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Ein hoffnungsloser Fall?

Von Michael Schmölzer

Politik
Colin Crouch (r.) im Gespräch mit dem Publizisten Robert Misik im Bruno-Kreisky-Forum.
© M. Schmölzer

Neoliberalismus und Nationalismus im Gleichklang: Der Politologe Colin Crouch präsentierte in Wien sein neues Buch.


Wien. "Ist der Neoliberalismus noch zu retten?", lautet der Titel des jüngsten Buches von Colin Crouch, das der britische Politologe am Mittwoch im Wiener Kreisky-Forum präsentiert hat. Mit seiner Blindheit für die desaströsen sozialen Nebenwirkungen sei der Neoliberalismus endgültig selbstzerstörerisch geworden, sagt Crouch. Dennoch sei er bemüht, die Schwachpunkte des Systems fair, unter Verzicht auf Polemik und ohne "das Kind mit dem Bade" auszuschütten zu analysieren.

Zwei Problemfelder

"Die Märkte an sich sind nützlich", stellt Crouch gleich zu Beginn seines Vortrags klar, "aber wir müssen ihre Schwächen erkennen und dagegen angehen." Darunter zuallererst gegen das Credo der Neoliberalen - wobei sich kaum jemand offen zu der Denkrichtung bekennt -, "dass wir immer und überall von Märkten beherrscht werden sollten". Die klassischen Liberalen seien übrigens nicht dieser Meinung gewesen, sagt Crouch.

Die zentrale Frage, die sich der Brite stellt, ist: "Kann sich der Neoliberalismus von zwei Hauptproblemen befreien?" Das erste Set an Schwierigkeiten habe sich durch die Finanzkrise 2008 offenbart. Das zweite Problemfeld sei das Verhältnis von Neoliberalismus zu ausländerfeindlichem Populismus.

Zunächst sei klar, dass die Märkte ihre Effekte auf die Umgebung weder bedenken würden noch unter Kontrolle hätten. Das wichtigste Beispiel derzeit: die Klimaerwärmung. Wobei Crouch betont, dass "der Markt" selbst ein öffentliches Gut sei, "das niemandem gehört". Und dass "der Markt" mit öffentlichem Eigentum nicht umgehen könne. "Die Kontrolle muss also von außerhalb kommen. Die Finanzkrise hat das klar aufgezeigt."

Das nächste Gebrechen sei, dass es Unternehmen gebe, die "too big to fail" seien. "Das darf es in einem funktionierenden Markt nicht geben", weiß der Politologe, "es muss immer möglich sein, eine Firma scheitern zu lassen, ohne dass dadurch alles den Bach runtergeht." Die nächste Finanzkrise sei jedenfalls vorprogrammiert.

Gleichklang der Interessen

Zum zweiten Problemfeld meint der Wissenschafter, dass ausländerfeindlicher Populismus nach der Finanzkrise das große Thema in der Politik geworden sei - und das nicht zufällig. Neoliberalismus und Nationalismus würden nur auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, sich sogar abstoßen. Bei näherem Hinsehen ergäbe sich aber ein Gleichklang. "Als das neoliberale Konzept nicht aufgegangen ist, hat sich bei den Leuten eine unglaubliche Wut angesammelt", so Crouch. Diese Wut habe sich dann in Form von Ausländerhass entladen. Zudem spricht Crouch von einer "unheiligen Allianz" zwischen den Phänomenen. Sowohl Neoliberalismus als auch Nationalismus sträubten sich gegen effiziente Regulierungen auf internationaler Ebene. Beide Phänomene befänden sich also in einer "Freundfeind"-Situation. So würden xenophobe Nationalisten den Rechtsstaat in Frage stellen - etwas, auf was der Neoliberalismus angewiesen sei.

US-Präsident Donald Trump sei ein Beispiel für diese "unheilige Allianz: "Nationalistischer Neoliberalismus ist möglich, auch wenn es einen Widerspruch darstellt." Im gleichen Zusammenhang, so Crouch, sei der Brexit zu nennen. Hier gehe es unter dem Schlagwort, ein "starkes, eigenständiges Großbritannien" zu ermöglichen, um die Schaffung eines neuen Singapur, um Deregulierung und Demontage des Wohlfahrtsstaates im großen Stil.

Colin Crouch spricht am Samstag, 9. März, im Rahmen des "Symposion Dürnstein" über "Die Postdemokratie nach den Krisen".