"Wiener Zeitung": Sie waren schon stellvertretender Leiter der Präsidialadministration unter Petro Poroschenko und zuletzt Finanzminister von 2016 bis 2018. Warum unterstützen Sie jetzt ausgerechnet den Komiker Wolodymyr Selenskyj?
Oleksandr Danyljuk: Weil ich für Veränderungen bin. Es ist wie auf einem Fahrrad: Wenn wir stehen bleiben, dann fallen wir hin und werden von den anderen abgehängt. Unter Petro Poroschenko sehe ich keine Möglichkeiten für Veränderungen. Ich kenne ihn sehr gut, weil ich schon eng mit ihm zusammengearbeitet habe, und in vielen Dingen respektiere ich ihn auch. In seiner Amtszeit hat er sich allerdings mehr um sein eigenes wirtschaftliches Wohlergehen und seine Macht gekümmert als um das Land. Durch ihn haben wir eine weitere Chance vertan, die Ukraine zu reformieren. Und Selenskyj steht für Veränderungen.
Wann haben Sie denn selbst entschieden, Selenskyj zu unterstützen?
Ich habe ihn ungefähr vor zwei Monaten kennengelernt. Ich kenne ihn nicht gut, Poroschenko kenne ich viel besser. Aber es war schon davor klar: Wenn kein neues Gesicht auftaucht, dann wird nur wieder die alte Riege am Ruder bleiben. Zugleich muss dieses neue Gesicht jemand sein, den man schon kennt. Dass die Ukraine so abhängig ist von den Fernsehsendern der Oligarchen, schränkt die Möglichkeiten für neue Gesichter ein, bekannt zu werden. Wolodymyr Selenskyj hat dieses Problem nicht. Er ist ein beliebter Komiker, und es ist sehr schwer, dieses Image zu zerstören. Außerdem sehe ich bei Selenskyj den Siegeswillen und den Wunsch, es besser zu machen, als erfahrene Politiker.
Stichwort Oligarchen: Es wird spekuliert, ob er nicht maßgeblich vom Oligarchen Ihor Kolomojskyj unterstützt wird. Sie selbst haben ja in Ihrer Zeit als Finanzminister ausgerechnet seine Privatbank verstaatlicht. Inwiefern können Sie denn überhaupt ausschließen, dass Kolomojskyj nicht doch Einfluss auf Selenskyjs Politik haben wird?
Derzeit sehe ich diesen Einfluss nicht. Es gibt natürlich diese offensichtliche Verbindung - über den Kanal 1+1, der Kolomojskyj gehört (Selenskyjs TV-Serie "Diener des Volkes" läuft auf diesem Sender, Anm.). Das ist ein Faktum. Es ist aber auch ein Faktum, dass es diese kommerziellen Beziehungen schon seit vielen Jahren bestehen. Ob das eine Abhängigkeit ist? Ich glaube nicht, denn jeder andere Kanal würde diesen Content derzeit wohl mit großer Freude übernehmen. Aber die Zeit wird es zeigen. Natürlich, Kolomojskyj und ich waren harte Gegner, als seine Bank verstaatlicht wurde. Aber ich habe genauso schlechte Beziehungen zu vielen anderen Oligarchen. Auch Präsident Petro Poroschenko ist selbst ein mächtiger Oligarch und kooperiert mit anderen Oligarchen, wie mit Rinat Achmetow. Und gerade er nennt Selenskyj eine Marionette eines Oligarchen? Aber was auch klar ist: Wenn sich Kolomojskyj einmischen wird, werde ich das Team verlassen.