Zum Hauptinhalt springen

Zurück hinter Gittern

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik
Battisti steigt unter strenger Beobachtung aus dem Flieger.
© reu/Rossi

Der wegen Linksterrors zu lebenslanger Haft verurteilte Battisti wurde nach Italien geholt.


Rom. Es war nicht ganz eindeutig, wer da mit einem abwesenden Lächeln am Montagvormittag auf dem römischen Flughafen Ciampino landete: ein zu lebenslanger Haft verurteilter Ex-Terrorist, der jahrzehntelang vor seiner Bestrafung weggelaufen war, oder ein menschliches Wrack. 37 Jahre nach seiner Flucht aus einem italienischen Provinzgefängnis kehrte der heute 64-jährige Cesare Battisti am Montag nicht nur in seine Heimat Italien, sondern in die Hände der italienischen Justiz zurück. Die Regierung schlachtete das Ereignis politisch aus.

"Ich warte seit 37 Jahren auf diesen Moment, das ist ein großer Tag für Italien", behauptete der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini. "Heute sagen wir der Welt, dass sich niemand der italienischen Justiz entziehen kann", meinte der der Fünf-Sterne-Bewegung nahestehende Justizminister Alfonso Bonafede. Beide waren zur Landung Battistis am römischen Flughafen Ciampino gekommen, auf Salivinis Facebook-Account konnte man die gesamte Ankunft mitverfolgen.

Der ehemalige Linksterrorist war 1991 in Abwesenheit für vier Ende der 70er Jahre begangene Morde zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Battisti gestand, ein Mitglied der "Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus" (PAC) gewesen zu sein, bestreitet aber bis heute, in die Morde an einem Juwelier, einem Metzger und zwei Polizisten verstrickt gewesen zu sein. Erst in der Haft soll der frühere Kleinkriminelle sich den Extremisten angeschlossen haben.

Bei seiner letztinstanzlichen Verurteilung wegen vierfachen Mordes war Battisti bereits ein Jahrzehnt auf der Flucht. Dass er eines Tages wieder ein italienisches Gefängnis betreten würde, war lange Zeit nicht absehbar. Seine Flucht und sein immer wieder von ihm selbst zur Schau gestelltes Leben in der Ferne provozierten auch bei der Rückkehr extreme Reaktionen. Als "kommunistischen Mörder, Verbrecher, Widerling, Feigling, der nie um Entschuldigung gebeten hat", bezeichnete ihn der Innenminister. Salvini sagte außerdem, Battisti möge "in der Haft verfaulen". In seiner krassen Wortwahl fühlte sich der Innenminister offenbar von tief liegenden Reflexen im Volk legitimiert.

Odyssee endete in Bolivien

Nach seiner Flucht aus einem italienischen Provinzgefängnis 1981, in dem er wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe einsaß, überquerte Battisti zu Fuß die Alpen und setzte sich nach Frankreich und später nach Mexiko ab. Als der damalige französische Präsident Francois Mitterrand 1990 politisches Asyl für italienische Linksterroristen der sogenannten bleiernen Jahre anbot, suchte Battisti Zuflucht in Frankreich und baute sich eine Existenz als erfolgreicher Krimi-Schriftsteller auf, der eigene Erlebnisse mit Fiktion vermischte und 15 Bücher veröffentlichte. Dass ihn Linksintellektuelle als Opfer der italienischen Justiz verteidigten, empörte nicht nur die Angehörigen der Ermordeten. Battisti ließ sich bis zuletzt willig als Spielball der Ideologien instrumentalisieren. Als der französische Innenminister und spätere Präsident Nicholas Sarkozy Battisti im Jahr 2004 an Italien ausliefern wollte, setzte sich der Italiener nach Brasilien ab. Dort genoss er jahrelang politischen Schutz durch die Links-Regierungen von Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff.

Unter anderem in Folge des Machtwechsels in Brasilien und der Vereidigung des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro Anfang Januar flüchtete Battisti zuletzt nach Bolivien. Die Regierung des Sozialisten Evo Morales bot ihm allerdings keinen ausreichenden Schutz. Am Samstag nahmen ihn italienische, bolivianische und brasilianische Polizisten in der Stadt Santa Cruz de la Sierra fest, wo sie den Ex-Terroristen tagelang beschattet hatten. Nach Verhandlungen zwischen La Paz, Rom und Brasilia entsandte die italienische Regierung eine Falkon 900, die Battisti am Montag nach Italien brachte. Er sitzt nun im römischen Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia, wo er die ersten sechs Monate in Einzelhaft verbringen wird.

In Italien meldeten sich dann auch die Angehörigen der mutmaßlichen Opfer Battistis zu Wort. "Papa ruht nun in Frieden", sagte Adriano Sabbadin, der Sohn des 1979 von den "Bewaffneten Proletariern" erschossenen Metzgers. Alberto Torregiani, dessen Vater, ein Juwelier, laut Justiz 1979 von Battisti ermordet wurde und der selbst seit dem Attentat im Rollstuhl sitzt, sagte laut La Repubblica: "Die Wunden heilen sehr langsam." Battisti hätte vor vielen Jahren ausgeliefert werden müssen. "Jetzt ist es spät, ich bin erschöpft und fühle mich leer."

Unantastbare

Doch nicht für alle ist mit der Festnahme Battistis ein Schlussstrich unter einstige Terrortaten gezogen. Die aus der Alleanza Nazionale hervorgegangene rechtsnationale Partei "Brüder Italiens" fordert nun auch die Auslieferung des in Bayern lebenden ehemaligen Südtirol-Attentäters Heinrich Oberleiter. Der heute 77-jährige Oberleiter wurde in Italien zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt. Kürzlich stellten seine Kinder ein Gnadengesuch an den italienischen Staatspräsidenten. Oberleiter gehörte zu den "Pusterer Buam", die in den 1960er Jahren zahlreiche Anschläge verübten, darunter auch Strommasten und Züge. Oberleiter wurde zudem ein Mord an einem Carabiniere vorgeworfen. 1968 flüchtete er nach Österreich.