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Ein Machtkampf als Geduldsprobe

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Die Folgen des Shutdowns bekommen viele Amerikaner zu spüren: Sie müssen ohne Bezahlung weiterarbeiten.


Washington. 100.000 Passagierabfertigungen an einem einzigen Tag, das stellt selbst für den größten Flughafen der Welt eine Herausforderung dar. Nicht umsonst haben sich die für den Atlanta International Airport zuständigen Betreiber und Behörden deshalb seit zwei Jahren auf den Tag X vorbereitet, an dem sich alle Augen des Landes auf die Millionenmetropole im Herzen Georgias richten werden. Am Sonntag kommender Woche findet in Atlanta das größte und wichtigste Sportereignis der USA statt. Im Endspiel um die Weltmeisterschaft im nordamerikanischen Football treffen die Rams aus Los Angeles auf die Patriots aus New England.

Die damit verbundenen logistischen Aufwendungen sind enorm. Um dem Ansturm Herr zu werden, haben sämtliche die Stadt anfliegenden Fluglinien zusätzliche Maschinen und Personal geordert, die Hotels und AirBnB’s Sonderangebote für Gruppen offeriert, die Restaurants und Bars ihr Sortiment erweitert. Die Kapazitäten sind in jeder Hinsicht erschöpft. In Atlanta haben alle ihren Job gemacht, damit das Großereignis reibungslos über die Bühne gehen kann. Mit einer Ausnahme, die, wenn nicht bald etwas passiert, all diese Bemühungen wenn schon nicht zunichte, dann zumindest ordentlich durcheinander zu bringen droht: die Bundesregierung.

Tausende Krankenstände

Seit über einem Monat haben in den USA Teile die Regierung die Arbeit eingestellt. Die Folgen werden nunmehr für weite Teile der Bevölkerung spürbar. Langsam aber sicher geht es ans Eingemachte, allem voran ans Geld. Nachdem von den rund 800.000 vom Shutdown betroffenen Regierungsarbeitern nur die wenigsten über jene Art von finanziellem Polster verfügen, der es ihnen erlauben würde, die Krise bis auf weiteres auszusitzen, haben zahlreiche der Bediensteten mittlerweile um Arbeitslosengeld angesucht. Jene Menschen, die bisher aufgrund ihrer Sonderstellung ohne Bezahlung weiterarbeiten müssen - darunter die Mitarbeiter der für die Sicherheit an Flughäfen wie Hartfield-Jackson in Atlanta zuständigen Transportation Security Administration (TSA) - melden sich mittlerweile zu Tausenden krank; wenn sie sich nicht gar gleich einen anderen Job suchen, mit dem sie sich und ihre Familien über Wasser halten können. Zu den prominenten Shutdown-Opfern zählen mittlerweile auch die Beamten der Bundespolizei FBI und Teile des Militärs - auch wenn die Küstenwache in die Zuständigkeit des Department of Homeland Security fällt, ist sie offizieller Teil der US-Streitkräfte.

Von den unmittelbar Betroffenen abgesehen droht die vom Weißen Haus verordnete Arbeitsniederlegung jetzt auch endgültig beim Rest der Bevölkerung anzukommen. Ende vergangener Woche beorderte das Internal Revenue Service (IRS), das amerikanische Finanzamt, landesweit zehntausende Mitarbeiter in ihre Büros zurück. Ende des Monats beginnt der Auftakt zur Steuererhebungssaison, und da werden die Beamten dringend gebraucht.

Trumps Kalkül geht auf

All diese Leute müssen bis auf weiteres ebenfalls gratis arbeiten, weil Präsident Trump der Regierung erst dann wieder den Vollbetrieb ermöglichen will, wenn die Demokraten der sofortigen Bereitstellung von 5,7 Milliarden Dollar für den Bau einer Mauer beziehungsweise einer "stählernen Barriere" an der Grenze zu Mexiko zustimmen.

Nachdem die Chancen dafür bisher gleich null stehen, müssen bald Millionen Amerikaner auf die Rückerstattung ihrer Steuergelder warten. Die professionellen Politkommentatoren in Funk und Fernsehen sind sich einig, dass spätestens dann vielen Bürgerinnen und Bürgern der Geduldsfaden reißen wird.

In den sozialen Medien lassen sich derweil hunderte Regierungsmitarbeiter mit Hashtags wie #GovernmentShutdownStories über ihre Nöte aus. Manche haben nicht mehr genug Geld, um die Miete, die Hypothek, die Schule oder das Essen zu bezahlen. Andere würden auch ohne Bezahlung arbeiten gehen, können sich aber das Benzin für das Auto nicht mehr leisten, das sie zum Arbeitsplatz bringt.

Bei all dem ist bemerkenswert: So einig sich die Menschen in ihrer Klage über die unerträglichen Folgen des Shutdowns sind, so sehr geben die meisten weder Präsident Donald Trump noch Nancy Pelosi, der Sprecherin der demokratischen Mehrheit im Unterhaus, die Schuld an ihrer persönlichen Situation. Je länger die Krise anhält, umso mehr geht das politische Kalkül Trumps und Mitch McConnells, des Sprechers der republikanischen Mehrheit im Oberhaus, auf. Ein Teil der Öffentlichkeit gibt den Demokraten eine Teilschuld an dem Dilemma - befeuert durch nationale TV-Sender, deren Repräsentanten sich vor Trump und dem Anschein jeglicher Parteilichkeit mittlerweile derart fürchten, dass sie sich kaum mehr trauen, die Dinge beim Namen zu nennen. Diese Medien werfen den Demokraten mangelnde Kompromissfähigkeit vor. Es ist dieses Narrativ, das Trump zweifellos am kommenden Dienstag anlässlich seiner alljährlichen Rede zur Lage der Nation wiederholen wird. Angesichts der Tatsache, dass die Republikaner, die bis zu den Midterms mit komfortablen Mehrheiten im Senat wie im Abgeordnetenhaus ausgestattet waren, zwei Jahre Zeit hatten, das Herzensprojekt des Präsidenten in die Tat umzusetzen, aber dafür bewusst praktisch keinen Finger rührten, ist das eine mehr als abstruse Posse, die aufgrund des erbärmlichen Niveaus der politischen Debatte in den USA unter Trump freilich trotzdem verfängt.

Shutdown als Atempause

Ganz zu schweigen von der ganz persönlichen Atempause, den der Shutdown ihm und seiner Familie verschafft. Weil auch Teile der Justizverwaltung lahm gelegt sind, ruht derzeit etwa eine Klage gegen die Trump Organization wegen Verstoßes gegen die in der Verfassung verankerte sogenannte "Emoluments Clause" ("Vergütungsklausel"). Nämliche besagt vereinfacht, dass US-Präsidenten aus ihrem Amt keinen finanziellen Nutzen schlagen dürfen, indem sie Geld ausländischer Regierungsvertreter annehmen. Bis heute steigen im Trump Hotel in Washington zahllose Repräsentanten und Verbündete aus anderen Nationen ab.