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Kein Flächenbrand, viele Krisenherde

Von Michael Schmölzer und Ronald Schönhuber

Politik
Syrische Schulkinder nahe der Stadt Al-Hasakah.
© reu/Rodi Said

In den meisten Konfliktregionen der Welt wird die Gewalt auch 2019 weitergehen. Doch es gibt Hoffnung.


Wien. Ein stiller und friedlicher Ort ist diese Welt nicht, auch wenn ihr militärische Konfrontationen im ganz großen Maßstab derzeit erspart bleiben. Für viele Pessimisten erstaunlich ist, dass US-Präsident Donald Trump - anders als etwa sein Vor-Vorgänger George W. Bush - nicht unmittelbar einen großen Krieg vom Zaun gebrochen hat. Die sprunghaften, oft nicht nachvollziehbaren und auf das reine Eigeninteresse der USA abzielende Entscheidungen Trumps sorgen allerdings weltweit für Verunsicherung, wenn nicht sogar Angst. Und: Die globale Produktion von Rüstungsgütern ist einmal mehr drastisch angestiegen, wie das Friedensforschungsinstitut Sipri vermeldet. Die atomare Abrüstung ist gestoppt und läuft Gefahr, in ihr Gegenteil verkehrt zu werden. Immer öfter warnen Experten, dass der Klimawandel Sicherheit und Frieden auf diesem Planeten gefährdet, die Sorgenfalten in den Gesichtern der Verantwortlichen werden tiefer.

Hier nun ein kurzer Überblick über die Krisenherde der Welt.

*****<p>Am Hindukusch herrscht bis heute Ratlosigkeit

Afghanistan schlittert seit Jahrzehnten von einer Katastrophe in die nächste. Derzeit ist es so, dass die Taliban je nach Berechnungsart die Hälfte oder mehr des gesamten Territoriums kontrollieren. Die afghanische Armee, die den Kampf gegen die islamistischen Extremisten übernommen hat, erleidet fürchterliche Verluste. Auch 2400 GIs sind mittlerweile getötet worden. Immer wieder überrennen die Taliban Stützpunkte der von der Nato unterstützten und ausgerüsteten regulären Armee, die seit 2015 mehr als 28.000 Mann verloren hat. Die Moral hat den absoluten Tiefpunkt erreicht, manche Armee-Einheiten existieren nur noch auf dem Papier. Jetzt ist die Rede davon, dass Trump zumindest die Hälfte der 14.000 US-Soldaten aus Afghanistan abziehen will. Das Signal wäre verheerend, die Afghanen hätten dann wohl das Gefühl, einfach ihrem Schicksal überlassen zu werden. Für die Nato-Verbündeten, die mit Truppen in Beraterfunktion in Afghanistan sind, wird die Sache auch nicht leichter. Der Rücktritt von US-Verteidigungsminister Jim Mattis erhöht die Verunsicherung, welchen Kurs die US-Verteidigungspolitik künftig einschlagen wird.

Steht in Syrien der letzte Akt des Dramas bevor?

Rebellen-Anhänger in Sanaa.
© reu/Khaled Abdullah

Hat Syrien nach sieben Jahren Krieg und 500.000 Toten das Schlimmste überstanden? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Immerhin hat die befürchtete Kesselschlacht um die letzte Rebellenhochburg Idlib nicht stattgefunden. Ein zwischen Russland, der Türkei und dem Iran ausgehandeltes Abkommen hält bis jetzt. Allerdings besteht die Gefahr, dass es im Norden Syriens, der von Kurden gehalten wird, zu neuen Kämpfen kommt. Die Türkei will den von Trump groß angekündigten Abzug der US-Soldaten nutzen, um gegen die Kurden zu Felde zu ziehen, die man in Ankara als existenzielle Bedrohung wahrnimmt. Die kurdischen Kämpfer der YPG sind allerdings kein leicht zu bekämpfender Gegner. Sie sind gut ausgerüstet und haben von den USA panzerbrechende Waffen erhalten. Unterdessen ist vor allem Russland daran interessiert, dass es in Syrien zu einer stabilen Friedensordnung kommt. Ob das 2019 gelingt, ist anzuzweifeln.

