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Im Kongo deutet alles auf Wahlbetrug

Von Klaus Huhold

Politik

Im Kongo verdichten sich die Indizien, dass dem Oppositionskandidaten der Sieg geraubt wurde.


Kinshasa/Wien. Es ist eine Intrige, die sich Drehbuchautoren nicht besser ausdenken hätten können: Ein Präsident will nicht von der Macht lassen, kann allerdings wegen der Verfassung und des internationalen Drucks nicht mehr zu der Wahl antreten. Er schickt einen Strohmann ins Rennen. Dieser schneidet so schlecht ab, dass es eine zu dreiste und augenscheinliche Manipulation wäre, ihn zum Sieger zu erklären.

Unter der "Opposition" gibt es zwei Kandidaten: Einen, mit dem der Präsident ganz gut auskommt, während der zweite ein erbitterter Gegner des Präsidenten ist. Das Problem: Der Gegner hat die Wahl gewonnen.

Der Präsident trifft sich daraufhin mit dem ihm freundlich gesinnten Oppositionskandidaten und bietet ihm einen Deal an: Der Präsident und seine Entourage sorgen dafür, dass das Ergebnis derart manipuliert wird, dass der eigentlich bei der Wahl unterlegene Oppositionelle gewinnt. Dafür teilen sie sich die Macht.

Genau das scheint sich im Kongo abgespielt zu haben. Der Präsident ist Joseph Kabila, der ihm freundliche gesinnte Oppositionskandidat Felix Tshisekedi, der den Großteil seines Lebens in Europa verbracht hat und von der Reputation seines Vaters, einer langjährigen Ikone der Opposition, lebt. Der große Gegner des Präsidenten ist Martin Fayulu. Hinter dem früheren Manager des Konzerns Öl-Exxon stehen einst einflussreiche Politiker, die Kabila im Laufe der Jahre entmachtet hat.

Daten sprechen eine deutliche Sprache

Die Wahlkommission Ceni erklärte Tshisekedi zum Sieger, angeblich hat er 38,6 Prozent der Stimmen erhalten. Doch es mehren sich die Indizien, dass Fayulu der Sieg geraubt wurde. So hat die katholische Bischofskonferenz, die 40.000 Wahlbeobachter im ganzen Land im Einsatz hatte, verkündet, dass sie auf ganz andere Ergebnisse kam - ohne einen Sieger zu nennen. Internationalen Medien haben aber Dokumente der Kirche erhalten, und diese weisen Fayulu als Sieger aus. Die "Financial Times" hat zudem Datensätze der Wahlkommission Ceni von 62.716 elektronischen Wahlmaschinen zugespielt bekommen, in denen 15 der 18 Millionen abgegebenen Stimmen zusammengetragen wurden. Auch diese sehen Fayulu mit 59,4 Prozent der Stimmen eindeutig vorne.

Fayulu selbst hat schon erklärt, dass er das offiziell verkündete Ergebnis der Wahlkommission für einen Diebstahl halte. Er ist vor das Verfassungsgericht gezogen und fordert eine Neuauszählung der Stimmen.

Darüber sollen die Richter noch im Laufe dieser Woche entscheiden. Allerdings gibt es große Zweifel, dass die Richter unabhängig sind, sie wurden alle von Kabila ernannt und haben in der Vergangenheit stets im Sinne der Regierung entschieden.

Noch eine zweite Klage ist bei dem Gericht anhängig: Auch die Ergebnisse der Parlamentswahl, die mit den Präsidentenvotum Ende Dezember stattfand, werden sehr stark angezweifelt. Bei dieser hat die Regierungskoalition "Front Commun pour le Congo" (FCC) rund 350 der 500 Parlamentssitze gewonnen. Die FCC beherrscht darüber hinaus die meisten Regionalparlamente in den 26 Provinzen.

Sie würde damit in Zukunft den Premier, die Parlamentsmehrheit und die meisten Provinzgouverneure stellen. Zudem ist Kabila in der Armee und den Sicherheitskräften fest verankert. Auch nach der Wahl blieben damit dieselben Netzwerke an der Macht - und hätten den Zugriff auf die Ressourcen und den natürlichen Reichtum des Landes, auf das Gold, die Diamanten oder das für die Herstellung von Smartphones notwendige Coltan. Mit Tshisekedi wäre lediglich ein neuer Präsident an der Spitze des Staates, dessen Partei aber nur 30 Parlamentsmandate innehat und der selbst kaum Hausmacht besitzt.

Auch im Oppositionslager finden sich dubiose Figuren

Für die Kongolesen würde das "noch mehr Jahre mit einer schlechten Regierung und einer schlechten Regierungsführung" bedeuten, schreibt in einer Analyse für das südafrikanische "Institut for Security Studies" die Forscherin und Kongo-Expertin Stephanie Wolters. Unter Kabila hat eine schmale, korrupte Elite gemeinsam mit internationalen Geschäftsleuten das Land ausgeplündert, während die Bevölkerung bitterarm blieb.

Allerdings ist mehr als fraglich, ob sich die Lage unter Fayulu verbessern würde. Auch in seinem Umfeld bewegen sich dubiose Gestalten wie der frühere Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, der einst Milizen anführte und in den 1980er Jahren Berater des kleptokratischen Diktators Mobutu Sese Seko war.

Die internationale Gemeinschaft steht jedenfalls vor dem Dilemma, wie weit sie Fayulu den Rücken stärken soll. Dessen Anhänger protestieren bereits. Mobilisiert Fayulu noch stärker die Straße, dann drohen blutige Auseinandersetzungen, stehen doch die Sicherheitskräfte hinter Kabila. Wenn die internationale Gemeinschaft allerdings Fayulu fallen lässt und dieser tatsächlich um seinen Sieg betrogen wurde, dann sind Millionen Kongolesen mit einer Regierung konfrontiert, die sie nicht gewählt haben. Das wäre ein Nährboden für Instabilität und Unruhen.

China und Russland halten sich noch recht bedeckt. Europäische Staaten haben ihre Sorge ausgedrückt, während die USA denjenigen Konsequenzen androhen, die den demokratischen Prozess unterminieren. Entscheidend werden auch die Stimmen anderer afrikanischer Staaten sein. Die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC), in der etwa Südafrika und Angola vertreten sind, hat am Donnerstag verkündet, dass die internationale Gemeinschaft den internen juristischen und politischen Prozess im Kongo akzeptieren soll. Druck auf die Machthaber übt sie damit nicht aus.