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Brutaler Milizführer greift im Sudan nach der Macht

Von Klaus Huhold

Politik
Skrupellos: Milizführer Hemeti.
© N. Abdallah

Eine Spezialeinheit aus Darfur ist für das Blutbad an Demonstranten verantwortlich. Ihr Anführer sieht nun offenbar seine Stunde gekommen.


Khartum/Wien. Es wurde das Zeichen der sudanesischen Revolution. Immer wieder, wenn internationale Fotografen oder Kameraleute an den Barrikaden der Protestbewegung auftauchten, formten die Demonstranten Mittel- und Zeigefinger zum international wohlbekannten Victoryzeichen. Gab es nach dem Sturz von Langzeitdiktator Omar al-Bashir tatsächlich Anlass zur Siegesgewissheit, wirkt diese Geste mittlerweile eher trotzig oder wie Zweckoptimismus. Denn die Revolution im Sudan droht durch Blutbäder erstickt zu werden.

So berichtete ein Ärzteverband am Mittwoch, dass bei der Erstürmung von Protestcamps in der Hauptstadt Khartum Anfang dieser Woche mindestens 60 Menschen getötet wurden. Augenzeugen berichteten, dass Sicherheitskräfte mit auf Pick-ups montierten Maschinengewehren auf Demonstranten schossen, selbst Flüchtende wurden demnach ins Visier genommen. Es gibt sogar Berichte, dass Leichen in den Nil geworfen wurden.

Spaltung des Militärs?

Vor allem eine Einheit wird für die Gewalteskalation verantwortlich gemacht: die Schnellen Einsatztruppen (RSF). Diese paramilitärische Einheit wurde vom Regime gegründet, um gegen Aufständische in Darfur zu kämpfen - was sie auch mit großer Brutalität tat. Mittlerweile soll sie bereits 60.000 Mann umfassen. Diese Spezialtruppe ist äußerst kampferprobt und von Maschinengewehren bis zu Panzerfäusten schwer bewaffnet.

Sie ist damit zu einem bedeutenden Machtfaktor im Sudan geworden. Ihr Anführer Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti", sieht nun offenbar seine Zeit gekommen, um der neue starke Mann im Sudan zu werden. Das Bild, das afrikanische Journalisten von ihm zeichnen, ist wenig schmeichelhaft: Sie beschreiben ihn als skrupellos und ungebildet, er besuchte offenbar nur drei Jahre die Schule. Sein erstes Geld soll er durch Raubzüge in den Weiten der Wüste Darfurs verdient haben.

Für die Zukunft entscheidend ist nun, wie der restliche Militärrat zu Hemeti steht. Er ist offiziell die Nummer zwei hinter dem Vorsitzenden Abdel Fattah Burhan. Das zehnköpfige Gremium hatte die Macht übernommen, nachdem das Militär im April aufgrund der Proteste den damaligen Herrscher Bashir hatte fallen lassen.

Es könnte sein, dass Hemeti und seine Einheit im Sinne hochrangiger Militärs handeln. Diese haben, sollte ihre Macht bei einer Demokratisierung oder einem sonstigen Regierungswechsel schwinden, viel zu verlieren: Vor allem viel Geld, da in dem korrupten Staat kaum ein größeres Geschäft ohne das Militär ging.

Als wahrscheinlicher gilt aber, dass vielen Generälen Hemeti schon viel zu mächtig geworden ist - und das birgt eine große Gefahr. "Das größte Risiko ist nun eine Spaltung der Sicherheitsorgane", twitterte Rashid Abdi von der International Crisis Group. Und auch das Soufan Center, eine weitere Denkfabrik, warnte, es gebe "ein reales Risiko, dass die Lage in einen richtigen Bürgerkrieg ausarten könnte".

Auch das widersprüchliche Verhalten des Militärrats deutet darauf hin, dass er sich intern uneinig ist. Denn plötzlich will er wieder mit der Opposition sprechen. Man sei ohne Vorbedingungen bereit zu Verhandlungen mit anderen Gruppen, verkündete Burhan, der Chef des Rats, am Mittwoch.

Allerdings will der Rat auch bereits in sieben Monaten Wahlen abhalten. Das Oppositionslager lehnt das ab. Dessen Anführer verlangen eine mehrjährige Übergangsphase, nach der dann Wahlen stattfinden. Die Opposition besitzt nach jahrzehntelanger Militärherrschaft noch nicht das Personal, die Büros und sonstige Infrastruktur, um bereits so schnell einen Wahlkampf zu führen.

Aufruf zum Ungehorsam

Die Protestbewegung scheint auch keinen Sinn mehr darin zu sehen, mit dem Militärrat zu verhandeln. Stattdessen hat sie zu zivilem Ungehorsam aufgerufen, um den Rat zu stürzen. Tatsächlich sollen sich in Khartum viele Bürger einem Generalstreik angeschlossen haben. Gleichzeitig sind aber bereits viele Rädelsführer des Aufstands, die nun um ihr Leben fürchten müssen, untergetaucht.

Die Lage in Khartum ist unübersichtlich, die Informationen aus der Stadt sind spärlich, da auch weite Teile des Internets gesperrt wurden. Angeblich sollen aber Hemetis Truppen immer mehr Straßen kontrollieren.

Dieser hat auch in Ausland gute Kontakte, vor allem in entscheidende Länder der Region. So unterstützen Hemetis Truppen die saudische Militärkoalition, die im Jemen Krieg führt.

Die Königsdiktatur Saudi-Arabien hat wie das vom Militär beherrschte Nachbarland Ägypten kein Interesse an großen Reformen im Sudan. Die USA und die EU, die den Sudan schon lange als Paria-Staat ansehen, haben wenig Einfluss. Und China, ein wichtiger Partner des Sudans vor allem im Ölgeschäft, will wohl vorrangig Stabilität. Auch diese Gemengelage spricht dagegen, dass das Victory-Zeichen noch zum Symbol einer erfolgreichen Revolution wird.