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Trumps autoritäre Schattengefechte

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Mit der Erklärung des Notstands will sich Trump die Loyalität seiner Wähler sichern - dass kann nach hinten losgehen.


Washington D.C. Die nächste Wahl zum US-Präsidenten findet erst im Herbst 2020 statt; aber schon jetzt scheint es mitunter, als dass das Weiße Haus keinerlei Entscheidungen mehr trifft, die nicht ganz im Zeichen des Wahlkampfs stehen.

Am Freitag bestätigte Donald Trump, was Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, bereits tags zuvor angekündigt hatte: die Ausrufung des nationalen Notstandes, der dem Weißen Haus nunmehr den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko ohne Wenn und Aber ermöglichen soll. Das Wenn steht im konkreten Fall für den Kongress, und das Aber für die amerikanische Öffentlichkeit, die laut Umfragen mehrheitlich dagegen ist.

Entsprechend dauerte es nicht lange, bis sich jene zu Wort meldeten, die den 71-jährigen Ex-Reality-TV-Star in zwei Jahren aus dem Amt drängen wollen. "Mexiko wollte nicht für Trumps Mauer zahlen. Der Kongress wollte nicht voll dafür zahlen. Und jetzt hat er einen Trotzanfall und erklärt den Notstand" (Elizabeth Warren). "Trumps Unfähigkeit, ein Wahlversprechen zu erfüllen, ist kein nationaler Notstand." (Cory Booker) "Wir sind müde davon, vom Chaos regiert zu werden." (Amy Klobuchar) "Es gibt keinen Notstand an der Südgrenze. Was Präsident Trump macht, ist ungesetzlich und muss energisch vor den Gerichten und gesetzgeberisch bekämpft werden." (Bernie Sanders, der seine Kandidatur noch abwägt.)

Trump setzt Präzedenzfall

Scharfe Worte angesichts dessen, dass die Ausrufung nationaler Notstände in den USA an und für sich keine Besonderheit darstellt. Ein prominentes Beispiel der jüngeren Zeitgeschichte, das heuer anlässlich des 40. Geburtstags der iranischen Revolution immer wieder gern angerufen wird, stellt eine Notstandserklärung von Jimmy Carter dar, mittels derer er 1979 unter anderem die US-Konten von Unterstützern des Mullah-Regimes einfrieren ließ. Der Unterschied zu allen von Trumps Vorgängern verabschiedeten Notstandserklärungen besteht freilich darin, dass es sich dabei um reale Krisen und nicht um rein innenpolitisch motivierten Aktionismus handelte.

Nicht umsonst stellen Trumps Kritiker die Nutzung dieses Mittels - die dem Präsidenten im Extremfall weitreichende Machtbefugnisse einräumt - als das dar, was es ist: nur ein weiterer Griff in die autoritäre Trickkiste, der es ihm erlaubt, Entscheidungen, die ihm nicht passen, einfach am Kongress vorbei durchzudrücken. Die damit einhergehende Angst vor einer neuen Qualität des Autoritarismus Trumpscher Prägung ist nicht unbegründet, stellt die Erklärung eines nationalen Notstands bar jeder Tatsachen doch einen kaum zu unterschätzenden Präzedenzfall dar. Wie unter anderem der Bestseller-Autor Rick Wilson, ein prominenter ehemaliger Wahlkampfberater der Konservativen, in der "Washington Post" darlegt, gibt es nunmehr "nichts mehr, was die Demokraten, wenn sie den nächsten Präsidenten stellen, davon abhalten könnte, mithilfe einer Notstandserklärung den Green New Deal, eine Gesundheitsversicherung für alle oder Waffenverbote durchzudrücken."

Die Hoffnung von Trumps Gegnern, die Ausrufung des Notstands mit politischen Mitteln rückgängig zu machen, ist gleich null. Dafür wäre sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. So bleibt die Frage nach der Legitimität der Aktion bei den Bundesgerichten hängen, und dafür versucht das Weiße Haus schon jetzt vorzusorgen. Es sickerte bereits die von Trumps Chefberater Stephen Miller vorgegebene Marschrichtung durch: Um die programmierten Klagen abzufedern, sollen die von der Administration veranschlagten acht Milliarden Dollar für den Mauerbau mehrheitlich aus dem Pentagon kommen (nach dem letzten Budgetkompromiss hatte der Kongress für die Grenzsicherung lediglich 1,375 Milliarden zur Verfügung gestellt). Eine Strategie, die bei näherem Hinsehen so kalkuliert wie zynisch ist.

Wie bei zahlreichen anderen von Trumps Gesetzesinitiativen spekulieren Miller und Co. darauf, dass die Entscheidung, ob der Präsident im Zuge der Notstandserklärung seine Machtbefugnisse überschritten hat oder nicht, am Ende dann vor dem Supreme Court landet.

Allen Fakten zum Trotz

Nachdem die Konservativen dort über eine Mehrheit von fünf zu vier verfügen, die bisher noch in jeder Kernfrage im Sinne des Weißen Hauses entschieden hat - siehe etwa, nach nur minimalen Abänderungen, die Aufrechterhaltung des Einreiseverbots für Staatsbürger aus bestimmten Ländern des Nahen Ostens, die mehrheitlich muslimisch sind - stehen die Chancen gut, dass die Höchstrichter die Autorität des Präsidenten in dieser Frage einmal mehr bestätigen. Und das, im konkreten Fall, allen Fakten zum Trotz.

Allen offiziellen Statistiken zufolge ist die Zahl illegal über die Grenze aus Mexiko in die USA kommender Zuwanderer in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv gesunken. Von der Tatsache ganz abgesehen, dass die überwältigende Mehrheit der sich illegal in den USA aufhaltender Ausländer - realistische Schätzungen wie die des renommierten Pew Research Center gehen von rund elf Millionen aus - nicht über die Grenze, sondern mit einem ganz normalen Besucher-Visa in die USA kamen.