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Putschversuch in Äthiopien könnte alte Geister wecken

Von Konstanze Walther

Politik

Geht das Land am Horn von Afrika weiter den Weg der Reformen oder greift Ministerpräsident Abiy in den Werkzeugkasten seiner Vorgänger?


Addis Abeba. Hat die gelockerte Politik durch den Hoffnungsbringer, den amtierenden Premierminister Abiy Ahmed, den Putsch in Äthiopien ausgelöst? Das ist wohl die Frage, die sich viele ausländische Beobachter stellen: Zu oft habe man gesehen, wie in Staaten Gewalt ausbricht, die zuvor von einem repressiven Regime schon im Keim erstickt worden wäre.

Am Wochenende ist es in Äthiopien offenbar zu einem vereitelten Putschversuch gekommen, bei dem hochrangige Vertreter von Abiy getötet worden sind: ein Regionalpräsident und sein Berater sowie der Armeechef. Letzterer ist sogar von seinem eigenen Bodyguard erschossen worden.

Premierminister Abiy ist seit April 2018 im Amt und hat schon viel in Richtung westliche Demokratien verändert. Er beendete etwa die habituelle Anwendung von Gewalt und Repression seitens des Militärs und der Polizei gegenüber Andersdenkenden auf der Straße. Tausende politisch Inhaftierte wurden von Abiy freigelassen. Ins Ausland geflüchtete Oppositionelle kehrten nicht nur heim, sie durften auch Parteien gründen. Äthiopien kann bei den nächsten Wahlen wieder zwischen echten Alternativen wählen - lange hatte es nur Abiys Parteienkoalition zur Auswahl gegeben, den EPDRF.

Was das für Einzelne bedeutete, illustriert der Lebensweg des äthiopischen Oppositionspolitikers Berhanu Nega sehr anschaulich: Er protestierte schon in den 1970er Jahren gegen das Derg-Regime und musste schließlich aus dem Land fliehen.

Diese Militärjunta hatte zuvor den Kaiser gestürzt. Sie blieb offiziell bis Ende der 1980er Jahre an der Macht - inoffiziell machte der wichtigste Vertreter der Derg-Regierung, Mengistu Haile Mariam, als Regierungsoberhaupt weiter bis 1991, als er wiederum gestürzt wurde. Die Putschisten kamen damals aus einer Koalition, aus der später der EPDRF herausgehen sollte. Nega, der seit den 70er Jahren das Land verlassen hatte, kehrte zurück. Und stellte sich mehr als ein Jahrzehnt später, 2005, als Bürgermeister für die Hauptstadt Addis Abeba zu Wahl. Nega gewann. Aber die Wahl wurde von dem immer autoritärer handelnden EPDRF annulliert. Bei den anschließenden Protesten starben an die 200 Menschen. Nega wurde inhaftiert und erst 2007 freigelassen. Später gründete Nega im Ausland die Partei "Genbot 7" (der Name erinnert an die Proteste anlässlich der Bürgermeisterwahl). Nega kündigte einen "alles umfassenden Kampf" gegen die damals amtierende EPDRF-Regierung an. Das bedeutet auch, die Zuhilfenahme von Gewalt.

Doch mit dem Amtsantritt von Abiy, der innerhalb der Partei EPDRF aufgestiegen ist, schien alles anders: Nega kehrte zurück und gab die Parole aus, den gewaltsamen Kampf einzustellen. Er lobte Abiys Willen zu Reformen.

Fraglich ist, ob diese positive Stimmung Abiy gegenüber anhält - bei Nega wie auch anderen. Denn hinter dem Putschversuch soll kein anderer stehen als General Asaminew Tsige. Ein von Abiy ebenfalls befreiter, ehemaliger Polit-Häftling. Der übrigens, wie Nega, einer der Führer von Genbot 7 war.

Tsige wurde am Montag in der Region Bahir Dar im Nordwesten Äthiopiens erschossen. Es wird sich zeigen, ob es Abiy damit bewenden lässt.