Nach langem Kampf gibt es Hoffnung für den Jemen

Soldaten in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu.
© reu/Goran Tomasevic

Hier hat ein Bürgerkrieg, der zum Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wurde, verheerende Schäden angerichtet. Zehntausende Tote, Cholera-Epidemien und eine bedrohliche Hungersnot suchen das Land heim. Doch auch hier gibt es die Hoffnung, dass das Schlimmste überstanden ist. Die Schlacht um die von Regierungstruppen eingeschlossene Hafenstadt Hodeidah konnte gestoppt werden. Jetzt sollen beide Seiten ihre Truppen abziehen. Das Waffenstillstandsabkommen ist allerdings nicht in Stein gemeißelt, es gleicht eher einem Kartenhaus, das jederzeit zusammenbrechen kann.

Der vergessene Konflikt in der Ukraine eskaliert

Der Konflikt in der Ukraine hat zum tiefsten Bruch zwischen Russland und seinen europäischen Nachbarn seit Jahrzehnten geführt. Auf den Sturz der Moskau-freundlichen Regierung in Kiew 2014 reagierte der Kreml mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der Unterstützung der pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine. Mit dem Abkommen von Minsk haben Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine 2014 und 2015 den Versuch gestartet, den von Scharmützeln und gegenseitigen Provokationen geprägten Krieg zu beenden. Eine Lösung des Konflikts, der nach Angaben der UNO bereits mehr als 10.000 Tote gefordert hat, ist allerdings nicht in Sicht. Im Gegenteil: Mit der Eskalation im Asowschen Meer ist die zuletzt fast schon vergessene Auseinandersetzung im November 2018 wieder mit aller Vehemenz auf die weltpolitische Bühne gedrängt.

Im libyschen Chaos kämpft jeder gegen jeden

Auch sieben Jahre nach dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar Al-Gaddafi ist das Chaos in Libyen kaum kleiner geworden. Mittlerweile streiten drei Regierungen im nordafrikanischen Wüstenstaat um die Macht - eine davon ist zwar international anerkannt, jedoch reicht ihr Einfluss kaum über die Hauptstadt Tripolis hinaus. Außerdem machen sich rivalisierende Milizen Konkurrenz, wenn nötig mit Gewalt. Das Fehlen jeder staatlichen Ordnung bietet Extremisten ausreichend Freiräume, um sich auszubreiten. So kontrollierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zwischenzeitlich ein rund 300 Kilometer langes Gebiet am Mittelmeer. Zwar verloren die Dschihadisten im Dezember 2017 ihre Hochburg Sirte, dass sie aber weiter im Land präsent sind, zeigen die immer wiederkehrenden Terroranschläge. Viele Experten gehen auch davon aus, dass nach den Verlusten in Syrien und im Irak viele IS-Kämpfer nach Libyen gekommen sind, wo ihnen die Weite der Wüste viele Rückzugsmöglichkeiten bietet. Menschenschmuggler nutzten diese Lage, um Migranten aus Afrika in Richtung Europa zu schleusen.

Rebellen terrorisieren den Osten des Kongos

Im an Bodenschätzen reichen Osten des Kongo haben verschieden Rebellengruppen in den vergangenen 20 Jahren vermutlich mehrere tausend Menschen getötet. Besonders berüchtigt ist die radikal-islamische Miliz AFD, die ursprünglich in Uganda gegründet wurde, um Präsident Yoweri Museveni zu stürzen, nach ihrer Vertreibung von dort aber nun vor allem in der ostkongolesischen Unruheprovinz Nord-Kivu für Angst und Schrecken sorgt. Nach UN-Angaben gibt es im Kongo derzeit 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge - fast 700.000 davon alleine in Nord-Kivu.

Die atomare Bedrohung wird wieder größer

Nach dem Ende des Kalten Kriegs ist die Zahl der Atomwaffen auf der Welt kontinuierlich gesunken. Reduziert wurde dabei nicht nur der Bestand der Internkontinentalraketen; mit dem schon 1987 zwischen der USA und der Sowjetunion abgeschlossenen INF-Vertrag wurden auch der Bau und der Besitz landgestützter Atomraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern verboten. Mittlerweile wird die atomare Abrüstung aber wieder in Frage gestellt - beugt sich Russland nicht einem US-Ultimatum dürfte der INF-Vertrag schon in wenigen Wochen vor dem Aus stehen. Für Europa könnte diese Entwicklung eine Rückkehr der nuklearen Bedrohung bedeuten.