Zum Hauptinhalt springen

Der digitale Tummelplatz von Amerikas Rechtsextremen

Von Florian Richter

Politik

Die Online-Plattform 8chan gehört zu den dunkelsten Orten im Internet. Hier veröffentlichte auch der El-Paso-Attentäter sein Manifest.


Wien. "Leistet euren Beitrag und verbreitet diese Nachricht, meine Brüder!" Mit diesen Worten veröffentlichte der Attentäter von El Paso sein rassistisches Manifest auf der Online-Plattform 8chan. Wenige Minuten später metzelte er wahllos mehr als 20 Menschen in einem Einkaufszentrum nieder.

8chan gilt als einer der dunkelsten Orte der Internetwelt. Massenmörder werden hier verherrlichend als "Heilige" bezeichnet, während sich die User über den angeblich bevorstehenden Rassenkrieg den Kopf zerbrechen. Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungstheorien gehören auf 8chan zur Tagesordnung. Auch Kinderpornografie wurde hier mehrmals hochgeladen.

Nach den Attentaten in El Paso und Dayton soll damit vorerst Schluss sein. Der Internetdienstleister Cloudfare warf 8chan nach heftiger Kritik aus seinem Netzwerk und machte es damit anfällig für Cyberangriffe von Gegnern. Schon Tags zuvor war die Seite nicht mehr erreichbar.

8chan gilt schon seit langem als Sammelbecken für rechtsradikale Strömungen. Kein Wunder, wurde es doch als eine Art Utopie der Meinungsfreiheit gegründet, in der jeder seine Meinung preisgeben kann. Egal wie rassistisch, homophob oder antisemitisch.

Die Plattform wurde als Antwort auf die ähnlich organisierte Seite 4chan gegründet. Diese hatte sich vor rund fünf Jahren dazu entschlossen, ihre Foren strengeren Moderationsregeln zu unterwerfen, die User wanderten in der Folge im großen Stil zu 8chan ab. Weiße Nationalisten aus der Alt-Right-Bewegung fühlten sich auf der neuen Plattform dabei ebenso zu Hause wie Neo-Nazis und Holocaust-Leugner. Schließlich gab es auf 8chan, das zuletzt vom Amerikaner Jim Watkins von den Philippinen aus betrieben wurde, keinerlei Kontrollinstanz, die die Verbreitung der eigenen Ansichten verhindert hätte. Die wohl abscheulichsten Einträge finden sich in einem Board, das den Titel "pol/politically incorrect" trägt. Hier wurden bereits mehrere Manifeste von verschiedensten Amokläufern veröffentlicht und die Debatte darüber gleicht oft der Diskussion über ein Computerspiel. So werden Todesopfer von Amokläufern verglichen und Highscores erstellt. Viele Einträge beinhalten auch Hakenkreuze und andere rechtsextreme Symbole. Andere User posten wiederum eine scheinbare wahllose Auswahl von zerstückelten Leichen. Die amerikanische Nachrichten-Plattform Vox bezeichnet das Board daher bereits früher als "das Epizentrum des Hasses".

Alles ist erlaubt

Obwohl das Forum öffentlich zugänglich war, tauschte sich darin vor allem eine fest verschworene Gemeinschaft aus. Das Board ist voll von Insider-Witzen, Troll-Beiträgen und Nonsense-Postings. Sie sollen die Leser provozieren und ablenken. Aber vor allem sollen damit unerwünschte Gäste vertrieben werden. Regelmäßig wird zudem vor "glowniggers" gewarnt, also vor Beamten des FBI, die angeblich mitlesen.

Zwischen diesen Blendgranaten scheinen aber immer wieder rechtsextreme Theorien klar durch. So wurde im pol-Board auch das Manifest des Todesschützen von El Paso diskutiert. "Er ist einer von uns", kommentierte ein anonymer User. Ein anderer meinte, er hätte mehr Mexikaner erschießen sollen.

Die Rechercheplattform Bellingcat befasst sich seit mehreren Monaten intensiv mit 8chan. In einem vor kurzem veröffentlichten Artikel wird dabei ganz klar darauf hingewiesen, dass User sich auf der Plattform gegenseitig ermutigen, Amokläufe zu verüben, und Attentate zu realen Videospielen pervertiert werden. Als Beispiel wird dabei Brenton Tarrant, der Amokläufer von Christchurch, genannt. Er übertrug seinen Anschlag live im Internet und erstellte dazu eine Musikplaylist für seine "Fans".

Wie lange 8chan offline bleiben wird, ist nicht sicher. Der CEO von Cloudfare vermutet, dass sich ein anderer Provider ziemlich schnell finden wird. Dasselbe sei bei der Neonazi-Seite "The Daily Stormer" nach Charlottesville geschehen. Rechtlich ist es schwierig, sie endgültig zu verbieten. Die Gesetze zur Meinungsfreiheit in den USA sind mit die liberalsten der Welt, außerdem haften Internetseiten nicht für ihren Inhalt.