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Druck lass nach

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Die Untersuchungen von US-Sonderermittler Mueller über illegale Wahlkampfzahlungen und potenzielle Absprachen mit Russland kommen Trump gefährlich nahe.


Washington. Die politische Arena ist das eine, ein Bundesgerichtssaal das andere. Am Dienstagvormittag, Ortszeit Washington D.C., fand sich Michael Flynn, Lieutenant General der US Army im Ruhestand und der erste Nationale Sicherheitsberater der Ära Donald Trump, vor dem Kadi wieder. Gleich zu Beginn der Verhandlung machten seine Anwälte klar, dass sie dieselbe für reine Formalität hielten.

Der Grund für das Selbstvertrauen: Zuvor hatte die Anklage verlauten lassen, dass sie keine Gefängnisstrafe für Flynn anstrebe, weil dieser den Leuten von US-Sonderermittler Robert Mueller während der vergangenen Monate in allen Fragen wahrheitsgetreu Rede und Antwort gestanden habe - im Gegensatz zu seiner Zeit als Wahlkampfhelfer und Mitarbeiter des nunmehrigen US-Präsidenten. Während dieser Zeit hatte der heute 60-jährige Karrieresoldat nämlich erwiesenermaßen gelogen, dass sich die Balken bogen. Was ihm und seinem Schirmherrn politisch nutzte, aber in einem entscheidenden Punkt in Konflikt mit dem Gesetz brachte.

Nach nicht einmal einem Monat im Dienst des Weißen Hauses musste Flynn zurücktreten, weil er Agenten der Bundespolizei FBI über den Inhalt seiner Gespräche mit Sergej Kislyak, damals Russlands Botschafter in Washington, ebenso die Unwahrheit erzählt hatte wie auch dem Vizepräsidenten Mike Pence.

Mueller und seine Mannschaft haben hier die Spur aufgenommen - sie gehen schließlich den Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam mit offiziellen und inoffiziellen Vertretern der russischen Regierung während und im Anschluss des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 nach.

Und weil Flynn angesichts unwiderlegbarer Beweise keinen anderen Ausweg mehr sah, als mit Mueller zu kooperieren, versprachen sich Flynns Anwälte bei ihrem Termin am Dienstag eine bevorzugte Behandlung. Wie schwer sie sich damit verkalkuliert hatten, macht Richter Emmet Sullivan gleich zu Beginn der Verhandlung klar.

Der Richter empfindet Abscheu für Flynn

Angesichts von Flynns Taten, die der Öffentlichkeit bis heute nur teilweise bekannt sind - unter anderem, dass er sich nicht nur von Russland, sondern auch als gut bezahlter Lobbyist von der Türkei vor den Karren spannen ließ -, empfand der Richter, wie er wörtlich sagte, für den Angeklagten nicht weniger als "Abscheu" und "Verachtung"; zeitgleich dachte Richter Sullivan laut darüber nach, ob nicht gar eine Anklage wegen Landesverrat zu erwägen sei.

Flynns Anwälte hatten bis zuletzt darauf bestanden, dass ihr Mandant von den Bundespolizisten "hereingelegt" worden sei - eine Geschichtsfälschung, die Flynn, ob des allzu offensichtlichen Lächerlichkeitsfaktors, jüngst selber begrub, was seinen Freund Donald Trump freilich bis heute nicht davon abhält, es weiter auf Twitter zu verbreiten.

Als der Bundesrichter Flynn empfahl, die Verhandlung zu verschieben, damit der seine Arbeit mit Muellers Team zu Ende führen kann, stimmte der schneller zu als man "Sperrt sie ein!" sagen kann; jenen Schlachtruf, damals auf Hillary Clinton gemünzt, mit dem der Berufssoldat vor zwei Jahren als Erster die Massen beim republikanischen Parteitag in Cleveland eingepeitscht hatte.

Fünf Ex-Trump-Vertraute haben sich schuldig bekannt

So prominent sein Fall ist, stellt Flynn nur den bisher letzten Teil in einem Puzzle dar, dessen Größe sich noch immer nicht gänzlich überblicken lässt und das die Präsidentschaft des 71-jährigen Ex-Reality-TV-Stars ernsthaft gefährden könnte. Der General, der glaubte, dass die USA im Fall der Wahl Hillary Clintons "dem Untergang geweiht seien", ist einer von bisher fünf vormals engen Trump-Vertrauten, den die Arbeit Robert Muellers und seines Teams bisher Karriere, Ruf und Existenz kostete.

Dabei ist er nur einer von 33 Personen - davon 26 russische Staatsbürger -, die bisher im Zuge von Muellers Ermittlungen direkt oder indirekt unter die Räder kamen; und angesichts der jüngsten Entwicklungen und des Stands der Dinge Ende 2018 deutet nichts darauf hin, dass es nicht schon bald noch mehr werden. Von den fünf ehemaligen Trump-Vertrauten haben sich bisher alle schuldig bekannt.

