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Netanjahu scheitert mit Regierungsbildung

Politik

Streit um Gesetz, das Strengreligiöse zum Wehrdienst verpflichten soll. Neuwahlen am 17. September.


Jerusalem. Schwere politische Krise in Israel: Das Parlament hat sich nur einen Monat nach seiner Vereidigung wieder aufgelöst. Die Abgeordneten stimmten für Neuwahlen am 17. September. Der Grund: Dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist es trotz intensiver Verhandlungen nicht gelungen, innerhalb einer sechswöchigen Frist eine tragfähige Koalition zu schmieden.

Zentraler Streitpunkt zwischen Netanjahus potenziellen Koalitionspartnern war ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten soll. Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman pochte darauf, dass ein bereits in erster Lesung gebilligter Gesetzesentwurf von der neuen Regierung ohne jegliche Veränderung angenommen wird. Dazu waren zwei strengreligiöse Parteien jedoch nicht bereit.

Konflikt um Rasurpflicht

In der Vergangenheit hat es immer wieder wütende Proteste Strengreligiöser gegen die drohende Wehrpflicht gegeben. Denn seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 sind orthodoxe Juden von der Wehrpflicht ausgenommen, damit sie ihren Talmudstudien obliegen können. Allerdings gibt es ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2017, wonach diese Ausnahmeregelung nicht berechtigt ist. Die Richter legten eine Übergangsfrist fest, in der nach einem Kompromiss gesucht werden sollte.

2016 trat in den israelischen Streitkräften ein Bartverbot in Kraft, das strenggläubigen Juden ebenfalls massiv ein Dorn im Auge ist. "Aus disziplinarischen Gründen und zur Förderung der Gleichförmigkeit" wurde das Bartverbot im vergangenen Sommer 2015 verfügt, in Kraft trat die Order im Märze des Folgejahres. Eine Armee sei "disziplinlos, in der jeder selbst entscheidet, ob er seinen Bart behält oder nicht", hieß es damals.

Der einflussreiche national-religiöse Rabbiner Salman Melamed sorgte für einen heftigen Streit, weil er einen wehrpflichtigen Anhänger anwies, einen Rasurbefehl gegebenenfalls zu verweigern "und sogar eine Inhaftierung in Kauf zu nehmen". Die meisten Orthodoxen in Israel wollen auf die Gesichtsbehaarung nicht verzichten, weil sie Teil ihres öffentlichen Glaubensbekenntnisses ist. An sich kennt das Judentum keine Bartpflicht.

Der Lack ist ab

Politologen verweisen darauf, dass Netanjahus Image als schier unbesiegbarer politischer "Zauberer", der auch unter widrigsten Umständen immer noch ein Kaninchen aus dem Hut ziehen kann, schwer beschädigt ist. Es handle sich um eine der schwersten Niederlagen seiner Karriere, so die Experten. Dazu kommt, dass Netanjahu eine Anklage wegen Korruption in drei Fällen droht. Der Premier plante deshalb radikale Veränderungen des israelischen Justizsystems - was ihm bei den anstehenden Wahlen massiv schaden könnte.

Israel hatte erst am 9. April vorzeitig sein Parlament gewählt. Netanjahus Likud erhielt 35 von 120 Sitzen, genau so viele wie das Oppositionsbündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Gantz. Theoretisch hatte das Lager rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit. Eine fünfte Amtszeit als Regierungschef bleibt Netanjahu nun erst einmal verwehrt, mit Blick auf die Wahl im September äußerte er sich aber siegesgewiss.

Ein Mitglied seiner eigenen Partei hatte den Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Damit sollte verhindert werden, dass nach dem Scheitern der Verhandlungen wie sonst üblich der Staatspräsident einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt.

Nach der Auflösung des Parlaments wiesen einander Netanjahu und Lieberman die Schuld zu. Netanjahu warf Lieberman vor, er habe gezielt "eine rechte Regierung gestürzt". Damit sei der als ultra-rechts bekannte Politiker nun "Teil der Linken". Lieberman sagte dagegen, Netanjahus Likud habe vor den strengreligiösen Parteien kapituliert. Er sei nicht bereit, Teil einer religiös dominierten Regierung zu sein. Ohne die fünf Mandate von Liebermans Partei Israel Beitenu hatte Netanjahu keine Mehrheit.

Inmitten der schweren Politkrise sind Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Berater, sowie US-Unterhändler Jason Greenblatt in Israel. Ihr Ziel war nach Medienberichten ursprünglich, bei Gesprächen mit Netanjahu am Donnerstag um Unterstützung für den US-Friedensplan zu werben. Die Palästinenserführung hat den Plan allerdings schon vor der Veröffentlichung zurückgewiesen, weil sie die USA nicht mehr als ehrlichen Vermittler ansehen. Hintergrund ist der umstrittene Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem im vergangenen Jahr. Die Palästinenser fordern den arabisch geprägten Ostteil der Stadt als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates.

"Neue Ideen"

Kushner hatte auf der Suche nach Verbündeten für seinen Plan zur Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern zuvor bereits Marokko und Jordanien besucht. Von seinem Friedensplan sind bisher nur wenige Details bekannt. Kushner spricht seit Monaten von "neuen Ideen", die in seine Initiative einfließen sollten, da die bisherige Herangehensweise nur in eine Sackgasse geführt habe. In seinem Plan soll nicht mehr von "zwei Staaten" die Rede sein.

Ende Juni soll in Bahrain als erster Teil des Plans eine Konferenz für wirtschaftliche Investitionen in den Palästinensergebieten stattfinden. Die Palästinenser lehnen allerdings auch diese Konferenz ab. (red)