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Chinas Euphorie und Europas Skepsis

Von Thomas Seifert

Politik
Bundeskanzler Sebastian Kurz bei seinem vergangenen China-Besuch im Jahr 2018 im Jianfu Palast in Chengdu.
© Dragan Tatic

Kanzler Kurz fliegt kommende Woche nach China, trifft Präsident Xi Jinping und spricht dort über die neue Seidenstraße.


Peking/Wien. Das Reich der Mitte hat seit Jahren einen festen Platz in der Liste der Destinationen österreichischer Besuchsdiplomatie. Erst vor etwa einem Jahr war Kanzler Sebastian Kurz an der Seite von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einem groß angelegten Staatsbesuch in China. Im April 2018 waren neben dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler auch Außenministerin Karin Kneissl, Infrastrukturminister Norbert Hofer (beide FPÖ), Umweltministerin Elisabeth Köstinger, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (jeweils ÖVP) und der damalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (WKÖ) dabei. Ministerin Schramböck war dann im Oktober wieder in China (und Südkorea) und am kommenden Mittwoch reist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erneut nach Shanghai, Hangzhou und Peking.

Besuch im Silicon Valley Chinas

Erste Station der fünftägigen Reise ist die Wirtschaftsmetropole Shanghai, wo ein Treffen mit dem Bürgermeister von Shanghai, Ying Yong auf dem Programm steht. In Hangzhou - dem rund zwei Autostunden südwestlich von Shanghai gelegenen Silicon Valley Chinas - steht ein Treffen mit Alibaba-Gründer Jack Ma (40 Milliarden Dollar Vermögen laut "Forbes"-Liste) auf dem Programm. Alibaba ist das Amazon Chinas, Jack Ma ist der Jeff Bezos des Reichs der Mitte, ein Selfmade-Milliardär, der zuletzt in den sozialen Medien in China in der Kritik gestanden ist, nachdem er öffentlich für das "996"-Arbeitszeitmodell plädiert hat. Im Chinesischen haben Zahlen eine besondere Bedeutung, "Jiujiuliu gongzuo zhi" ("996 Arbeitszeitsystem") steht für eine Arbeitszeit von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, und das an sechs Tagen in der Woche. Eine 72-Stunden-Woche also: "Kein Problem", für Jack Ma, wie der Alibaba-Boss im sozialen Netzwerk Weibo schrieb: "Wenn wir etwas finden, das wir mögen, ist 996 kein Problem", schrieb Jack Ma auf Weibo, dem chinesischen Twitter. Nur wer seine Arbeit nicht möge, empfinde jede Minute als Qual. Viele junge Chinesen sehen das mittlerweile nicht mehr so, vor allem in den Städten legen die Menschen heute mehr Wert auf ihre Work-Life-Balance.

"Enger zusammenarbeiten"

Der eigentliche Schwerpunkt der Reise von Kanzler Kurz ist die Teilnahme am Seidenstraßen-Forum ab nächstem Freitag in Peking. Beim ersten Forum im Jahr 2017 nahm Österreich nicht teil: Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) sagte damals wegen innenpolitischer Turbulenzen (Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war damals gerade zurückgetreten) kurzfristig ab.

Diesmal wird Österreich durch den Kanzler höchstrangig vertreten sein, Österreich und die Europäische Union sind aber skeptisch, was die Absichten Pekings beim Mega-Projekt "neuen Seidenstraße" betrifft. Einerseits kann Österreich vor allem von den verbesserten Eisenbahnverbindungen nach Asien profitieren, andererseits fürchtet die EU, dass China seinen Willen vor allem in Südosteuropa, aber auch in Italien oder Ungarn durchsetzen wird, ohne auf die europäischen Interessen Rücksicht zu nehmen.

Dennoch: Das Kanzleramt sendet vor der Abreise des Bundeskanzlers positive Signale in Richtung Peking aus. In einer Aussendung wird Bundeskanzler Sebastian Kurz mit folgendem Statement zitiert: "Wir haben als Europa ein Interesse daran, mit China insbesondere wirtschaftlich und bei globalen Themen wie dem Kampf gegen den Klimawandel noch enger zusammenzuarbeiten. Den Ankündigungen zur Öffnung des chinesischen Marktes für europäische Unternehmen und bei der Zusammenarbeit zur WTO-Reform müssen nun aber auch Taten folgen. Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen für beide Seiten."