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Geist von Paris unter Feuer

Von Ronald Schönhuber

Politik

Der Klimagipfel hat gezeigt, wie fragil der vor drei Jahren aufgesetzte Prozess zur Begrenzung der Erderwärmung ist.


Kattowitz. Vor neun Jahren scheiterte der UN-Klimagipfel in Kopenhagen spektakulär. So lag nach nächtelangen Verhandlungen und trotz der Anwesenheit unzähliger Staats- und Regierungschefs nicht die erhoffte Nachfolge-Regelung für das auslaufende Kyoto-Klimaschutzabkommen auf dem Tisch, sondern lediglich eine dürre Erklärung, in der die internationale Staatengemeinschaft "zur Kenntnis nimmt", dass die Erdtemperatur um nicht mehr als zwei Grad Celsius steigen soll.

Die globale Klimadiplomatie hat allerdings aus den damals gemachten Fehlern gelernt. So ging es 2015 bei den Verhandlungen um das historische Pariser Klimaabkommen nicht mehr darum, gemeinsam und rechtsverbindlich festzulegen, welches Land welche Menge an Treibhausgasen einsparen muss. Stattdessen legten die einzelnen Staaten schon im Vorfeld selbst ihre Ziele zur Emissionsreduktion in den kommenden Jahren fest. Damit konnte verhindert werden, dass sich die Gespräche im erbitterten Streit um eine gerechte Lastenverteilung festfressen.

Bei der nun zu Ende gegangenen Klimakonferenz im polnischen Kattowitz, bei der es vor allem darum gegangen ist, die Pariser Klimaarchitektur mit Leben zu füllen, haben sich allerdings sehr deutlich auch die Unzulänglichkeiten dieses Zugangs gezeigt, bei dem jeder für sich die Wichtigkeit von Klimaschutz bestimmt. So haben in der schlesischen Industriestadt vor allem Minister und Fachexperten über jenes Regelbuch verhandelt, mit dem die von den Staaten in Paris versprochenen Emissionsminderungsziele mess- und vergleichbar gemacht werden sollen. Staats- und Regierungschefs waren dagegen nur wenige vertreten, lediglich aus den vom Untergang bedrohten Inselstaaten im Pazifik war die höchste Politikebene nach Polen gekommen.

Offensichtlich war in Kattowitz aber nicht nur die Absenz zahlreicher Spitzenpolitiker, sondern auch die Fragilität des gesamten Prozesses, der quasi jedes Jahr aufs Neue vom guten Willen abhängig ist. So ist es in Polen einer Gruppe von lediglich vier bis fünf Ländern gelungen, erheblichen Sand ins Getriebe zu streuen. Vor allem Saudi-Arabien hatte eine Einigung immer wieder blockiert, weil das ölreiche Königtum die Schlussfolgerungen des 1,5-Grad-Berichts des Weltklimarats IPCC in Frage zu stellen versucht hat. Allerdings haben sich auch die USA, Kuwait und Russland gegen die Würdigung des im Oktober veröffentlichten Berichts gestellt, in dem dargelegt wird, dass bereits eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad verheerende Folgen hätte.

Wie sehr der einen neuen Aufbruch versprechende Geist von Paris mittlerweile wieder durch nationale Egoismen bedroht ist, hat aber nicht nur der Streit um den ein Umsteuern fordernden IPCC-Bericht gezeigt. Auch Brasilien, wo zu Jahreswechsel der ultrarechte Jair Bolsonaro das Präsidentenamt übernimmt, war in Kattowitz aufgrund finanzieller Eigeninteressen mehrmals massiv auf die Bremse gestiegen.

Die internationale Klimadiplomatie, die nach dem spektakulären Erfolg von Paris nun wieder mit den Mühen der Ebene kämpft, ist aber ohnehin nur Teil eines größeren Ganzen. Denn der wirklich fundamentale Wandel zu einer grüneren Wirtschaft findet derzeit vor allem auf Ebene von Bürgern, Unternehmen und Städten statt. So hat etwa der große Klima-Bad-Boy USA trotz der geringen Fortschritte auf Bundesebene zuletzt deutlich weniger Emissionen ausgestoßen.