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Das Match der alten Männer

Von Klaus Huhold

Politik

Korruption, Arbeitslosigkeit: Die Wahl in Nigeria wird an den Problemen im Land kaum etwas ändern.


Lagos/Wien. Zu den Grundmelodien Nigerias gehört das Brummen der Dieselgeneratoren. Weil die Stromversorgung so schlecht funktioniert, der Strom in vielen Landesteilen täglich über mehrere Stunden ausfällt oder auch überhaupt nicht existiert, greifen Betriebe und Haushalte, die es sich leisten können, auf Generatoren zurück.

Dieser Umstand führt mitten hinein in eine der Widersprüchlichkeiten des mit geschätzt 200 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten afrikanischen Staates: Nigeria ist einer der größten Ölexporteure weltweit, besitzt zudem viel Gas, und die vielen Sonnenstunden könnte Nigeria für Solarenergie nutzen. Doch zumeist wird nicht einmal in Industriezonen, nicht einmal in den Stadtzentren genügend Strom zur Verfügung gestellt.

Das Öl ist mehr Fluch als Segen: Seine Ausfuhr hat eine Oberschicht enorm reich gemacht - davon zeugt, dass kaum ein Land so viel Champagner importiert. Doch weil eben das Öl da war, wurde nur wenig Industrie entwickelt, kaum in die Infrastruktur investiert. Das ist eine der Ursachen, dass fast 90 Millionen Menschen in absoluter Armut leben.

Ein weiterer Gegensatz: Die Bevölkerung Nigerias ist enorm jung, das Durchschnittsalter beträgt 18 Jahre. Doch die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen - die am Samstag stattfinden hätte sollen, jedoch wenige Stunden vor der Abstimmung völlig überraschend um eine Woche verschoben wurden - sind erst recht wieder von alten Männern geprägt. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Präsidentenwahl. Diese ist ein Match zwischen dem 76 Jahre alten Amtsinhaber Muhammadu Buhari von der regierenden "Partei der Fortschrittlichen" (APC) und dem 72-jährigen Atiku Abubakar von der zweiten großen Partei im Land, der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Es gibt zwar noch weitere Kandidaten, doch diesen werden kaum Chancen gegeben, weil sie nicht derartig große Ressourcen für Kampagnen besitzen wie die beiden großen Rivalen.

Keine neuen Gesichter

"Eigentlich bräuchte das Land dringend ein neues, ein frisches Gesicht", analysiert die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrem Bericht zu der Wahl. "Jemand, der unverbraucht ist und Aufbruchsstimmung entfachen kann. In Nigeria steht jedoch ein solcher Kandidat nicht zur Wahl."

Sowohl Buhari als auch Abubakar mischen schon seit Jahrzehnten in der Politik mit. Buhari hat es geschafft, sowohl als Militärdiktator (von 1983 bis 1985) als auch nun als demokratisch gewählter Präsident zu regieren. Abubakar wiederum war bereits von 1999 bis 2007 Vizepräsident des Landes.

Viele Kommentatoren bewerten allerdings positiv, dass beide Kandidaten Moslems aus dem Norden sind. Dadurch spielt bei dieser Wahl die oft politisch instrumentalisierte Rivalität zwischen dem christlichen Süden und dem moslemischen Norden keine Rolle - was aber Gewalt nicht ausschließt, vor allem, sollte der Wahlverlierer das Ergebnis nicht akzeptieren.

In der politischen Debatte sind sich die Versprechen ähnlich: Bekämpfung der Korruption, eine Verbesserung der Sicherheitslage und mehr Arbeitsplätze. Allerdings haben die Nigerianer diese Verheißungen schon oft gehört, und beiden Kandidaten fehlt die Glaubwürdigkeit.

Buhari hat in den vergangen vier Jahren die Erwartungen enttäuscht: Dem Ex-Militär ist es nicht gelungen, die islamistische Terrororganisation Boko Haram, die im Nordosten des Landes wütet, zu besiegen. Auch Arbeitslosigkeit und Armut sind unter Buhari, der mit niedrigen Ölpreisen zu kämpfen hatte, gestiegen.

Aber auch Abubakar holt seine Vergangenheit an: Der Millionär, der vier Frauen und 28 Kinder hat, ist einst als hochrangiger Zollbeamter am Hafen der Ölstadt Port Harcourt unter äußerst dubiosen Umständen zu seinem Reichtum gekommen. Nun will er mittels Privatisierungen die Wirtschaft ankurbeln. Doch viele Nigerianer befürchten, die Privatisierungen könnten vielmehr dazu dienen, dass sich die mit den richtigen Netzwerken verwobenen Geschäftsleute und Politiker erneut bereichern.

Wer die Wahl auch gewinnt - er wird den Sieg weniger seiner eigenen Strahlkraft verdanken als vielmehr dem Umstand, dass die Wähler den anderen Kandidaten noch weniger wollten. Zudem gibt es immer wieder Berichte über Stimmenkauf - Nigerias Bischöfe haben den Wählern bereits ins Gewissen geredet, ihre Stimme nicht zu verkaufen.

Kein Mittel gegen Gewalt

Die Konstellation dieser Wahl bringt es mit sich, dass von ihr kaum grundlegende Änderungen für Nigeria zu erwarten sind. Zwar ist in vielen Städten eine kleine Mittelschicht entstanden, ist die Zahl der gut ausgebildeten Bürger gestiegen. Doch dem steht die enorme Korruption gegenüber, und dass Nigeria sowohl gegen die terroristische und ethnische Gewalt als auch die hohe Kriminalität kein Mittel gefunden hat. Das hängt wiederum mit der Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen zusammen. Nigeria hat mit mehr als fünf Kindern pro Frau eine enorm hohe Geburtenrate und kein Mensch weiß, woher die Jobs für die Jugend kommen soll.

Kaum ein Umstand kann einen Staat derart destabilisieren wie ein Heer junger, wütender Männer ohne Zukunftschancen. Die alten Männer in Nigerias Politik ignorieren das aber. Deshalb wankt der westafrikanische Riese - und wirft allein aufgrund seiner Größe einen bedrohlichen Schatten auf seine Nachbarländer.