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US-Demokraten setzen auf die grüne Wende

Von Ronald Schönhuber

Politik

Umwelt- und Klimaschutz dürfte im US-Präsidentschaftswahlkampf zu einem der wichtigsten Themen für die demokratischen Kandidaten werden. Den Weg dafür hat vor allem Alexandria Ocasio-Cortez mit ihrem "Green New Deal" bereitet.


Wien/Washington. Dass die Auseinandersetzung mit Donald Trump den bereits immer stärker in die Gänge kommenden Wahlkampf der Demokraten dominieren wird, ist so nachvollziehbar wie unausweichlich. Zu fundamental hat sich der Kurs der USA unter ihrem 45. Präsidenten verändert, als dass ein demokratischer Kandidat daran vorbeigehen könnte. Der Immobilen-Tycoon aus New York hat auf internationaler Ebene jahrzehntealte sicherheitspolitische Allianzen in Frage gestellt und sein Land in bitter ausgefochtene Handelskonflikte sowohl mit China als auch mit der EU geführt. Und in den USA selbst ist die Bevölkerung nach einer von Skandalen und teils chaotischen Zuständen im Weißen Haus geprägten Amtszeit so polarisiert wie nie zuvor.

Bei vielen demokratischen Kandidaten ist mittlerweile allerdings die Einsicht gereift, dass es zu wenig sein könnte, sich lediglich als Gegenpol zu Trump zu präsentieren. Sie bemühen sich daher verstärkt eigene zugkräftige Themen zu setzen, um den republikanischen Präsidenten bei der Wahl im November 2020 beerben zu können. So versucht es Senator Bernie Sanders, der letztes Mal bei den parteiinneren Vorausscheidung den Kürzen gegenüber Hillary Clinton zog, mit einer Krankenversicherung für alle und freiem Hochschulzugang. Beto O’Rourke aus Texas hat dagegen eine grundlegende Reform der Wirtschaft zu seiner Priorität gemacht.

Klimaschutz und Jobs

Als eines der wichtigsten Themen im demokratischen Rennen um das Weiße Haus dürfte sich allerdings der Klima- und Umweltschutz erweisen. So ist Elizabeth Warren, die in den Umfragen derzeit auf Platz drei hinter Sanders und Kamala Harris liegt, erst am Montag mit der Forderung vorgeprescht, die Förderung von Öl und Kohle auf bundeseigenem Land zu verbieten. Und auch bei vielen anderen Kandidaten steht der Klimaschutz ganz oben auf der politischen Agenda.

Den Weg für die grüne Wende bei den Demokraten hat vor allem Alexandria Ocasio-Cortez bereitet. Mitte Februar hatte die Kongressabgeordnete aus New York, die in den vergangenen Monaten zum Shooting-Star der Partei avanciert ist, ein Programm vorgestellt, das in Anlehnung an die großen Sozialreformen und Arbeitsbeschaffungsprojekte von Präsident Franklin Roosevelt den Titel "The Green New Deal" trägt. Und ähnlich groß und ambitioniert lesen sich auch die Vorschläge und Forderungen, die Ocasio-Cortez formuliert. Denn der "Green New Deal" ist nicht viel weniger als die Bauskizze für eine radikale Umgestaltung der USA hin zu einer ökologischeren, aber auch sozial gerechteren Gesellschaft. So soll die gesamte Energieversorgung binnen der nächsten zehn Jahre auf saubere, erneuerbare Energien umgestellt werden, damit schon ab 2030 keine neuen Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen dazukommen. Dafür will man etwa die Energieeffizienz von Gebäuden drastisch steigern und ein noch zu bauendes Hochgeschwindigkeits-Zugnetz soll den Flugverkehr im Land reduzieren. Begleitet werden soll all das von einem umfangreichen sozialen Maßnahmenpaket, das jedem Amerikaner eine Krankenversicherung, einen Arbeitsplatz, Bildung und eine Wohnung garantiert.

Dass dafür massive planwirtschaftliche Eingriffe des Staates nötig sind, stellen die Befürworter des "Green New Deals" dabei nicht in Abrede. "Wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass die Märkte das alles für uns regeln und einen Wandel herbeiführen", sagt Andres Bernal, der als Berater im Team von Ocasio-Cortez an dem 14-seitigen Positionspapier mitgearbeitet hat. "Wir müssen daher zu einem veränderten Verständnis darüber kommen, wie Wirtschaft funktionieren soll."

Demokratische Zerreißprobe

Was den linken Flügel nicht nur in den USA entzückt - so hat in Österreich Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, einen "New Green Deal" zum Thema ihres EU-Vorzugsstimmenwahlkampfs gemacht -, könnte allerdings zu einer Zerreißprobe für die demokratische Partei werden. Denn nicht nur die Republikaner, in deren Reihen es noch immer viele Klimawandelskeptiker gibt und die staatliche Eingriffe ohnehin als sozialistisches Schreckgespenst betrachten, halten wenig vom "Green New Deal", sondern auch viele gemäßigte Demokraten. Sie sehen den Plan als zu teuer und zu radikal an, um ihn konservativeren Wählerschichten verkaufen zu können.

Für Ocasio-Cortez-Berater Bernal stellt der sich abzeichnende Riss in der Partei allerdings nur ein untergeordnetes Problem dar. "Die US-Bevölkerung unterstützt in großem Ausmaß eine grüne Wende. Und auch die meisten demokratischen Präsidentschaftswerber haben in der einen oder anderen Form ihre Unterstützung für den Green New Deal signalisiert", sagt Bernal. "Das Wichtigste aber ist, dass wir es geschafft haben, in wenigen Monaten eine breite Debatte über das Thema loszutreten."