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Eingemauerte Seelen

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

In den USA besteht kaum Hoffnung auf ein Ende des "Government Shutdowns".


Washington D.C. Die Botschaft kam an, aber die Frage bleibt, inwieweit sie bei den amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern hängen bleibt. Am Dienstagabend Ortszeit Washington D.C. gab US-Präsident Donald Trump eine auf allen großen Fernsehkanälen des Landes live ausgestrahlte Rede zur Lage an der Südgrenze, an der sich laut ihm eine "wachsende humanitäre und Sicherheitskrise" zusammenbraue. Unter nämlicher würden "alle amerikanischen Bürger leiden, weil sie öffentliche Ressourcen verschlingt und Löhne und Gehälter in den Keller treibt". Es handle sich um "eine Krise des Herzens und der Seele", wie es der Ex-Reality-TV-Star nannte.

Weil Trumps Argumente für den Bau einer Mauer zu Mexiko, die ihm zufolge die sofortige Abstellung von fünf Milliarden Dollar unabdingbar machen würde, faktisch kaum zu untermauern sind, appellierte der 71-Jährige emotional an die Öffentlichkeit; er erzählte Geschichten von Polizisten und Bürgern, die von illegalen Einwanderern brutal ermordet wurden, sprach über die aus Mexiko importierte Heroin-Epidemie und die Schicksale von eingeschleppten Kindern.

Doch keine Ausrufung des Ausnahmezustandes

All dem, so der Sukkus, könne man nur mit dem Bau einer physischen Barriere zum Nachbarland beikommen, und die Demokraten, deren Zustimmung er für die Bereitstellung des dafür nötigen Gelds braucht, müssten das verstehen - andernfalls bleibe jenes Viertel der Bundesregierung, dessen Mitarbeiter wegen des "Government Shutdowns" vor rund drei Wochen die Arbeit niederlegten beziehungsweise unbezahlt arbeiten, bis auf weiteres zugesperrt. Keine Überraschung das alles, auch wenn manche Kommentatoren bereits allein die Tatsache als Erfolg feiern, dass der unberechenbare Trump aufgrund der aktuellen Krise nicht den Ausnahmezustand erklärt hat.

Bis Anfang der Woche war von Seiten des Weißen Hauses noch von "4000 Terroristen" die Rede gewesen, die man angeblich in den vergangenen zwei Jahren bei der Einreise erwischt habe. Weil sich diese von Pressesprecherin Sarah Huckabee-Sanders in die Welt gesetzte Behauptung aber dann doch als zu offensichtlich erfunden erwiesen hatte, blieb ein Verweis darauf am Ende aus. Selbst Trump-Beraterin Kellyanne Conway war in diesem Punkt nur Stunden vor Trumps Rede zurückgerudert.

Aus der Perspektive des Präsidenten stellt sich die hinter der öffentlichen Mauerrede - seiner ersten - stehende Absicht mehrschichtig dar. Vor allem anderen sollte sie dazu dienen, seine Wählerbasis, beziehungsweise das, was von den 63 Millionen Amerikanern noch übrig ist, die ihm 2016 ihre Stimme gaben, zu befrieden.

Im Kongress hatten sich seine Republikaner und die Demokraten längst auf ein vorläufiges Budget und auf die Vermeidung einer Regierungskrise geeinigt. Der Präsident hatte ebenfalls Zustimmung signalisiert - bis er, wie dem Weißen Haus nahestehende Mitarbeiter gegenüber US-Medien einhellig bestätigten, wieder einmal zu viel Fernsehen schaute. Im US-Medienuniversum, das von "Fox News" angeführt und ein an Vielfalt wie Reichweite mittlerweile kaum mehr überschaubares Biotop von stramm konservativ bis offen rechtsradikal abdeckt, wurde ihm wegen seiner Zustimmung zu dem Budgetkompromiss gar Verrat unterstellt.

Motto: Wenn Trump nicht fähig ist, sein Nummer-eins-Wahlversprechen durchzusetzen, den Bau der Mauer zu Mexiko, warum haben wir ihn dann gewählt? Nachdem Einwanderungs-Hardliner wie sein Berater Stephen Miller, dessen Handschrift in der Rede offensichtlich war, in die gleiche Kerbe schlugen, entschied sich Trump für einen Alleingang - zum Preis, dass ein rundes Viertel der Bundesregierung die Arbeit einstellte.

Fast drei Wochen ist das her und langsam aber sich sicher treten die mit dieser Entscheidung einhergehenden Konsequenzen Stück für Stück zutage. Rund 800.000 vom "Government Shutdown" unmittelbar betroffene Mitarbeiter der Bundesbehörden müssen mittlerweile fürchten, wegen des politischen Streits in der Hauptstadt ein komplettes Monatsgehalt zu verlieren; ganz zu schweigen von den zunehmend von der Regierungskrise betroffenen Menschen, für deren Schutz und Fürsorge sie zuständig sind. Von den für Flughäfen und Bahnhöfe zuständigen Sicherheitsbeamten der Transport Security Administration über die Steuerbehörden bis hin zu den Sozialhilfe-Administratoren: Langsam aber sicher drohen schon bald zu viele Räder still zu stehen, mit potenziell katastrophalen Folgen.

Die Hängepartei gehtvorerst weiter

Was die Verhandlungen über eine Wiedereröffnung der Regierungsbehörden angeht, zieren sich die Demokraten indes mit gutem Grund: Politisch haben sie wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Wie die vergangenen Midterms bewiesen, in denen Trump wie im Präsidentschaftswahlkampf Einwanderung zum größten Problem der USA erklärte, hat das Thema bei der Mehrheit der Wähler offenbar seinen Appeal verloren. Trotz seines massiven Einsatzes im Wahlkampf gewannen die Demokraten 40 Sitze im Repräsentantenhaus und zahllose auf Bundesstaatsebene. Dementsprechend geht die Hängepartie vorerst weiter - aber anders als bei allen Regierungskrisen zuvor ist der Ausgang diesmal tatsächlich mehr als ungewiss.

Immerhin: Trump selbst war mit seinem Auftritt zufrieden. "Danke für soooo viele nette Kommentare betreffend meine Rede aus dem Oval Office. Eine sehr interessante Erfahrung!", twitterte er sofort, nachdem die Kameras ausgegangen waren.