay, Atul und Rajesh Gupta hatten unter Zuma offenbar derartigen Einfluss, dass sie sogar die Ernennung von Ministern bestimmten. Und wenn der Präsident derartig unlauter Geschäft und Politik vermischt, dann strahle das auch auf die Regionalverwaltungen aus, sagt Balton. Deshalb habe sich dieses korrupte System wie ein Netz über das ganze Land gelegt.

Doch mittlerweile wurde Zuma als ANC-Vorsitzender und Präsident abgelöst. Sein Nachfolger ist Cyril Ramaphosa, der einst ein enger Mitstreiter von Mandela war und später zum erfolgreichen Geschäftsmann wurde. Balton kennt Ramaphosa persönlich, da dieser ebenfalls einst der Ahmed Kathadra Foundation vorstand.

Laut Balton bringt der neue Präsident die richtigen Voraussetzungen mit, um das Land voranzubringen. Denn Ramaphosa besitze viele Erfahrungen. "Er kennt die Parteipolitik, war Gewerkschafter und hat sich als Geschäftsmann bewiesen. Er hat dabei gezeigt, dass er ein geschickter Verhandler ist", sagt Balton. Deshalb könnte er der richtige Mann sein, um erstens einen breiten Konsens für seine Politik herzustellen. Und um zweitens Wirtschaftsinitiativen zu setzen, die nach Jahren der Stagnation Wachstum und so wieder mehr Arbeitsplätze bringen.

Allerdings: Südafrikanische Medien kritisieren Ramaphosa bereits, dass der Wandel zu langsam vor sich ginge, sprechen von einer "Revolution in Zeitlupe". Klar ist auch laut Balton: Es wird Jahre dauern, die Netzwerke aus Zumas Zeit loszuwerden. Und es ist nicht einmal klar, dass das gelingen wird. Im nächsten Jahr finden Wahlen in Südafrika statt. "Das wird der größte Test für den ANC sein", sagt Balton. "Dann wird sich zeigen, ob er integere Kandidaten aufstellt."

Südafrika hat am Wochenende den 100. Geburtstag von Mandela, dem Übervater der Regenbogennation, gefeiert. Das war nicht nur Anlass für Konzerte mit internationaler Prominenz wie der Sängerin Beyonce. Sondern auch dafür, dass Südafrika über seine Demokratie reflektiert. Bei allen Beschädigungen, die diese unter Zuma erfahren hat - es habe sich gerade im Kampf gegen die Korruption gezeigt, dass das Land eine unerschrockene Justiz und eine wache Zivilgesellschaft besitze, sagt Balton. "Aber wir müssen wachsam bleiben."