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Trump-Gegner suchen Erlöser

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Fast zwei Dutzend Demokraten wollen US-Präsident Donald Trump kommendes Jahr vom Thron stoßen. Ihre Strategien könnten kaum unterschiedlicher sein.


Los Angeles/Washington. Das mit der korrekten Aussprache des Namens klappt noch immer nicht wirklich; aber entgegen aller Erwartungen stellt sich der vermeintliche Nachteil plötzlich als Vorteil heraus. Pete Buttigieg verdankt seinen ungewöhnlichen Familiennamen seinem Vater. Der wurde 1947 auf Malta geboren und wollte einst Pfarrer werden. Am Ende entschied sich Joseph Buttigieg aber gegen die Kanzel und für das Professoren-Pult. Seine akademischen Ambitionen - unter anderem übersetzte er Antonio Gramscis "Gefängnishefte" ins Englische - führten ihn in die USA. Genauer: In die Kleinstadt South Bend, Indiana, wo der im Jänner verstorbene Literatur-Professor bis zuletzt an der katholischen Eliteuniversität Notre Dame Vorlesungen hielt und der sein Sohn seit mittlerweile sieben Jahren als Bürgermeister vorsteht.

Wer heute Pete Buttigiegs Wahlkampfhauptquartier besucht, stößt zuerst auf eine überdimensionierte, an die Wand gemalte Botschaft, die es den Leuten im Allgemeinen und den Rundfunkjournalisten der USA im besonderen leichter machen soll, den richtigen Ton zu treffen: "Boot-Edge-Edge". Wer dann noch Probleme hat, den Namen des Präsidentschaftskandidaten richtig auszusprechen, kann sich mittlerweile auf Online-Bewegtbildplattformen wie Youtube von hilfsbereiten Maltesern Nachhilfe geben lassen.

Unter den fast zwei Dutzend Demokraten, die Donald Trump 2020 aus dem Weißen Haus vertreiben wollen, ist Pete Buttigieg mit Abstand der Jüngste. Mit seinen 37 Jahren ist der verheiratete, offen homosexuelle Provinzpolitiker nur zwei Jahre älter als das in der amerikanischen Verfassung verankerte Gebot, das es nur Bürgern über 35 erlaubt, sich ums höchste Amt im Staat zu bewerben. Letzteres hindert etwa Polit-Shooting-Stars wie die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (29) daran, selbst in den Ring zu steigen.

Weiße Männer dominieren

In den vergangenen Monaten erlebte "Mayor Pete" einen kometenhaften Aufstieg, der angesichts der Dichte des Bewerberfelds bei den Linksliberalen auf den ersten Blick erstaunlich ist. Aber auch wenn es bis zum Wahltermin am 3. November 2020 noch dauert, kristallisieren sich schon jetzt die Strategien und Methoden heraus, mit der sie den 71-jährigen Ex-Reality-TV-Star aus dem Amt hieven wollen.

Laut Umfragen ergibt sich in dieser frühen Phase ein relativ eindeutiges, von weißen Männern dominiertes Bild. Demnach hat derzeit klar Joe Biden die Nase vorn, der seine Kandidatur offiziell erst diese Woche bekannt gab. "Onkel Joe" war Vizepräsident unter Barack Obama, war jahrzehntelang Senator von Delaware und gilt als Liebling des Partei-Establishments. Knapp hinter ihm rangiert der Mann, dem bis heute nicht wenige Demokraten die Schuld daran geben, dass es Trump überhaupt ins Weiße Haus geschafft hat: Bernie Sanders, amtierender Senator von Vermont, will es auch 2020 wissen.

Buttigieg, der bis Anfang des Jahres nur Politnerds ein Begriff war - er bewarb sich einst ebenso erfolglos um den Gouverneursposten von Indiana wie um den Parteivorsitz - rangiert derzeit auf Platz drei, angeblich knapp gefolgt von Beto O’Rourke. Der 46-jährige Shooting Star aus El Paso, der bis vor kurzem für die Demokraten im Abgeordnetenhaus saß und 2018 das Rennen um einen der Senatssitze von Texas nur knapp gegen Ted Cruz verlor, geht ebenfalls als Außenseiter ins Rennen, kann aber wie Sanders auf eine breit gestreute Spenderbasis zählen.

Hinter diesem Quartett reiht sich eine ganze Latte von Kandidaten - Kandidatinnen -, deren sachpolitische Kompetenz großteils außer Frage steht, die aber mit Aufmerksamkeitsdefiziten und den teils offen sexistischen Reflexen der Mainstream-Medien zu kämpfen haben. Die prominentesten Beispiele für diese These bilden Elisabeth Warren, Senatorin von Massachusetts, und Kamala Harris, Senatorin von Kalifornien. Erstere, die vor ihrer Politkarriere unter anderem als Jura-Professorin an der Eliteuniversität Harvard lehrte, zeichnet sich seit jeher weniger durch warme Worte als durch mit konkreten Gesetzesvorschlägen unterfütterten politischen Visionen aus.

