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Schnupperstunde bei den Demokraten

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

In Miami finden Mittwoch und Donnerstag die ersten TV-Debatten der 20 demokratischen Präsidentschaftskandidaten statt. Für die meisten von ihnen stellen sie die erste, für andere die letzte Chance dar, sich der Parteibasis zu empfehlen.


Miami. Warnung oder Omen, das ist die Frage. Seit Wochen geistert durch die sozialen Medien der USA ein vier Jahre altes Umfrageergebnis, an das sich in normalen Zeiten kein Mensch mehr erinnern würde. Mit den normalen Zeiten - beziehungsweise dem, was man dafür hielt - ist es seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten freilich politisch wie zivilgesellschaftlich vorbei, und so schaut man heute mit ganz anderen Augen auf die Welt. Durchgeführt und veröffentlicht wurde besagte Umfrage im Juni 2015 von dem Fernsehsender NBC und dem "Wall Street Journal". Seinerzeit gab es nur einen einzigen Mann, der sich bei der Bewerbung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei für die Nachfolge Barack Obamas deutlich vom Rest des Felds abgesetzt hatte.

Sein Name lautete Jeb Bush, Gouverneur von Florida sowie Bruder von Ex-Präsident George W. und Sohn von George H. Bush. Mit 22 Prozent lag Jeb Bush signifikant vor seinem nächsten Widersacher, dem damaligen Tea-Party-Liebling und Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker (17 Prozent). Mehr oder weniger dicht dahinter: eine kurz zuvor vom "Time Magazine" als "personifizierte Zukunft der Republikanischen Partei" dargestellte Nachwuchshoffnung namens Marco Rubio (Senator von Florida, 14 Prozent) und ein Außenseiter, der noch nie ein politisches Amt innehatte, aber aufgrund seiner eindrucksvollen Biografie als ehemaliger Gehirnchirurg und extrem konservativer Ansichten als Geheimfavorit galt: Ben Carson (elf Prozent).

Am extremen unteren Ende der Skala fand sich ein gewisser Donald Trump, dem die Umfrage eine Wählerunterstützung von einem Prozent bescheinigte. Eineinhalb Monate nach Veröffentlichung dieser Zahlen fand in der Quicken Loans Arena zu Cleveland, Ohio, die erste Fernsehdebatte der republikanischen Kandidaten statt - und die Geschichte nahm ihren Lauf.

Nun hatten amerikanische Vorwahlkämpfe schon immer ihre eigene Dynamik. Trotzdem sind die Parallelen zu 2015, als binnen eines halben Jahres zuerst die konservative Politikwelt und dann die des Landes auf den Kopf gestellt wurde, zu dem, was sich vier Jahre später in der liberalen Reichshälfte abspielt, nicht von der Hand zu weisen.

Wegen der vielen Kandidaten treten zwei Gruppen an

Wirklich seriös lässt sich die Situation entsprechend nur so zusammenfassen: Niemand hat zum jetzigen Zeitpunkt auch nur irgendeine Ahnung, wie es am Ende ausgehen wird. Was den Druck für die einen erhöht - konkret für den demokratischen Ex-Vizepräsidenten und Umfragekaiser Joe Biden - und zeitgleich seine fast zwei Dutzend Konkurrenten Hoffnung schöpfen lässt: dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ihr Stern aufgeht.

Den ersten Aufschluss darüber wird Miami geben. Am Mittwoch 21 Uhr Ortszeit findet dort die erste Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten der Demokraten statt, der tags darauf die nächste folgt. Für die Mehrheit von ihnen stellen diese Debatten nicht weniger als die erste, für andere die letzte Chance dar, sich der Parteibasis zu empfehlen. Weil derart viele Kandidaten den Kampf mit Trump aufnehmen wollen, haben sich das Democratic National Committee (DNC) und sein diesmaliger Medienpartner NBC auf eine Beschränkung von zwei Gruppen je zehn festgelegt. Alle von ihnen mussten im Vorfeld nachweisen, dass sie in ausgesuchten landesweiten Umfragen entweder über einem Prozent liegen und/oder dass sie für ihren bisherigen Wahlkampf Geld von mindestens 65.000 verschiedenen Spendern bekommen haben, die wiederum aus mindestens zwanzig Bundesstaaten stammen.

Warren versus De Blasio, Biden versus Sanders

Die Gruppe der ersten zehn, die sich im Adrienne Arsht Center gegenüberstehen, wird von Elizabeth Warren angeführt, der Senatorin von Massachusetts. Ihr zur Seite stehen Cory Booker (Senator von New Jersey), Bill de Blasio (Bürgermeister von New York), Julián Castro (Ex-Wohnbauminister unter Obama, Texas), John Delaney (Ex-Abgeordneter im Repräsentantenhaus, Maryland), Tulsi Gabbard (Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Hawaii), Jay Inslee (Gouverneur von Washington), Amy Klobuchar (Senatorin, Minnesota), Beto O’ Rourke (Ex-Abgeordneter im Repräsentantenhaus, Texas) sowie Tim Ryan (Abgeordneter im Repräsentantenhaus, Ohio).

Die Runde am Donnerstagabend ist, wenn man so will, arrivierter. Ihr gehören Kaliber wie Barack Obamas einstiger Stellvertreter Joe Biden sowie Bernie Sanders (Senator, Vermont) an, ebenso Kamala Harris (Senatorin, Kalifornien), Pete Buttigieg (Bürgermeister, South Bend, Indiana), Michael Bennet (Senator, Colorado), Kirsten Gillibrand (Senatorin, New York), John Hickenlooper (Ex-Gouverneur, Colorado), Eric Swalwell (Abgeordneter im Repräsentantenhaus, Kalifornien), Andrew Yang (Unternehmer ohne jegliche politische Biografie, Kalifornien) und Marianne Williamson (Selbsthilfe-Bestsellerautorin ohne nennenswerte politische Biografie, Kalifornien).

Trump will Debatten live via Twitter kommentieren

Tiefgehende Diskussionen sind in Miami nicht zu erwarten. Weil die Veranstaltung für zwei Stunden veranschlagt ist, hat jeder Kandidat genau eine Minute Zeit, auf eine Frage der NBC-Moderatoren zu antworten - und nochmal 30 Sekunden, falls sie nachhaken. Zumindest einem Zuschauer wird das genug Material bieten, das er zu seinen Zwecken zu verwenden gedenkt. Donald Trump hat durchsickern lassen, dass er die Debatten möglicherweise live per Twitter kommentieren wird.