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Globale Weltunordnung - auch 2019

Von Thomas Seifert

Politik

Vom Brexit bis zum Handelskrieg der USA mit China: Welche Gefahren für Frieden und Stabilität drohen dieses Jahr?


Wien. Für die Europäische Union wird auch 2019 ein turbulentes Jahr: Am Freitag, dem 29. März 2019 um punkt 11.00 Uhr (12 Uhr Mitteleuropäischer Zeit) steht der Brexit, der Austritt Großbritanniens, auf dem Kalender. Dieser Tag ist das Resultat des Brexit-Referendums vom 23. Juni 2016, an dem 30 Millionen britische Wähler (Wahlbeteiligung 71,7 Prozent) sich mit knapper Mehrheit (51,9 Prozent gegen 48,1 Prozent) für den Austritt Großbritanniens ausgesprochen haben. Der bisherige Verlauf der Brexit-Verhandlungen und Brexit-Vorbereitungen in Großbritannien verlief äußerst chaotisch, bis zuletzt spielte die glücklose britische Premierministerin Theresa May auf Zeit und hofft nun, ihr Verhandlungsergebnis bis spätestens 21. Jänner durchs Unterhaus zu bekommen. Bei einem ungeordneten, chaotischen Brexit droht Großbritannien ins Chaos zu stürzen, der Kollateralschaden für die Handelspartner des Vereinigten Königreiches in der EU wäre enorm. London droht auch von Edinburgh Ungemach: Die Schotten, die mit 62 Prozent mehrheitlich für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt haben, wollen sich mit dem Brexit nicht abfinden und drohen mit einem Unabhängigkeits-Referendum.

Für den 31. März 2019 sind in der Ukraine Präsidentenwahlen angesetzt. Die Wahl könnte zumindest indirekt zu einer Eskalation im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland beitragen: Moskau - so wird in Kiew befürchtet - könnte versuchen, die Wahlen in der Ukraine zu stören oder im eigenen Interesse zu beeinflußen. Moskau wiederum befürchtet, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko der ukrainischen Armee für die Zeit vor den Wahlen eine harte Linie gegenüber den von Moskau unterstützten Separatisten in der Region Donetzk und Luhansk vorgeben könnte. Moskau muss auch damit rechnen, dass Poroschenko die ukrainischen Gebietsansprüche im Asowschen Meer und in den Gewässern um die von Russland annektierte Halbinsel Krim mit einer verstärkten Marine-Präsenz unterstreicht, um sich vor den Wahlen als Beschützer der Ukraine zu profilieren.

Von 23. bis 26. Mai 2019 werden in den voraussichtlich dann 27 EU-Staaten die 705 Abgeordneten des EU-Parlaments gewählt. Beobachter rechnen mit Zugewinnen für euroskeptische, populistische und nationalistische Parteien - das Regieren auf europäischer Ebene würde dadurch nicht eben einfacher.

Kommt es 2019 zu einer Normalisierung in Syrien?

Gleichzeitig besteht 2019 erstmals seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien eine Chance auf Normalisierung. Zwar wird die Türkei weiter versuchen, die auf syrischer Seite lebenden Kurden zu schwächen und auch militärisch zu bedrängen, die arabischen Regierungen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass der syrische Präsident Bashar al-Assad in Damaskus an der Macht bleibt. Sie wollen vor allem verhindern, dass Recep Tayyip Erdogan seine Machtsphäre in der Region ausdehnen kann.

So haben zuletzt die Vereinigten Arabischen Emirate (V.A.E.) verkündet, ihre Botschaft in Damaskus nach sieben Jahren Schließung wiederzueröffnen. Mit diesem Schritt sollen laut Auskunft des Außenministeriums der V.A.E. die Beziehungen zwischen beiden Ländern wiederhergestellt werden. "Die arabische Rolle in Syrien ist nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, um den Einfluss des Iran und der Türkei zu begrenzen", schreibt der Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten, Anwar Gargash auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Saudia-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Qatar haben im syrischen Bürgerkrieg gegen Assad gerichtete Anti-Regierungs-Milizen unterstützt, die Kehrtwende Abu Dhabis ist somit bemerkenswert.

