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Der Plan B von Kongos Machthabern

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

Oppositionskandidat Felix Tshisekedi hat überraschend ein die Wahl gewonnen, offenbar ein abgekartetes Spiel.


Kinshasa. Es ist eine Überraschung: Mit mehrtägiger Verspätung verkündete nun die Wahlkommission (Ceni) die Ergebnisse in der Demokratischen Republik Kongo und erklärte dabei den Oppositionskandidaten Felix Tshisekedi von der Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) zum zukünftigen Präsidenten des Landes.

Bereits am 18. Jänner soll der 55-Jährige vereidigt werden. Damit würde in der gewaltsamen Geschichte des rohstoffreichen Landes erstmals die Präsidentschaft friedlich nach Wahlen übergeben - und das noch dazu an einen Oppositionskandidaten. Doch was als historischer Wandel erscheint, ist offenbar wieder nur ein abgekartetes Spiel, bei dem Präsident Jospeh Kabila und das Militär im Hintergrund die Fäden gezogen haben.

Gemäß dem Auszählungsstand am Donnerstag erhielt Tshisekedi mehr als 38 Prozent der Stimmen. Zweiter wurde Martin Fayulu, Kandidat der Oppositionskoalition Lamuka, mit 35 Prozent. Am dritten Platz landete Emmanuel Shadary, der eigentliche Wunschnachfolger von Präsident Joseph Kabila, mit rund 24 Prozent.

In einer Ansprache im Radio versprach Tshisekedi, er werde als Präsident "für alle Kongolesen" arbeiten. Er bezeichnete Präsident Kabila als "wichtigen politischen Partner" und dankte seinen Rivalen, mit denen er zusammenarbeiten wolle, um einen "besseren Kongo aufzubauen".

In der Hauptstadt Kinshasa zogen Anhänger Tshisekedis jubelnd durch die Straßen. In den Hochburgen des unterlegnen Kandidaten Fayulu im Osten des Landes kam es jedoch zu ersten Protesten. Bei deren Niederschlagung sind mindestens vier Menschen getötet worden, laut offiziellen Angaben handelte es sich dabei um zwei Polizisten und zwei Demonstranten.

Katholische Bischöfe lehnen das Ergebnis an

Fayulus Anhänger sehen sich um den Sieg betrogen. Während der Wahlkampftour im Dezember hatte Fayulu deutlich mehr Menschenmassen angezogen als die übrigen Kandidaten. Und die kongolesische Bischofskonferenz, die mit 40.000 Wahlbeobachtern das größte unabhängige Netzwerk unterhielt, teilte am Donnerstag mit, dass die verkündeten Ergebnisse nicht mit ihren eigenen Daten übereinstimmen. Auch international, etwa von Frankreich und Belgien, wurden Zweifel geäußert.

Als einen "Putsch durch Wahlen" bezeichnete Fayulu selbst das Resultat. "Diese Ergebnisse haben nichts mit der Wahrheit zu tun, die die Wahlurnen bezeugen", sagte er. Das Gesetz sieht nun eine Frist von zehn Tagen vor, innerhalb derer die Rivalen vor dem Verfassungsgericht das Ergebnis anfechten können. Aus dem Fayulu-Lager heißt es, dass man eine solche Klage wahrscheinlich anstreben werde.

Hinter dem eher unbekannten 62-jährigen Geschäftsmann Fayulu, der 2009 seine eigene Partei gegründet hatte, stehen zwei politische Schwergewichte: der ehemalige Gouverneur von Katanga, Moise Katumbi, der im Exil lebt und zur Einreichung seiner Kandidatur nicht in den Kongo einreisen durfte; sowie Jean Pierre Bemba, Ex-Vizepräsident und ehemals Angeklagter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der ebenfalls nicht kandidieren durfte. Die beiden Gegner von Kabila hatten sich bei einem Treffen in Genf geeinigt, mit Fayulu einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Kabila war 2001 als 29-jähriger Sohn seines ermordeten Vaters Joseph Kabila an die Macht gehievt worden. Mit Hilfe der Armee hat er seine Macht in den vergangenen 17 Jahren nach und nach ausgebaut. Viele Kongolesen haben nun begründete Zweifel, ob sie tatsächlich einen demokratischen Übergang erleben. "Tshisekedi war Kabilas Plan B, mit dem er versucht, die Lage zu beruhigen", sagt Chrispin Mvano, Journalist und selbst Parlamentskandidat für die Bürgerkriegsregion Masisi im ostkongolesischen Nord-Kivu.

(Noch-)Präsident Kabila ist der eigentliche Sieger der Wahl

Shadary gilt als Marionette Kabilas, den er zunächst auserkoren hatte, in seine Fußstapfen zu treten. Kabila hatte sich im August nach knapp zwei Jahren gezielter Wahlverschleppung zu einem freiwilligen Rücktritt durchgerungen; eine neuerliche Kandidatur verbitet die Verfassung. Die Wahl Shadarys, bisher ständiger Sekretär der Regierungspartei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie), zum Präsidentschaftskandidaten ließ jedoch darauf schließen, dass Kabila im Hintergrund weiter die Fäden in der Hand halten möchte. Er hatte auch verlauten lassen, dass er eventuell sogar selbst ins Präsidentenamt zurückkehren könne.

Zudem hat Kabila nach wie vor die Kontrolle über die Provinzgouverneure, den Geheimdienst, die Finanzen und die Rohstoffe. Das wird sich wohl auch unter der Präsidentschaft Tshisekedi nicht ändern. Die eigentliche Machtsäule im Kongo ist der gewaltige Sicherheitsapparat, den Kabila erst kurz vor seinem Rücktritt umgekrempelt hatte. Weder Shadary noch Tshisekedi haben in diesen Strukturen Einfluss.

Als sich vergangene Woche abzeichnete, dass Shadary die Wahl wohl nicht gewinnen kann, kam es in Kinshasa am Samstag zu Krisensitzungen der Militärs. Einige hochrangige, Kabila-treue Generäle kritisierten dabei offenbar die Wahl von Shadary, bestanden auf andere Optionen.

Kurz nach diesem Treffen wandte sich Kabila an Tshisekedi. Am selben Tag verkündete die Wahlkommission, dass die vorläufigen Ergebnisse sich auf unbestimmte Zeit verzögern werden. Die UPDP, die Partei von Tshisekedi, bestätigte Anfang der Woche Gespräche mit dem Lager um Kabila. Von Montag an wurden vor dem Haus von Tshisekedi und dem UDPS-Sitz in Kinshasa Soldaten der Präsidentengarde gesichtet, um Tshisekedi zu schützen.

Als eigentlicher Sieger dieser historischen Wahl gilt demnach Kabila selbst. Denn ihm ist es gelungen, sich durch den quasi freiwilligen Rücktritt als "Vater der Demokratie", wie er auf einigen Plakaten in Kinshasa bezeichnet wird, zu präsentieren - eine Grundvoraussetzung, um möglicherweise bei den nächsten Wahlen 2023 wieder antreten zu können. Und obwohl sein Wunschnachfolger nun haushoch verlor, hat er nun dennoch einen Joker im Ärmel.