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Unlauterer Wettkampf im Kongo

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

Die herrschende Machtelite tut alles, um einen Sieg von Oppositionsführer Fayulu zu verhindern.


Kinshasa. Vor der großen Villa von Olive Lembe Kabila in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma versammelt sich eine Menschenmenge: Frauen mit Babys im Tragetuch, Motorradtaxifahrer, Studenten. Ein Lastwagen mit scheppernden Lautsprechern auf der Ladefläche parkt am Straßenrand. Ein Wahlkampfsong für Präsidentschaftskandidat Emmanuel Shadary hallt durch die Gassen des noblen Stadtviertels Himbi entlang des Kivu-Sees. "Wir warten auf unsere Mama", sagt Daniel Muhindo. Der Student trägt ein blau-gelbes T-Shirt der Regierungspartei PPRD, die vom Lkw herab verteilt werden. Die Frau von Präsident Joseph Kabila, stammt aus einem Dorf nahe Goma. Hier hat sie ihre Villa am Ufer stehen: "Sie soll uns etwas geben, dann können wir versichern, dass die Stadt zu 100 Prozent Shadary wählt", so Muhindo.

Die First Lady der Demokratischen Republik Kongo fungiert als Wahlkampfhelferin für Kabilas Wunschnachfolger von Shadary, bislang ständiger Sekretär der PPRD. Als ehemaliger Innen- und Sicherheitsminister war er in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich für die gewaltsame Niederschlagung von Anti-Kabila-Protesten. Die EU verhängte daher 2017 Sanktionen gegen ihn.

Im Vorfeld von Shadarys Wahlkampfauftritt im Fußballstadion in Goma hat Lembe Kabila bündelweise Geld verteilt, um Menschen anzulocken. Die Millionenstadt inmitten der Bürgerkriegsregion steht der Opposition nahe. Nur wenige hundert junge Männer kamen ins Stadion, um Shadary zuzujubeln, die meisten wurden dafür bezahlt. Dass "Mama Olive", wie die First Lady oft genannt wird, Geld verteilt, hat sich in Goma jedoch rasch herumgesprochen. Im Laufe des Vormittags wird die Menschenmenge immer größer. Die Präsidentschaftsgarde muss anrücken, das Haus zu sichern, ein UN-Hubschrauber kreist über Himbi, um die Lage zu beobachten.

Kabila-Marionette ins Rennen geschickt

Der Wahlkampf im Kongo ging in den vergangenen Tagen in die heiße Phase. Für das Regime, das seit 17 Jahren an der Macht ist, geht es am 30. Dezember um alles oder nichts. Denn Kabila selbst darf laut Verfassung nicht mehr antreten. Er hat hingegen seinen loyalen Parteigenossen ins Rennen geschickt und angekündigt, bei den nächsten Wahlen, voraussichtlich 2023, möglicherweise wieder anzutreten. Der wenig charismatische Shadary gilt als Marionette.

Im Wahlkampf hat sich immer mehr gezeigt: Die Oppositionskoalition "Lamuka" mit ihrem gemeinsamen Kandidaten Martin Fayulu hat offensichtlich die Nase vorn. In zahlreichen Städten des Landes zog er gewaltige Massen an. Sie trugen ihn auf einem rotbezogenen Stuhl durch die Straßen wie einen König. "Wir wollen keine T-Shirts und kein Geld, wir wollen Veränderung", hatten ihm die Leute in Goma zugerufen.

Kabilas Machtapparat hat alles versucht, um Fayulus Massenaufläufe zu verhindern. In Shadarys Heimatprovinz Maniema erhielt Fayulus Flugzeug keine Landeerlaubnis. Die Armee hatte die Landebahn mit Hubschraubern zugeparkt. In Lubumbashi, Heimatstadt von Oppositionsführer Moise Katumbi, der zu den Wahlen nicht zugelassen wurde und daher all sein Geld auf Fayulu setzte und ihm seinen Privatjet zur Verfügung stellte, wurden die Fans mit Tränengas und Kugeln beschossen. Sechs Tote gab es während des Wahlkampfes landesweit. Die UN-Mission im Kongo (Monusco) dokumentierte 43 Übergriffe seitens der Sicherheitsorgane.

Als Fayulu am Mittwoch in der Hauptstadt Kinshasa landete, verbot der dortige Gouverneur glattweg alle Veranstaltungen. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt wurde sein Konvoi von Sicherheitskräften blockiert. Als seine Anhänger angeströmt kamen, seien sie mit Tränengas auseinandergetrieben worden. "Wir hatten so viele Schwierigkeiten", berichtet Fayulu der "taz" im Interview.