Iran, Korea und China als Risiken aus US-Perspektive

Welche geopolitischen Risiken sehen internationale Experten für das Jahr 2019? Das Center for Preventive Action des US-amerikanischen Council on Foreign Relations veröffentlicht jedes Jahr vor dem Jahresende den "Preventive Priorities Survey", in dem versucht wird, die größten Gefahren für die geopolitische Stabilität - aus US-Sicht - zu erkennen und zu benennen.

Für diesen Bericht wird jedes Jahr eine Vielzahl von US-Experten befragt. In ihren Antworten gaben die Experten an, dass sie einen Konflikt der USA mit China, dem Iran oder Nordkorea für am gefährlichsten erachten. Ein Ereignis mit "weitreichenden Folgen" aber "moderater" Wahrscheinlichkeit sind "erneute Spannungen auf der koreanischen Halbinsel", die auf einen Zusammenbruch der "Denuklearisierungs-Verhandlungen" folgen. Eine "bewaffnete Konfrontation" zwischen dem Iran und den USA oder einem US-Verbündeten wegen der Verwicklung der islamischen Republik in regionale Konflikte findet sich ebenfalls auf dieser Risiko-Aufstellung. Die Tatsache, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wegen Korruptionsvorwürfe gegen Familienmitgliedern in schweren politischen Turbulenzen ist und für den 9. April 2019 vorgezogene Knesset-Wahlen angesetzt wurden, verkompliziert die Lage im Nahen Osten noch weiter.

Als weiteres Risiko für die Vereinigten Staaten haben die US-Sicherheitsexperten eine "sehr disruptive Cyberattacke gegen kritische US-Infrastruktur" identifiziert. Zudem sei die Gefahr von Terroranschlägen gegen die USA und deren Verbündete auch 2019 nicht gebannt.

Kurz vor Weihnachten 2018 setzte Washington den ungewöhnlichen Schritt, zwei Hacker mit chinesischer Staatsbürgerschaft namentlich für Cyberspionage verantwortlich zu machen.

Warnungen vor Cyberspionage werden immer lauter

Auch europäische Experten warnen seit einiger Zeit vor einer stark gestiegenen Gefahr von Cyberattacken. Zuletzt protestierte die Europäische Union gegen chinesische Cyber-Spionage.

Die US-Experten warnen in ihrem Bericht auch vor einer möglichen Eskalation des See-Disputs im südchinesischen Meer, wo es territoriale Streitigkeiten zwischen China und seinen Nachbarn gibt (Brunei, Malaysia, Philippinen und Vietnam). Einen Konflikt um Taiwan sehen die Experten als weiteres mögliches Risiko.

Die Beziehungen zwischen China und den USA haben sich im Jahr 2018 deutlich verschlechtert: Die USA stellt sich im Streit ums südchinesische Meer klar gegen China und US-Präsident Donald Trump segelt auf einem Handelskrieg-Kurs gegen China. Mit Stichtag 1. Jänner 2019 traten Importzölle in der Höhe von 25 Prozent auf chinesischsche Importe im Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar in Kraft.

Mit dieser Maßnahme wird die chinesische Industrie geschwächt: Zuletzt hat der taiwanesische Apple-Zulieferer Foxconn den Beschluss bekanntgegeben, ein neues Werk in Tamil Nadu im Süden Indiens zu errichten. Manche Beobachter deuteten diesen Schritt als Teil einer Diversifikationsstrategie, die Elektronik-Produzenten, die für den US-Markt produzieren, dazu bringt, Produktionskapazitäten stärker in Ländern außerhalb der Volksrepublik China anzusiedeln. Dieser Handelsstreit könnte 2019 weiter eskalieren - der Kollateralschaden für Europa wäre enorm.

Und schließlich sitzt einer der Risikofaktoren für die USA im Weißen Haus: 2019 wird jenes Jahr, in dem Donald Trumps Russland-Connection einmal mehr zum Thema wird. Die bereits bekannten Teile des sogenannten Robert-Mueller-Reports lesen sich wie ein Krimi von John Le Carré-Spionage-Thriller.

Dass es freilich zu einem Impeachment-Verfahren gegen Trump kommen wird, ist noch ungewiss.