Letztere, Tochter einer tamilischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters, machte sich vor ihrem Einstieg in die Politik als Staatsanwältin mit Herz und Hirn einen Namen. Wie Warren versucht auch Harris die ultrarechte Politik des Weißen Hauses weniger mit Rhetorik als mit sachlichen Argumenten zu konterkarieren. Eine Qualität, die sie nicht zuletzt Ende der Woche zur Schau stellte, als sie Bill Barr - den sich Trump einst als persönlichen Anwalt wünschte und der ihm heute als Justizminister dient - bei dessen Anhörung vor dem Kongress in Sachen Mueller-Report kühl aber bestimmt vorführte. Trotzdem stoßen Harris und Warren, zumindest bisher, auf die selben Probleme, die schon Hillary Clinton 2008, aber vor allem 2016 zu spüren bekam.

Lackmustest Iowa Caucuses

Den beiden Spitzenreiter-Frauen folgt eine Reihe an Kandidaten, die sich bisher im einstelligen Bereich bewegen, aber in ihren Wahlkreisen beziehungsweise Regionen starken Rückhalt genießen: Amy Klobuchar, Senatorin von Minnesota; Cory Booker, Senator von New Jersey; Kirsten Gillibrand, Senatorin von New York, um nur die bekannteren Namen zu nennen. Zu ihnen gesellt sich ein breites Feld von bisher wenig bis nahezu unbekannten Gesichtern, die nur eine Motivation eint: Wenn es mit dem Weißen Haus nicht klappt, lässt sich durch eine Kandidatur zumindest das nationale Profil der eigenen Person schärfen - schließlich geht es nicht nur darum, wen die Partei zu ihrem Bannerträger wählt, sondern es braucht auch einen Vizepräsidentschafts-Kandidaten.

Den ersten Lackmustest bilden wie immer die Iowa Caucuses, die am 3. Februar 2020 stattfinden - aber nicht zuletzt dank Trump hat selbst die Dynamik der Vorwahlen bei der Oppositionspartei diesmal eine neue Dimension. Das bisherige System garantierte de facto, dass sich zu dem Zeitpunkt, wenn die großen Bundesstaaten mit ihren Vorwahlen an der Reihe sind, das Feld bereits gelichtet hat. Nachdem Kalifornien, der größte von allen, vor zwei Jahren beschloss, seine Primaries auf März zu verschieben, bringt das plötzlich ganz neue Herausforderungen wie Möglichkeiten mit sich. Für eine Kandidatin wie Harris etwa, deren politische Basis in der Bay Area liegt, bietet sich die Chance, die bisher quasi ins System eingebauten Defizite wettzumachen.

Die alles entscheidende Frage bei den Demokraten wird vielleicht weniger sein, welcher Flügel sich am Ende durchsetzt - der neo-sozialistische oder der pragmatische, mal mehr, mal weniger linksliberale - als die, welche Generation die Partei gegen Trump ins Feld führen soll. Der maßgeblich von den im Vorwahlkampf extrem wichtigen Gewerkschaften und dem fast gleichaltrigen Milliardär und Ex-New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg unterstützte Biden ist 76. Bernie Sanders ist 77. Elizabeth Warren ist 69. Einer wie Buttigieg, der, wenn er es schafft, zum Präsidenten gewählt und dann eventuell wieder gewählt zu werden, wäre 46, wenn er aus dem Amt scheidet - immer noch acht Jahre jünger, als es Kamala Harris heute ist.

Siebensprachiger Kandidat

Auch wenn er im Vergleich zu ihr oder Warren als Pragmatiker gilt und bisher konkret inhaltlich wenig zu bieten hat - noch weniger als der 46-jährige O’Rourke, der in punkto sachpolitische Vorschläge bisher eine an grobe Vernachlässigung grenzende Ignoranz an den Tag legt - überstrahlt der Bürgermeister aus dem Mittleren Westen damit mit Ausnahme von Biden und Sanders den Rest des Felds. Ganz zu schweigen von seinen unbestritten außergewöhnlichen intellektuellen Kapazitäten.

Buttigieg spricht sieben Sprachen, darunter Arabisch, Farsi und Norwegisch. Noch dazu ist er Afghanistan-Veteran, was im Kampf gegen einen Wehrdienst-Drückeberger wie Trump zumindest kein Nachteil ist. Auch wenn sein Name für viele Amerikaner schwer auszusprechen bleibt und es noch viel zu früh für Prognosen ist: Das Gefühl, dass Pete Buttigieg im Jahr 2020 in aller Munde sein wird, lässt sich heute nur schwer loswerden.