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Unter Vorwahlkämpfern

Von Klaus Stimeder

Politik

Trumps Rede zur Lage der Nation stand bereits im Zeichen der Präsidentschaftswahl in einem Jahr.


Washington D.C. Joe Biden? "Dumm." Chuck Schumer? "Ein widerlicher Hurensohn." Elizabeth Warren? "Ich hoffe, dass ich Pocahontas nicht zu sehr verletzt habe." Ralph Northam? "Er hat gewürgt wie ein Hund." Stunden vor der alljährlichen Rede zur Lage der Nation widerlegte US-Präsident Donald Trump wieder einmal alle, die ihm seine so gern wie regelmäßig vorgetragene Beschwörung der nationalen Einheit immer noch abkaufen.

Wie die New York Times nur Stunden vor Beginn der Dienstagabend Ortszeit Washington anberaumten Rede zur Lage des Nation exklusiv berichtete, war der 71-jähre Ex-Reality-TV-Star bei einem Off-the-Record-Treffen mit den Nachrichtenmoderatoren der größten Fernsehsender auf eine Art und Weise über seine Gegner hergezogen, die selbst diesen zuviel war. Auch wenn sich keiner der Gäste namentlich zitieren lassen wollte, sickerten die Sager schnell durch – und machten auch die letzte Hoffnung zunichte, dass es sich bei dem in den vergangenen Wochen wieder stärker gewordenen Ruf des Weißen Hauses nach Kompromissen um mehr als ein Lippenbekenntnis handelt. Was die Rede selbst anging, schlug Trump in die gleiche Kerbe.

Treffen durchgesickert

Nachdem sein zweites, am 27. und 28. Februar geplantes Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-Un in Vietnam bereits im Vorfeld bekannt geworden war, hielt sich der Neuigkeitswert in Grenzen. So geriet die vor beiden Häusern des Kongresses gehaltene Rede zur "State of the Union", die aufgrund der jüngsten Regierungskrise mit einer Woche Verspätung stattfand, de facto zu einer vorzeitigen Wahlkampfrede. Entsprechend dauerte es keine paar Minuten, bis augenfällig wurde, dass der Anti-Immigrations-Hardliner Stephen Miller maßgeblich für große Teile der Trump'schen Rhetorik an diesem Abend verantwortlich zeichnete.

Die Befürchtung der politischen Basis des Präsidenten, dass er sein Haupt-Wahlversprechen, den Bau einer Mauer zu Mexiko, unterschlagen würde, erwiesen sich als unbegründet. Einmal mehr wetterte Trump gegen illegale Immigranten, die angeblich "der amerikanischen Arbeiterklasse die Jobs wegnehmen" und die Bürger zu Drogensüchtigen machen, wenn sie sie nicht gleich ermorden; und einmal mehr verwies er auf die angeblichen Karawanen, die sich mitten am Weg von Mittelamerika in die USA befänden, weshalb er über 3.000 zusätzliche Soldaten an die Grenze beordert habe. Aufhorchen ließ Trump bei seinem Leib- und Magenthema nur einmal: Als er behauptete, dass er sich "die größte je da gewesene Zahl an legalen Zuwanderern wünscht".

Angesichts seiner Politik, die in der Realität bei weitem nicht nur auf die Deportation illegaler Immigranten, sondern auch auf eine deutliche Reduzierung von Green Cards abgerichtet ist, nur ein zweifelhaftes Statement mehr von dutzenden an diesem Abend. Ob Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, das Schulsystem, ob die Rolle des Militärs und die der Außenpolitik: Nicht umsonst bemerkte Nancy Pelosi, die Sprecherin der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, dass Trumps Rede die Fact-Checker-Abteilungen der Medien mindestens "die nächsten paar Wochen" beschäftigen werde. Eine Ausrufung des nationalen Ausnahmezustands – die Trump im Fall des Scheiterns der nach Ende des längsten "Government Shutdowns" der US-Geschichte einberufenen Verhandlungen androht – gilt nach seiner Rede indes als mehr als wahrscheinlich.

Bemerkenswert auch die Verbindung, die der Präsident zwischen dem angeblich auf seine Regierung zurück zu führenden "ökonomischen Wunders USA" und der angeblichen "Gefahr" für nämliches herstellte: "Kriege und politisch motivierte Untersuchungen". Eine unzweideutige Anspielung auf Sonderermittler Robert Mueller und die Staatsanwaltschaft von New York, die nunmehr nicht mehr nur die zahllosen Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zu Russland, sondern, wie jetzt bekannt wurde, auch Unregelmäßigkeiten rund um seine Angelobungs-Feierlichkeiten im Jänner 2017 im Visier haben.

Gefahren für die amerikanische Demokratie im Zeitalter von Trump

Die Antwort der Opposition auf die Rede zur Lage der Nation, die ebenfalls zum Ritual gehört, hielt diesmal Stacy Abrams, jüngst im Kampf um den Gouverneursposten von Georgia gescheiterte Zukunftshoffnung der Demokraten. Die 45-jährige Afroamerikanerin konzentrierte sich weniger auf das zuvor Behauptete als auf die Gefahren, die der amerikanischen Demokratie im Zeitalter von Trump drohen.

Abrams sprach als unmittelbar von den offen diktatorischen Gelüsten der Republikaner Betroffene: Während des Wahlkampfs hatte ihr Gegenkandidat Brian Kemp in seiner Funktion als zu diesem Zeitpunkt de facto amtierender Wahlleiter einfach 1.5 Millionen Wähler von den Listen streichen lassen – zu gut drei Viertel Angehörige von Minderheiten. Dazu ließ er mehr als 200 Wahllokale schließen, und als das immer noch nicht reichte, noch einmal 53.000 neu registrierte Wähler von der Wahl ausschließen. Derlei Methoden gehören in den USA mittlerweile zum Alltag - überall dort, wo Konservative regieren.

So schlimm das ist, bleibt von der diesjährigen State of the Union wahrscheinlich aber trotzdem nur eines über: Das Faktum, dass Trump zum ersten Mal Aug in Aug einem mittlerweile auf ein Dutzend angewachsenes Feld von demokratischen Amtsträgern gegenüber stand, die ihn 2020 beerben wollen. Nicht umsonst widmeten sich die Fernsehkameras allem voran dem Mienenspiel von Kamala Harris, Elizabeth Warren, Kirsten Gillibrand und Co. Als sicher gilt dementsprechend nur, dass sich der Präsident in den kommenden Wochen und Monaten viele neue Titel und Beleidungen für jeden einzelnen Bewerber einfallen lassen wird. Zumindest in diesem Punkt hat er die Erwartungen noch nie enttäuscht.

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