Jerusalem/Tel Aviv. Mit einem klaren Bekenntnis zur Mitverantwortung Österreichs an der Shoah und zur Nulltoleranz gegenüber jeder Form von Antisemitismus hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag den offiziellen Teil seines fünftägigen Staatsbesuchs in Israel eingeläutet. Einem eingehenden Vier-Augen-Gespräch mit Staatsoberhaupt Reuven Rivlin folgte in Yad Vashem ein gemeinsames Gedenken an die Millionen Holocaust-Opfer.
Van der Bellen erinnerte daran, dass zehntausende jüdische Österreicherinnen und Österreicher vom Naziregime ermordet worden seien. "Lassen Sie mich unmissverständlich sagen: Österreich ist mitverantwortlich. Viele Österreicherinnen und Österreicher waren unter den Täterinnen und Tätern", so Van der Bellen im Beisein Rivlins. Zu dieser Mitverantwortung habe sich Österreichs erst spät, sehr spät bekannt. "Das hat unser Verhältnis lange Zeit schwierig gemacht", betonte Van der Bellen, der auf die historische Rede von Ex-Kanzler Franz Vranitzky 1993 in Israel erinnerte.
Am Abend wurde ein Staatsbankett für den österreichischen Gast ausgerichtet. Ein für Montagnachmittag angesetztes Treffen mit Premierminister Benjamin Netanjahu wurde indes aus terminlichen Gründen auf Dienstagvormittag verlegt. Bei dem Arbeitsgespräch sollen unter anderem das angespannte israelisch-iranische Verhältnis, aber auch der Nahost-Friedensprozess zur Sprache kommen. Am morgigen Mittwoch wird Van der Bellen dazu auch mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in Ramallah im Westjordanland beraten.
Am Dienstag besucht Van der Bellen die orthodoxe Gemeinde Kyriat Mattersdorf in Jerusalem, die nach der ehemaligen jüdischen Gemeinde Mattersdorf - heute Mattersburg - benannt ist. Auf dem weiteren Programm der bis Donnerstag dauernden Visite stehen die Teilnahme am österreichisch-israelischen Wirtschaftsforum, Start-up-Besuche und Gespräche mit Schülern, österreichischen Auswanderern und Holocaust-Überlebenden.
Der Staatsbesuch des Bundespräsidenten fällt in politisch bewegte Zeiten: Israel steckt mitten im Wahlkampf, am 9. April wird ein neues Parlament gewählt. Israels Boykott des FPÖ-Regierungsteams ist deshalb auch kein Thema bei der Visite Van der Bellens - die FPÖ, die immer wieder mit antisemitischen Aussagen für Diskussionen gesorgt hat, ist für viele Israelis ein rotes Tuch. Auch Rivlin gilt als Hardliner in Sachen FPÖ-Boykott und begründete diesen zuletzt mit den "antisemitischen Wurzeln" der FPÖ und Bedenken der jüdischen Community in Österreich. FPÖ-Ministerinnen und -Minister nehmen am Staatsbesuch denn auch nicht teil, der Bundespräsident wird stattdessen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Bildungsminister Heinz Faßmann (beide ÖVP) und einer Wirtschaftsdelegation begleitet.
Van der Bellen hatte sich zuletzt dafür starkgemacht, dass Israel zumindest mit der auf einem FPÖ-Ticket befindlichen, aber parteifreien Außenministerin Karin Kneissl Kontakte pflegt. Derzeit sei die Lage aber "wenig erfolgversprechend", sagte Van der Bellen in Jerusalem nach dem Treffen mit Rivlin. Er erinnerte daran, dass es auch nach der schwarz-blauen Regierung drei Jahre gedauert hat, bis volle diplomatische Beziehungen wieder aufgenommen wurden.