Washington. (is) Ein bisschen EU-Wahlkampf im Weißen Haus kann nicht schaden, dürfte sich Donald Trump gedacht haben. In den vergangenen Wochen lud der US-Präsident daher einige - handverlesene - europäische Regierungschefs zu einem persönlichen Tete-a-tete nach Washington ein. Den Anfang machte Mitte Februar Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), es folgten der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis (ANO) und der slowakische Premier Peter Pellegrini (Smer). Am Montag durfte schließlich Ungarns Regierungschef Viktor Orban in Washington seine Aufwartung machen. 50 Minuten dauerte das gemeinsame Abschreiten des roten Teppichs und das anschließende Gespräch im West Wing des Weißen Hauses, dann musste der Gastgeber schon wieder zum nächsten Termin eilen.

Davor streute der US-Präsident dem ungarischen Gast noch schnell Rosen: Orban habe in vielerlei Hinsicht einen "hervorragenden" Job gemacht, lobte Trump den rechtsnationalen Premier. Er sei ein "tougher", aber respektierter Staatschef, der nach Meinung vieler Menschen das Richtige bei der Einwanderungspolitik gemacht habe. "Wahrscheinlich genau wie ich ein bisschen umstritten, aber das ist okay", meinte der US-Präsident.

Für eine vertiefte Debatte gab es keine Gelegenheit. Die Themenliste war knapp gehalten. Ausbau der bilateralen Beziehungen in Handel, Energie und Cybersicherheit sowie "Verpflichtungen des Nato-Mitglieds Ungarns" standen auf der Agenda; Letzteres umschreibt, dass Ungarn den USA Rüstungsgüter abkaufen soll.

Ideologisch auf Wellenlänge

Dennoch hat Orbans Empfang im Weißen Haus zwölf Tage vor der Europawahl Symbolkraft. Der bekennende Anhänger illiberaler Demokratien hatte sich zuletzt von der Europäischen Volkspartei (EVP), der seine Fidesz-Partei (noch) angehört, deutlich distanziert und einen Pakt mit Europas rechtsradikalen Parteien angekündigt. In dem Bündnis, das von Trumps Ex-Chefberater Stephen Bannon unterstützt wird, tummeln sich neben Fidesz auch Italiens Lega, Frankreichs Rassemblement National, die Allianz für Deutschland (AfD) und Österreichs FPÖ. Mit Trump verbindet all diese Parteien eine radikale Anti-Migrations-Politik, eine mindestens so radikale Anti-Islam-Rhetorik und das Interesse an einer möglichst schwachen Europäischen Union.

Im Vorfeld des Orban-Besuches äußerten US-Kongressmitglieder denn auch Kritik über den Empfang des Premiers aus Budapest im Oval Office und forderten Trump auf, das Treffen abzusagen. Als Begründung wurden antisemitische, ausländerfeindliche Äußerungen von Orban, seine Nähe zu Russland sowie der Abbau der Demokratie in Ungarn, die Einschränkung der Medienfreiheit und die Kriminalisierung von Zivilorganisationen angeführt.

Doch die Trump-Regierung drückte stets die Augen zu. Immerhin war Orban der erste europäische Politiker, der dem US-Präsidenten 2016 zu dessen Wahlsieg gratuliert hatte. Als Budapest zwei Jahre später gegen die von George Soros gesponserte liberale Zentraleuropäische Universität vorging, war nur ein verhaltenes kurzes Murren aus dem State Department zu vernehmen. Ein ursprünglich geplantes US-Programm zur Förderung freier Medien in Ungarn wurde wieder abgeblasen.

Dennoch dauerte es, bis eine Einladung des Weißen Hauses auf Orbans Schreibtisch landete. Sein letzter Besuch im Oval Office fand 1998 statt; Orban, damals ein junger Zentralist, warb bei Bill Clinton für einen Nato-Beitritt, um die einstige Sowjetrepublik aus Russlands Umklammerung zu befreien. Der Beitritt erfolge im Jahr darauf.

Keine Freude an Pro-Putin-Kurs

Heute, genau 20 Jahre später, zählt der Budapester Politiker zu den größten Bewunderern Wladimir Putins und dessen autokratischem Regierungsstil. Der US-Administration sind die engen Banden zu Moskau - anders als die Demokratiedefizite - ein echter Dorn im Auge. US-Außenminister Mike Pompeo brachte seinen Unmut über den wachsenden Einfluss Russlands und auch Chinas gegenüber dem osteuropäischen Land mehrmals deutlich zum Ausdruck. Viele Beobachter sind überzeugt, dass Trump seinen Gast daher ermahnt hat, den außenpolitischen US-Interessen in Ungarns Diplomatie künftig mehr Priorität einzuräumen.

Bisher zeigte sich Budapest gegen Druck aus Washington allerdings immun. So will Orban trotz heftiger US-Proteste der obskuren russischen Entwicklungsbank IBB (International Investment Bank), die von einem hochrangigen Ex-KGB-Agenten geführt wird, Immunitätsstatus gewähren, um deren Hauptsitz nach Budapest zu holen; dem ehemaligen Chef der russischen Auslandsaufklärung, Sergej Naryschkin, und seiner Familie soll die Regierung in Budapest ungarischen Medienberichten zufolge im Austausch für den Kauf ungarischer Staatsanleihen großzügig EU-Aufenthaltstitel gewährt haben; für Ärger sorgte auch, dass Ungarn zwei von den USA gesuchte russische Waffenhändler nach Moskau statt in die USA auslieferte. Gesprächsstoff hätten Orban und Trump trotz ihres guten Verhältnisses jedenfalls genügend gehabt.