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Trump will Gefolgschaft, Merkel Kooperation

Von Michael Schmölzer aus München

Politik

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz trat das deutsch-amerikanische Zerwürfnis offen zutage.


München. Am Samstag traten in München die politischen Schwergewichte der internationalen Politik an, um im Rahmen der 55. Sicherheitskonferenz ihre Sicht der globalen Lage zu präsentieren. Den Anfang machte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit einem sehr nachdrücklichen Plädoyer für multinationale Kooperation und deutlicher Kritik an Washington. Eine Ansprache, für die sie vom Publikum Standing Ovations erhielt. US-Vizepräsident Mike Pence konterte, indem er die neue Führungsrolle der USA auf der Weltbühne und die Leadership-Qualitäten von US-Präsident Donald Trump unterstrich.

Danach lehnte der mächtigste chinesische Außenpolitiker, Yang Jiechi, die Kontrolle chinesischer Atomwaffen durch einen entsprechenden Vertrag ab. Generell betonte er die Vorzüge internationaler Kooperation und sprach in seiner Rede häufig von "Win-Win-Situationen". Russlands Außenminister Sergej Lawrow machte knapp klar, dass Moskau und der Westen so gut wie nirgendwo an einem Strang ziehen. Der Westen würde sich nicht an internationale Regeln halten und sich das Völkerrecht nach den eigenen Bedürfnissen zurechtbiegen. Fragen der "Washington Post" zu Syrien beantwortete Lawrow nicht: "Sie schreiben ohnehin, was sie wollen, also tun sie das einfach."

Weltarchitektur drohe zu zerfallen

Im Zentrum aber standen die deutsch-amerikanischen Differenzen, die mit großer Deutlichkeit zutage traten. Merkel meinte in ihrer Rede, dass die Strukturen internationaler Zusammenarbeit "reformiert, nicht zerschlagen" werden müssten. Die Weltarchitektur drohe zu zerfallen – und es war klar, dass die Kanzlerin die Verantwortung zu einem großen Teil bei Washington sieht. Wichtiger als die Forderung der USA, dass die Europäer finanziell mehr zur Nato beitragen müssten, sei die Frage, "was tun wir mit dem Geld?" Merkel wies darauf hin, dass Deutschland seit 18 Jahren mit Soldaten in Afghanistan präsent sei. Trumps Pläne, sich militärisch vom Hindukusch zurückzuziehen, hält sie für schlecht durchdacht. Die "Kapazitäten" in Afghanistan seien "vernetzt", der Ausfall eines Partners könne dazu führen, dass auch Deutschland gehen müsse, so die Kanzlerin. Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingselend der vergangenen Jahre meinte Merkel, man müsse Entwicklungshilfe in den Herkunftsländern leisten und vor allem den jungen Menschen dort Job-Perspektiven bieten – eine krasse Antithese zu der Mauer an der Grenze zu Mexiko, die Trump jetzt mit aller Gewalt per Notverordnung durchboxen will.

Merkel forderte in Richtung USA, dass die Sanktionen gegen Russland auch in Zukunft eng abgestimmt erfolgen müssten. Sie sei aber stark dafür, Gesprächskanäle mit Russland offen zu halten. Im Zusammenhang mit dem Streit über die Erdgasleitung "Nord Stream 2" durch die Ostsee meinte Merkel, "Russland bleibt weiter ein Partner". Dass die USA möglicherweise demnächst importierte deutsche Autos als "Bedrohung der nationalen Sicherheit" einstuften, "erschreckt uns", so Merkel. Das auch deshalb, weil BMW den Großteil seiner Autos nicht in Deutschland sondern in South Carolina bauen würde. Multilateralismus, so Merkels Resumé, sei auf alle Fälle "besser, als alles alleine lösen zu wollen".

Pence schießt sich auf den Iran ein

US-Vizepräsident Mike Pence entgegnete, dass "America first" nicht "America alone" bedeute. Jedenfalls wären die USA jetzt "stärker als jemals zuvor", Washington weltweit in der Führungsrolle. Das Motto sei "Friede durch US-Stärke", deshalb habe Präsident Donald Trump die Militärausgaben erhöht. Während Merkel den Abzug der US-Truppen aus Syrien kritisierte, weil das den Einfluss des Iran und Russlands stärke, schoss sich Pence auf den Iran ein. Teheran sei der führende staatliche Unterstützer des Terrorismus, so Pence, die Führung dort plane eine Neuauflage des Holocaust. Die Europäer müssten endlich aufhören, die US-Sanktionen, die Washington gegen den Iran verhängt hat, zu unterminieren und sich wie die USA aus dem Atomabkommen zurückziehen. Zuvor hatte Merkel deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Aufkündigung des Abkommens mit dem Iran für einen schweren Fehler halte. Der Vertrag sei ein "Anker", den man nutzen müsse, um in anderen Bereichen Druck zu machen. Pence warnte Europa – wieder im krassen Gegensatz zu Merkel – davor, sich von russischem Erdgas abhängig zu machen und Waffen von "Feinden" zu beschaffen. Zudem rief Pence die EU auf, geschlossen Juan Guaido als einzig legitimen Präsidenten Venezuelas anzuerkennen. "Wir müssen den Venezolanern zur Seite stehen", so Pence, der jetzige Machthaber Maduro lasse Kinder verhungern. Die USA sei "Anführer der freien Welt" und "Gott schütze die USA", so Pence zum Ende seiner Rede.

Der Applaus war spärlich, bestenfalls höflich. Klar wurde, dass die USA unter Trump von ihren Partnern in erster Linie treue Gefolgschaft verlangen, während man in Berlin auf Kooperation setzt. Das Zerwürfnis ist grundsätzlich und umso bemerkenswerter, als die Sicherheitskonferenz vor 55 Jahren als rein deutsch—amerikanisches, wehrpolitisches Forum gegründet worden war.