Neben Flynn des Präsidenten ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort (wegen Steuerbetrugs und eines Dutzends weiterer finanzieller Vergehen) und dessen Mitarbeiter Rick Gates (ebenfalls wegen Steuerbetrugs und unlauteren Finanzgebarens, plus Verschwörung), dazu der ehemalige außenpolitische Trump-Berater George Papadopolous (weil er wie Flynn FBI-Agenten anlog) sowie Trumps langjähriger Leibanwalt Michael Cohen (unter anderem wegen Steuerbetrugs, Bankbetrugs und diverser Verstöße gegen Gesetze, die die Wahlkampffinanzierung regeln).

Die meisten Anklagen kamen direkt aus Muellers Büro. Andere Ermittlungen wurden an lokale Behörden weitergegeben. Wie etwa im Fall Cohen, wo die Bundesstaatsanwaltschaft des Southern District of New York mittlerweile so etwas wie den verlängerten Arm des 74-jährigen Ex-FBI-Chefs Mueller darstellt, der in dieser Funktion zwölf Jahre lang unter zwei Präsidenten diente (2001-2013, unter George W. Bush und Barack Obama). Was Trump bis heute nicht davon abhält, ihn und seine Leute regelmäßig als "zornige Demokraten" zu verunglimpfen, die eine "Hexenjagd" veranstalten würden.

Angesichts der Unzahl der einzelnen Vergehen zwar kompliziert, stellt sich der rechtliche Sukkus von Muellers Arbeit relativ einfach dar - und wirft schon jetzt mehr als ein Schlaglicht auf den Präsidenten, der jeden Einzelnen dieser Leute nicht nur gekannt, sondern großteils persönlich angeheuert hat. Das Sittenbild zeigt sich eindeutig: die Trump-Administration als Ansammlung von Opportunisten, Zynikern und mehr oder weniger offen korrupten Akteuren, die sich gegenseitig nicht ausstehen können, aber keine Gelegenheit auslassen, sich die Taschen vollzustopfen - all das, während über 40 Prozent der Amerikaner wegschauen, weil sie glauben, dass die größte Gefahr für ihr Land aus ein paar tausend Wirtschaftsflüchtlingen aus Zentralamerika besteht.

Offen, wie stark die Ermittlungen Trump gefährden

Die einzige Frage, die gegen Jahresende offen bleibt, lautet dementsprechend, inwieweit ein etwaiger Endbericht Muellers dem Präsidenten persönlich gefährlich zu werden droht.

Was Trump als Person angeht, scheint klar, dass er mit der Zahlung von hundertausenden Dollar Schweigegeld an Ex-Porno-Star Stephanie Clifford ("Stormy Daniels") und Ex-Model Karen McDougal, mit denen er Affären hatte, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat.

Rudy Giuliani, der Ex-Bürgermeister von New York City und ewiger Fürsprecher Trumps, bemüht sich mittlerweile gar nicht mehr, das zu bestreiten. Die neue Strategie, die auch Trump selbst forciert, lautet: Ja, ich habe das Geld gezahlt, aber es handelt sich dabei um ein Bagatellvergehen, das nicht der Rede wert sei. Kontakte zu Russland zum Zweck der Koordinierung von Wahlkampfaktivitäten - Stichwort Wikileaks, das 2016 die E-Mails von Hillary Clinton veröffentlichte - bestreitet Trump bis heute ebenso, wie er eine von ihm persönlich unterschriebene (!) Absichtserklärung zur Errichtung eines Trump Towers in Moskau bis zuletzt leugnete. Ganz nebenbei aber in diesem Kontext nicht unwichtig: Die von der "Washington Post" gezählten Lügen und Halbwahrheiten, die Trump seit seinem Amtsantritt verbreitet, umfassen mittlerweile weit über 6000.

Was die Ermittler auf Bundes- wie auf Bundesstaatsebene nicht davon abhält, weiter ihre Arbeit zu machen, und in diesem Punkt wird das Bild für den Präsidenten immer düsterer. Diese Woche musste die Trump Foundation, formal eine Wohltätigkeitsorganisation, die von Trump jahrelang als persönlicher Bankomat benutzt wurde, aufgelöst werden. (Die Trump University, eine wegen Betrugs unter Beschuss stehende "Bildungsinstitution" musste bereits vor seinem Amtsantritt zusperren.)

Republikaner stehen weiter hinter Trump

Mit Stand Dezember 2018 erstrecken sich die diversen Untersuchungsstränge auf Trumps Wahlkampfmannschaft, auf die Mitglieder von Trumps "Transition Team", das nach seinem Wahlsieg den Umzug ins Weiße Haus organisierte, auf das Komitee, das die Feste zu seiner Amtseinführung organisierte, auf die Trump-Organisation selbst, in der die Geschäfte des Familienklans zusammenlaufen, sowie auf das Gebaren von Trump persönlich während seiner bisherigen Amtszeit, Stichwort Behinderung der Justiz.

Angesichts dieses Himalayas an rechtlichen Problemen und der nunmehr demokratischen Mehrheit im Unterhaus scheint es kaum denkbar, das von seinen politischen Versprechen bis zum Ende seiner ersten Amtszeit viel überbleiben wird. Seine Anhängerschaft wie seine Partei ficht das indes alles nicht an. Wie diese Woche bekannt wurde, hat sich die Führung der Republikaner entschieden, den Präsidentschaftswahlkampf 2020 ganz und bedingungslos auf ihren Präsidenten zuzuschneiden.