Vor dem Gebäude der Wahlkommission (CENI) in Goma drängelten sich hunderte Menschen. Sie haben ihre Wählerkarten verloren oder sie wurden gestohlen, nun verlangen sie eine neue. Doch die CENI-Mitarbeiter sind heillos überfordert. Im Lagerraum im Erdgeschoß türmen sich Pakete mit Wahlunterlagen und den umstrittenen Wahlmaschinen, die von der Opposition als Instrumente zur Wahlfälschung bezeichnet werden. "Beni", "Butembo", steht als Zielort auf den Kartons. Rund um diese Städte 300 Kilometer nördlich grassiert das Ebola-Virus, Milizen attackieren die Bevölkerung, Kongos Armee und UN-Blauhelme führen Militäroperationen durch.

Viele Kongolesen hegten berechtigte Zweifel, dass die Wahlen termingemäß stattfinden können. Vergangene Woche brannte das von Soldaten der Präsidentengarde bewachte CENI-Zentrallager in Kinshasa ab, 8000 Wahlmaschinen verkohlten. Wie es zum Feuer kam, ist unklar. Ein Teil der Wahlunterlagen befindet sich noch immer in Südafrika, wo sie gedruckt wurden. Die Monusco hat zu Beginn der Woche der Regierung erneut angeboten, mit Flugzeugen bei der Logistik zu helfen, wie bereits bei den Wahlen zuvor 2011. Doch CENI winkte ab. Man wolle keine Einmischung von internationaler Seite. EU-Wahlbeobachter wurden nicht eingeladen. Stattdessen kam es zu Protesten vor dem "Schengen-Haus", der belgischen Botschaft in der Hauptstadt, gegen die EU-Sanktionen.

Urnengang um eine Woche verschoben

Zuletzt war es die Armee, die mit ihren Frachtmaschinen und Lkw die Wahlmaterialien im Land verteilte. Doch in den vergangenen Tagen transportierten die Antonow-Maschinen vor allem Soldaten quer durch das Land. Über 5000 zusätzliche Truppen wurden in der Hauptstadt zusammengezogen. Schließlich trat CENI-Chef Corneille Nangaa am Donnerstagabend vor die Kameras, um die Verschiebung der Wahl um eine Woche zu verkünden. Der Grund: CENI sei aufgrund der abgefackelten Wahlmaschinen nicht in der Lage, die Abstimmung am festgesetzten Datum durchzuführen. Ebola und Unsicherheit würden die Wahl in gewissen Regionen nicht zulassen. Fragen von Journalisten ließ er nicht zu. An der Universität in Kinshasa protestierten sofort Studenten. Weitere Demos werden in den kommenden Tagen erwartet. "Wir lehnen eine Wahlverschiebung kategorisch ab", erklärte auch Kandidat Fayulu. Die "Volksabstimmung" hätte ihn ohnehin bereits zum Sieger erklärt. Ob er richtig liegt, wird sich weisen.

<p align="center">*** Wissen ***

Die Wahl im Kongo hätte schon längst stattfinden müssen. Denn eigentlich endete die Amtszeit von Präsident Joseph Kabila bereits Ende 2016. Doch der Amtsinhaber verschob die Wahl ein ums andere Mal. Nun soll am 30. Dezember abgestimmt werden. Wegen der Verzögerungen kam es immer wieder zu Protesten gegen Kabila, gegen die die Sicherheitskräfte brutal vorgingen.

Der Noch-Präsident regiert den Kongo seit 2001, nachdem sein Vater Laurent-Desire Kabila durch einen Leibwächter getötet worden war. Im Jahr 2006 gewann der Sohn die Wahlen. Nach 17 Jahren wird nun ein Nachfolger bestimmt. Allerdings könnte Kabila weiterhin im Hintergrund ein gewichtiges Wort mitreden: Favorit ist sein ehemaliger Innenminister Emmanuel Ramazani Shadary, der die blutige Niederschlagung der Proteste organisierte.

Es gibt erhebliche Zweifel, dass der Urnengang fair verlaufen wird. Schon im Vorfeld hat die Regierung unliebsame Kandidaten aus dem Weg geräumt: Moise Katumbi hatte als Gouverneur der Provinz Katanga die Armut verringert, die Korruption bekämpft und das Steueraufkommen verbessert. Eine dubiose Gerichtsverurteilung wegen Korruption trieb ihn ins Exil. Er wollte zur Wahl antreten, ihm wurde aber die Einreise verweigert.

Katumbi unterstützt nun Martin Fayulu, einen Ex-Geschäftsmann, der vor allem in der Erdölbranche tätig war. Er genießt die Unterstützung von sieben Oppositionsparteien. Allerdings schwächt sich die Opposition dadurch, dass sie gespalten ist: Denn auch Felix Tshisekedi, ein langjähriger Gegner Kabilas, will antreten.