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Die Jagdsaison auf Trump ist eröffnet

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Michael Cohen machte nur den Anfang.


Washington. Zumindest in einem Punkt behielten die Republikaner recht, was Michael Dean Cohen angeht. Der langjährige Leibanwalt von US-Präsident Donald Trump, der diese Woche erstmals öffentlich über seinen Ex-Klienten Auskunft gab, sprach tatsächlich wie einer, der nichts mehr zu verlieren hat. "Ein Rassist, ein Hochstapler und ein Betrüger" sei der Mann, dem vor knapp zwei Jahren 63 Millionen Amerikaner ihre Stimme gaben; nicht mehr und nicht weniger.

Auch wenn es dieser im Zuge von Cohens Anhörung vor dem US-Kongress verbreiteten Kernbotschaft nicht an Deutlichkeit fehlte, legte der 52-Jährige zum Schluss sogar noch eins drauf: Trump will sich bekanntlich 2020 wieder wählen lassen. Bei einer Wahlschlappe Trumps "wird es niemals zu einer friedlichen Amtsübergabe kommen", befürchtet Cohen. Das habe ihn seine Erfahrung mit Trump gezeigt.

Michael Cohen wird Anfang Mai eine dreijährige Gefängnisstrafe antreten. Seine Untaten umfassen unter anderem Steuerhinterziehung, Verstoß gegen Wahlkampfgesetze und Meineid. Glaubt man ihm, beging er diese Verbrechen nahezu ausnahmslos auf Geheiß seines ehemaligen Dienstherrn, für den er von 2006 bis Mai vergangenen Jahres arbeitete. Während Cohen den Kongressabgeordneten zu Trumps rechtlichen und moralischen Fehltritten Rede und Antwort stand, war Letzterer in Hanoi bei seinem Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un.

Die Cohen-Anhörung bildet aber nur den Vorgeschmack auf das, was Trump persönlich und seiner Administration in den kommenden Monaten bevorsteht. Seit den Midterms 2018 sind die Demokraten schließlich mit einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus ausgestattet.

Und so markiert die öffentliche Anhörung Cohens vor dem Repräsentantenhaus nur den Auftakt zu einer ganzen Reihe von rechtlich verbindlichen Vorladungen, die schon bald Heerscharen von prominenten Trump-Freunden, -Mitarbeitern und Familienmitgliedern ins Haus stehen. Elijah Cummings, der Vorsitzende des mächtigen House Oversight Committee, kündigte an, unter anderem die Präsidentenkinder Donald Trump jr. und Ivanka Trump vorzuladen. Die Aussagen Don Juniors und seiner Schwester sollen vor allem der Aufklärung der dubiosen Verbindungen des Familienclans zu Russland dienen.

Finanzchefs und Berater

Aber auch Familien-Finanzchef Allen Weisselberg wird vorgeladen. Und dessen Aussage ist besonders brisant. Der 71-jährige Chief Financial Officer der Trump Organisation, der schon für Donald Trumps Vater Fred arbeitete, ist über jeden Cent informiert, der im Hause Trump hinein- und hinausgeht. An diesem Wissen hat er bereits Sonderermittler Robert Mueller teilhaben lassen, dessen Mannschaft ihm im Austausch für sensible Informationen Immunität vor Strafverfolgung zusicherte.

Auch sollen Trumps nunmehriger Sprecher Rudy Giuliani, sein Anwalt Jay Sekulov sowie der seit kurzem unter Anklage stehende Ex-Berater Roger Stone vom Kongress öffentlich interviewt werden. Stone hatte im Wahlkampf 2016 Kontakt zu Wikileaks gehalten. Das Netzwerk hat wiederum die von russischen Hackern gestohlenen E-Mails Hillary Clintons und der Demokratischen Partei veröffentlicht.

Wie Cohen im Zuge seiner Anhörung unmissverständlich klarmachte, sei die Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump nichts von den mannigfachen Kontakten seiner Wahlkampfkampagne zu Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes wusste, gleich null.

Wie weit die mutmaßliche Abstimmung mit den Russen wirklich ging und inwiefern sie einen Rechtsbruch darstellt, steht indes nach wie vor in Frage.

Mafia-Methoden

Unbestritten bleibt derweil, dass Kandidat Trump seinem damaligen Anwalt mitten im Wahlkampf illegale Schweigegeld-Zahlungen an ein Model und einen Pornostar, mit denen er Affären hatte, befahl. Eine Praxis, die im Universum des New Yorker Immobilienmagnaten seit Jahrzehnten gang und gebe ist und, glaubt man Cohen, nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Trump habe seine Firmen stets wie ein Mafiaboss mit entsprechenden Methoden geführt und seit ihn die US-Amerikaner zu ihrem Präsidenten gewählt haben, wendet er die altbekannten Methoden tagtäglich in der Politik an.

Die Republikanische Partei wird Trump trotzdem weiter mit bedingungsloser Unterstützung auch künftig verteidigen - auch das zeigten die Reaktionen ihrer Aushängeschilder sowohl in puncto Nordkorea-Gipfel wie in der Sache Cohen. Die Qualität der hündischen Unterwerfung und das komplette Über-Bord-Werfen aller noch verbliebenen zivilisatorischen Normen unter den Konservativen nimmt derweil immer bizarrere Züge an.

So hatte etwa Matt Gaetz, ein republikanischer Kongressabgeordneter aus Nord-Florida, Cohen vor seiner Anhörung per Twitter offen gedroht, etwas über dessen angebliche Affären auszuplaudern: "Zeit für eine Unterhaltung mit deiner Frau." Unmittelbar nach Absetzung des Tweets schaltete sich die Staatsanwaltschaft von Florida ein und eröffnete eine Voruntersuchung gegen Gaetz wegen des Verdachtes auf Zeugeneinschüchterung.

Auch wenn derlei Possen nicht ihren Weg in den Endbericht Muellers finden werden, dessen Veröffentlichung laut US-Medien wie CNN angeblich kurz bevorsteht (das tut er laut ebendiesen aber schon seit Monaten, weshalb diese Info mit Vorsicht zu genießen ist), tritt die moralische, politische und rechtliche Diskrepanz zwischen dem Trump’schen Sein und Schein mit jeder Woche offener zutage; aber solange seine Popularitätswerte bei der Parteibasis hoch sind, geben sich seine konservativen Parteifreunde davon noch betont unbeeindruckt. Vielleicht, weil sie nur allzu genau wissen, mit wem sie es zu tun haben: einem "Trickbetrüger", "notorischen Lügner" und "Hochstapler". All das wurde Trump 2015 und 2016 genannt. Nicht von seinem Anwalt, sondern von seinen Parteifreunden Marco Rubio (Senator, Florida), Mitt Romney (Ex-Präsidentschaftskandidat und nunmehriger Senator, Utah) und Lindsey Graham (Senator, South Carolina).