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Die getroffene Achillesferse Venezuelas

Von Konstanze Walther

Politik

Venezuelas Botschafter in Wien, Jesse Chacón, räumt die Importabhängigkeit seines Landes ein.


Wien/Caracas. Die verfeindeten Lager in Venezuela sind sich nur in einem Punkt einig: Und zwar, dass die im Land herrschende Krise beispiellose Ausmaße eingenommen hat. Außenstehende wie der Internationale Währungsfonds haben unlängst gemeint, eine derartige Zerstörung der Wirtschaft findet man sonst nur in kriegsversehrten Ländern.

So weit der Ist-Zustand. Wie das einst reichste Land Südamerikas aber so weit gekommen ist, darüber scheiden sich die Geister. Die einen - unter anderem die USA - machen die Wirtschaftspolitik der sozialistischen Regierungen in dem Land dafür verantwortlich - zuerst unter Hugo Chávez (1999 bis 2013) und nun unter Nicolás Maduro (seit 2013).

Weder den Sozialisten noch der konservativen Vorgängerregierung war es gelungen, die Wirtschaft auf eine breitere Basis zu stellen, als bloß auf den Erdöl-Preis zu vertrauen. Das macht Venezuela seit jeher extrem abhängig von den Weltmarktpreisen, Devisen und dem Zukauf von Waren aller Art. Damit ist Venezuela vielleicht mehr als irgendein anderes Land auf der Welt verwundbar über den Welthandel. Und hier macht die Regierung in Venezuela den großen Schuldigen an der Wirtschaftskrise aus: Es seien die USA, die mit ihren Wirtschaftssanktionen das Land buchstäblich ersticken wollten, sagt etwa Jesse Chacón Escamillo, Venezuelas Botschafter in Österreich, vor Journalisten in Wien.

"Die Wirtschaftspolitik ist nicht Ursache für diese Katastrophe"

Venezuela würde schon immer mit dem Anstieg des Ölpreises wachsen und bei Verfall schrumpfen. Diese Abhängigkeit von Erdöl sieht der Botschafter durchaus kritisch. Aber er betont: "Die venezolanische Wirtschaftspolitik ist nicht die Ursache für diese Katastrophe." Sondern die Sanktionen der USA, die 2014 unter US-Präsident Barack Obama begonnen hatten und unter dessen Nachfolger Donald Trump immer weiter nachgeschärft worden sind. Zuerst fing es an mit Sanktionen gegen Personen. Dann wurden US-Konzernen verboten, mit venezolanischen Staatsanleihen zu handeln. Schließlich weigerten sich internationale Banken, Transaktionen von venezolanischen Staatskonten durchzuführen. Das hätte laut Botschafter Chacón indirekt zu 40.000 Todesfällen in Venezuela geführt. Diese Zahl hätte eine venezolanische Studie ergeben, bei der verschiedene Universitäten mitgearbeiteten haben.

Die Toten seien ein Resultat der Kontensperrungen und Blockaden von Transaktionen insofern, als der sich der Kauf von Impfstoffen verzögert habe, sowie der Ankauf von Dialyse-Produkten und der Zukauf von Lebensmitteln verunmöglicht wurde. Im Februar kam es zu tödlichen Auseinandersetzungen, als die venezolanische Opposition, allen voran der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó Hilfslieferungen aus den USA über Venezuelas Grenze bringen wollten. Präsident Nicolás Maduro machte daraufhin die Grenzen dicht. Die neutralen Hilfslieferungen seitens des Roten Kreuzes im April akzeptierte Maduro allerdings.

Der von den USA unterstützte Parlamentspräsident Guaidó ist für Botschafter Chacón nichts anderes als ein "Präsident auf Twitter". In der internationalen Zusammenarbeit habe sich in der Praxis nichts geändert, auch wenn viele Staaten, darunter auch Österreich, Guaidó die Anerkennung ausgesprochen hatten.

In dem südamerikanischen Land ist es derzeit äußerst schwierig, verlässliche Zahlen zu bekommen. Aber Chacón erklärte, dass, wenn die Mehrheit der Bevölkerung gegen Präsident Maduro wäre, würde es mit der Unterstützung der USA schon längst tatsächlich Krieg geben.