Zum Hauptinhalt springen

"Kampf gegen Terror" zieht nicht mehr

Von Michael Schmölzer

Politik

Mit seiner Ankündigung zum Truppenabzug aus Syrien trifft Präsident Trump die Stimmung in den USA.


Washington/Wien. Ist es ein Weihnachts-Gag oder meint es Präsident Donald Trump ernst mit seiner Ankündigung, die 2000 in Syrien stationierten GIs heimholen zu wollen? Der überraschend formulierte Vorstoß hat jedenfalls viele vor den Kopf gestoßen, allen voran einflussreiche Republikaner. Senatoren und Abgeordnete warnen, von einem vernichteten Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) könne - anders als von Trump behauptet - nicht die Rede sein. Der Schritt sei ein "schwerer Fehler", heißt es hier, der unter anderem die Sicherheit der USA bedrohe. Denn wenn es eine Lehre aus 9/11 gebe, dann die, dass der Terrorismus an Ort und Stelle bekämpft werden müsse und nicht erst dann, wenn er die USA erreicht habe.

Einsame Entscheidung des US-Präsidenten

Glaubt man dem Fernsehsender CNN, ist die Entscheidung, ganz nach Trump-Art, gefallen, ohne dass Außenminister Mike Pompeo oder Verteidigungsminister James Mattis einbezogen worden wären. Die betroffenen Stellen im Pentagon und im US-Außenministerium wussten nichts von einem Abzug - geahnt haben sie es sehr wohl. Schließlich gab es im Vorfeld intensive Versuche, Trump die Idee auszureden. Dazu kommt, dass Trump schon im US-Wahlkampf angekündigt hatte, die "troops" aus Syrien heimholen zu wollen.

"Wir haben gegen den IS gewonnen", so Trump "nun ist es Zeit für unsere Soldaten, nach Hause zu kommen." Einen Tag später widersprach er seiner Einschätzung, indem er meinte, dass nun eben andere Nationen den IS bekämpfen müssten.

Trump hat, was er braucht: Eine Erfolgsmeldung kurz vor Weihnachten, dazu ein schönes Geschenk für die Angehörigen der US-Soldaten, die ihre Lieben bald zu Hause begrüßen können. Und wie die "New York Times" richtig bemerkt, ist der Abzug die konsequente Fortführung der Politik von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama. Der war mit dem Ziel angetreten, die US-Soldaten aus dem Irak und aus Afghanistan heimzuholen, zwei Länder, in die man im Zuge des Kampfes gegen den Terror einmarschiert war und wo man sich eine blutige Nase geholt hatte.

"Wir sind nicht der Polizistdes Nahen Ostens"

Der von Ex-Präsident George W. Bush beschworene "Kampf gegen den Terror" zieht bei den US-Amerikanern nicht mehr, das hat Trump mit seinem Gespür für die Stimmung in den USA erkannt. Die meisten Amerikaner haben genug, zumal die Lage in Afghanistan verheerender denn je ist. Die Taliban konnten nicht besiegt werden, von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten ist dort keine Rede. Man ist es leid, sich in Kriegen der anderen zu engagieren.

Entsprechend lautet Trumps Argumentation: Man sei nicht der "Polizist des Nahen Ostens", so der US-Präsident in einem Tweet. Das Engagement in Syrien koste nur Geld und "das kostbare Leben" von US-Soldaten.

Trump ist zwar ein Mann der Aufrüstung, der militärischen Stärke, der Panzer, Flugzeugträger und Atomraketen: Seiner Ansicht nach dient das Militär allerdings der unmittelbaren Verteidigung der Heimat, etwa gleich an der amerikanisch-mexikanischen Grenze, wo er zuletzt Soldaten zum "Schutz" gegen Migranten aufmarschieren ließ.

Sollte der Abzug der 2000 US-Soldaten, die im Norden Syriens stationiert sind, tatsächlich umgesetzt werden, würde Trump jeden Einfluss auf Syrien aufgeben und das Feld Russland, der Türkei und dem Iran überlassen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat Trump zu dessen Entscheidung jedenfalls bereits gratuliert.

In den vergangenen Monaten schien vor allem die Feindschaft Trumps zu Teheran ein Garant dafür, dass es einen Totalabzug der USA nicht geben werde. Doch das hat nun keine Priorität mehr.

Klar ist auch, dass Trumps einsame Entscheidung die Spielregeln in Syrien selbst ändert. Die USA waren mit den Kurden im Norden Syriens verbündet und standen einer Offensive der Türkei gegen die kurdischen YPG im Weg. Ziehen die USA ihre Soldaten ab, ist das Problem für Ankara gelöst. Es ist davon auszugehen, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan innerlich jubelt: Das, was Trump versprochen hat, ist vor allem ein großes Weihnachtsgeschenk an den autokratischen Mann in Ankara.

Laut dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar steht die türkische Armee in den Startlöchern, laufen die militärischen Vorbereitungen für eine weitere Invasion auf Hochtouren. Wann der Einmarsch erfolgen wird, ist unklar. Dass er nach einem Abzug der US-Soldaten erfolgen wird, ist so gut wie sicher. Für die Türkei stellen die Kurden an der Südgrenze eine Gefährdung der territorialen Integrität dar.

Trump lässt Kurdenim Regen stehen

Trump lässt die Kurden, mit denen er den IS bekämpft hat, im Regen stehen. Diese laufen jetzt Gefahr, zwischen der Türkei im Norden und dem syrischen Regime unter Präsident Bashar al-Assad zerrieben zu werden. Entweder wird man von den türkischen Panzern überrollt. Oder die Kurden ordnen sich dem Diktator in Damaskus unter.

Assad hat bereits mehrfach unmissverständlich klargemacht, dass er wieder die Kontrolle über ganz Syrien anstrebt. In diesem Bestreben wird er von Russland unterstützt. Auch der Iran und die Türkei sind der Ansicht, dass die territoriale Integrität Syriens erhalten bleiben müsse.

Neben namhaften Republikanern und den Kurden warnt auch Frankreich, dass der US-Abzug ein für die Welt gefährliches Wiedererstarken des IS zur Folge haben könnte. Die Terrormiliz kontrolliert im Osten Syriens immer noch ein kleines Gebiet, auch im Irak sind noch Zellen aktiv.