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Gerangel um Macht im Kongo

Von Klaus Huhold

Politik

Die Wahlergebnisse sind noch nicht veröffentlicht. (Noch-)Präsident Kabila hat viel zu verlieren.


Kinshasa/Wien. Als Joseph Kabila Präsident des Kongo wurde, hatte er sich dagegen gesträubt. Das geht zumindest aus Depeschen von US-Diplomaten hervor, die Wikileaks veröffentlicht hatte. Im Jänner 2001 war der Vater von Joseph, Laurent Kabila, der zu diesem Zeitpunkt Präsident war, dem Attentat eines Leibwächters zum Opfer gefallen. Sobald klar war, dass er nicht überleben würde, traten hochrangige Militärs und Vertraute von Laurent Kabila zusammen und einigten sich schnell auf dessen Sohn Joseph als Nachfolger. Diesem wurde als Einzigem zugetraut, dass er die verschiedenen politischen Fraktionen und die Streitkräfte zusammenhält.

Doch Joseph Kabila wollte zunächst nicht. In den Depeschen wird darüber spekuliert, dass er offenbar um sein Leben fürchtete. Schließlich ließ sich der damals 29-Jährige doch überreden.

Rund 17 Jahre später tat sich derselbe Joseph Kabila schwer, die Macht aus den Händen zu geben. Ständig hatte er die Wahlen verschoben, wodurch diese erst mit zweijähriger Verspätung stattfinden konnten. Ende Dezember war es schließlich so weit. Doch vergangene Woche war die Verkündigung des Wahlergebnisses verschoben worden und bis Montagabend war es noch immer nicht veröffentlicht.

Das sorgt im Kongo für erhebliche Unruhe, die Lage ist so angespannt, dass sie jederzeit explodieren und in Gewalt umschlagen könnte. Es gehen Gerüchte um, der Grund für die Verzögerung sei, dass Kabilas Wunschkandidat Emmanuel Ramazani Shadary zum Sieger gemacht werden soll. Dafür gibt es noch weitere Indizien: Schon am Wahltag wurde von Einschüchterungen berichtet. Und die elektronischen Wahlmaschinen, die im ganzen Land eingesetzt wurden, sind leicht zu manipulieren.

Die einzige Institution, die die Wahl in dem Staat, der so groß wie Westeuropa ist, flächendeckend beobachten konnte, war die katholische Kirche. Diese hat bereits mit einem Zitat für Aufsehen gesorgt. Der Leiter der katholischen Bischofskonferenz, Abbe Donatien Nshole, deutete an, dass es bereits einen Wahlsieger gebe. Er forderte die Wahlkommission auf, die Ergebnisse "mit Respekt für Wahrheit und Gerechtigkeit zu publizieren".

Opposition wohl Sieger

Aus den Worten des Bischofs lässt sich ableiten, dass ein Kandidat der Opposition die Wahl gewonnen hat - entweder der frühere Ölmanager Martin Fayulu oder der langjährige Regierungsgegner Felix Tshisekedi. Wäre der Regierungskandidat Shadary der Sieger, würde die Kirche wohl nicht so einen Appell veröffentlichen und das Ergebnis wäre schon verkündet.

Der frühere Innenminister Shadary hat wenig eigenes Profil, er wurde vor allem als Mann von Kabilas Gnaden wahrgenommen. Deshalb war die Wahl auch eine Abstimmung über die Amtszeit Kabilas. Kaum ein Beobachter glaubt, dass Shadary sie gewonnen hat. Den Grund dafür fasst wohl am besten der kongolesische Journalist Jerome Sekana Pene Papa in einer Äußerung gegenüber dem Magazin "Foreign Policy" zusammen: Würde ein Kind ein Telefon stehlen, wäre es noch am selben Tag im Gefängnis. "Aber wenn jemand drei oder fünf Millionen Dollar unterschlägt? Ein paar Wochen später wird ihm ein neuer Posten anvertraut."

In dem rohstoffreichen Land hat sich unter Joseph Kabila nichts an der Korruption, die auch schon unter Langzeitdiktator Mobutu Sese Seko herrschte, geändert. Der Großteil der Bevölkerung ist bitterarm, durch weite Teile des Landes, vor allem im Osten, marodieren Milizen, und die Minen, die dem Kongo viel Reichtum bringen könnten, verschachern Politiker allzu oft mittels dubioser Deals an Geschäftsleute mit zweifelhafter Reputation.

Fraglich ist, ob sich durch einen Sieg der Opposition an diesen Zuständen etwas ändern würde. Wie es mit dem Kongo weitergeht, liegt vor allem an Joseph Kabila. Denn er hat nun viel zu verlieren.

Eine gemeinsam mit der Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlichten Studie der New York University dokumentierte, an welchen Geschäften die Kabila-Familie beteiligt ist, und nennt etwa Luxushotels, Mobilfunkunternehmen oder Restaurants. In einem Land ohne funktionierenden Rechtsstaat ist die beste Sicherheit für solche Geschäfte politische und militärische Macht. Sie war durch Kabilas Präsidentschaft garantiert. Nun liegt es im Interesse von Kabila und seiner Entourage, die politische Macht weiter in Händen zu halten oder zumindest mit dieser verwoben zu bleiben.

Doch es geht vielleicht um mehr als Geld. Der Kongo hat eine blutige Geschichte, in der oft Gewalt bis hin zum Mord die Art und Weise war, wie politisch Revanche genommen wurde. Viele Beobachter vermuten daher, dass Kabila sich sorgt, was es für seine persönliche Sicherheit bedeutet, wenn er die Macht verliert. Wie bei seinem Amtsantritt hat er auch bei seinem Abgang viel zu befürchten.