Zum Hauptinhalt springen

Evo Morales: Noch immer an der Macht

Von Konstanze Walther

Politik

Der bolivianische Präsident will bis 2025 regieren.


Wien/Sucre. Boliviens Präsident Evo Morales ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich ein Hoffnungsträger der Armen und Indigenen in einen problematischen Politiker verwandeln kann.

Der einstige Koka-Bauer mit indigenen Wurzeln, der selbst auch an dem Prozess der neuen Verfassung 2009 beteiligt war, die noch immer als wegweisend in Sachen Inklusion gilt, ist inzwischen einer der am längsten dienenden Präsidenten der Welt. Dabei hilft ihm auch, dass er an der Verfassung vorbeiregiert. Im Oktober 2019 will er für seine vierte Amtszeit kandidieren. Eigentlich wäre nach der zweiten Periode schon Schluss gewesen. Doch mit diversen Tricks wurden Fakten geschaffen. Morales ist seit 2006 im Amt.

Auch die österreichische Bolivien-Expertin Isabella Radhuber sieht die Ausdehnung von Morales’ Amtszeit kritisch. "Man hat seit mindestens 2009 beobachten können, wie alternative Personen in seiner sozialistischen Partei MAS aktiv an den Rand gedrängt wurden. Das hat systematisch stattgefunden", erklärt Radhuber. Damit ist in der Partei weder Konkurrenz noch Nachwuchs erwachsen. Und der stärkste Gegenkandidat bei der Wahl im Oktober 2019 wird voraussichtlich der Konservative Carlos Mesa sein, der vor Morales Präsident war und nach Massenprotesten 2005 zurückgetreten war. Das politische Elitensystem ist auch in Bolivien wenig durchlässig. Dabei hätte mit der Verfassung 2009 alles anders werden sollen. Die Politologin Radhuber, die auch mehrere Bücher zu Bolivien veröffentlicht hat, nennt die Verfassung heute noch "bahnbrechend". Damals erarbeiteten in einem noch nie dagewesenen Prozess - weder in Bolivien noch weltweit - bisher marginalisierte Gruppen in gemeinschaftlicher Arbeit ein neues Staatsgesetz. Dabei wurde die "Plurinationalität" Boliviens festgeschrieben - wichtig für ein Land, in dem sich rund die Hälfte der Bevölkerung zu diversen indigenen Gruppen zugehörig fühlt. Auch gab es die Idee einer Co-Regierung, erzählt Radhuber. Dabei sollten die verschiedenen Gruppen Teil der Regierung werden, die so nicht nur aus Parteipolitikern bestehen sollte. Doch auch diese Idee wurde mit der Zeit ausgehöhlt.

Die territoriale Frage und der Ressourcenabbau

Bei manchen Gruppen, die Morales zu Beginn unterstützt haben, ist er inzwischen umstritten. Die Frage der territorialen Kontrolle und des Ressourcenabbaus entzweit Indigene und bäuerliche Gruppen, deren Schulterschluss Morales zur Wahl 2006 verholfen hat. Doch als 2011 eine Straße durch den Amazonas - gegen den Protest der dort lebenden Indigenen - gebaut wurde, bröckelte die Akzeptanz für Morales insbesondere bei indigenen Gruppen. Denn Morales ist, auch wenn er gerne sein indigenes Erbe betont, eher den bäuerlichen Gruppen verbunden sowie jenen jenseits der Armutsgrenze.

"Man kann bei Morales zwar schwer von einer nachhaltigen Sozialpolitik sprechen. Aber in einem Land wie Bolivien, das von sehr großer Armut geprägt ist, sind auch diese punktuellen Umverteilungen wichtig und haben Erfolge gehabt", erzählt Radhuber. Dazu gehört ein Bonus für Schulkinder, einer für Pensionisten und einer für Schwangere.

Solche Zahlungen werden natürlich vor allem durch den Ressourcenabbau ermöglicht. "Bolivien ist und bleibt ein Bergbau-Land", meint Radhuber. Auch wenn die plurinationale Verfassung den Gedanken an den Respekt der Natur festgehalten hat, so kann in Bolivien niemand verneinen, dass Bergbau sowie die Förderung von Erdgas und Erdöl den Gutteil des Staatseinkommens ausmachen. Und auch wenn man in der Verfassung versprochen hatte, das Wirtschaftsmodell umzustellen, so hat man es in Bolivien noch nicht wirklich so weit gebracht. Die Versuchung, auch in Zukunft auf Bergbau zu setzen, ist schließlich groß: War Bolivien früher für sein Gold und Silber berühmt und berüchtigt, so ist es heute das Leichtmetall Lithium, das für die Batterie-Herstellung notwendig ist. Die Salzpfanne Salar de Uyuni beherbergt eines der weltgrößten Lithium-Vorkommen.

Der Staat Boliviens hat sich - anders als Chile und Argentinien, die ebenfalls über enorme Lithium-Vorkommen verfügen - dafür entschieden, die Lithium-Produktion komplett an sich zu binden und private Unternehmen nur nachgelagert an dem Kuchen mitnaschen zu lassen. Doch wenn Lithium-Abbau Chefsache ist und die Schürfgenehmigung von derselben Hand vergeben wird, dann steigt in Bolivien einmal mehr die Sorge um die Achtung von Territorien von indigenen Gruppen. Dabei geht es nicht nur um das Abbaugebiet selbst, sondern auch die Verunreinigung von Gewässern, die natürlich angrenzende Regionen betreffen. Für das Lithium wird Morales inzwischen international hofiert. Es ist sein Ass im Ärmel, wenn der internationale Druck auf die Koka-Politik zu groß werden sollte.

Morales verteidigt vehement den Koka-Anbau

Erst 2017 hat Morales ein Gesetz unterzeichnet, mit dem er die Anbaufläche der Koka-Pflanze praktisch verdoppelt hatte - von den bisher erlaubten 12.000 Hektar auf 22.000 Hektar. Sehr zum Missfallen der internationalen Gemeinschaft. Koka ist schließlich weiterhin eine wichtige Pflanze für Boliviens Agrarsektor sowie für die kulturelle Identität, doch wird es wegen seiner Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu Kokain international geächtet.

Am Donnerstag ist Morales wieder in Wien, um bei einer UN-Konferenz zum Thema Drogen teilzunehmen. Bei seinem vergangenen Besuch 2012 forderte er die internationale Gemeinde auf, den Koka-Anbau endlich zu legalisieren. Freilich ohne Erfolg. Morales spricht sich allerdings entschieden gegen die Weiterverarbeitung der Kulturpflanze zu Kokain aus. Laut US-Drogen-Büro ONDCP sind tatsächlich die illegalen Anbauflächen für die Pflanze um 6500 Hektar (von 37.500 Hektar auf 31.000 Hektar) 2017 zurückgegangen.

Offiziell wird Koka zum Kauen, für Tees und für diverse Pflegeprodukte verwendet. Wie viel tatsächlich zu Kokain weiterverarbeitet wird, lässt sich nicht gesichert sagen.