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Massenproteste gegen Bouteflika

Von WZ Online

Politik

Der gebrechliche Langzeitpräsident Algeriens will bei einer Wiederwahl vorzeitig abtreten.


Algier (apa, afp). Trotz massiver Proteste tritt der algerische Langzeit-Staatschef Abdelaziz Bouteflika erneut bei den Präsidentschaftswahlen im April an, er strebt aber keine volle Amtszeit mehr an. Dies ließ der 82-Jährige am Sonntagabend mitteilen.

Am Sonntag demonstrierten vor allem Studenten gegen die fünfte Kandidatur des gebrechlichen 82-Jährigen, der das nordafrikanische Land seit fast 20 Jahren regiert und sich derzeit in einer Genfer Klinik befindet.

Wenn er bei der Präsidentenwahl am 18. April im Amt bestätigt werde, solle eine "nationale Konferenz" einen Termin für eine vorgezogene Wahl festsetzen, bei der er nicht mehr antreten werde, hieß es in dem im Staatsfernsehen verlesenen Brief Bouteflikas. Zeiträume wurden nicht genannt.

In Algier und anderen Städten des nordafrikanischen Landes hatten sich zuvor erneut tausende Menschen versammelt, um gegen die Führung des Landes zu protestieren. Erst am Freitag waren Zehntausende Menschen landesweit auf die Straße gegangen. Die Polizei setzte Tränengas ein, es gab dutzende Verletzte und Festnahmen.

Hälfte der Bevölkerung unter 30

Die Polizei rückte am Sonntag zu einem Großeinsatz am Sitz des Verfassungsrats aus, wo bis Mitternacht die Unterlagen für die Wahl am 18. April abgegeben werden konnten. Straßen zu dem Gebäude wurden gesperrt, Wasserwerfer hielten Demonstranten fern. Journalisten, welche über die Ankunft von Kandidaten berichten wollten, wurden in ein Zimmer gesperrt.

Der 82-jährige Bouteflika hat sich seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und sitzt im Rollstuhl. Kritiker halten den gebrechlichen Staatschef daher für eine Marionette seines Umfeldes.

Neben Bouteflika ließ sich unter anderem der pensionierte General Ali Ghediri für die Präsidentenwahl registrieren. Der bei jungen Menschen beliebte Geschäftsmann Rachid Nekkaz kündigte ebenfalls seine Kandidatur an. Die Hälfte der algerischen Bevölkerung ist unter 30.

Große soziale Probleme

Bouteflikas Hauptrivale Ali Benflis, Ex-Regierungschef und früherer Generalsekretär von Bouteflikas Partei Nationale Befreiungsfront (FLN), kündigte dagegen seinen Verzicht auf eine Kandidatur an. "Das Volk hat noch nicht das letzte Wort gesprochen", erklärte er. Die jetzige Krise sei die schwerste seit der Unabhängigkeit von Frankreich. Auch in mehreren französischen Städten demonstrierten am Wochenende zahlreiche Menschen gegen Bouteflika.

In dem autoritär geführten Maghreb-Staat gibt es trotz des Ölreichtums große soziale Probleme: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Korruption grassiert. Zwar kündigte Bouteflika Reformen an, als der Arabische Frühling 2011 die Region erschütterte. Menschenrechtsgruppen kritisieren aber weiterhin eine Unterdrückung von Opposition und Medien.