Zum Hauptinhalt springen

Rufzeichen im Wettlauf um die Arktis

Politik

Donald Trump hat mit seinem Vorstoß, Grönland kaufen zu wollen, nicht nur in Dänemark für Kopfschütteln gesorgt. Doch er ist nicht der erste US-Präsident, der die geostrategisch wichtige Insel erwerben will - und er hat Gründe dafür.


Washington/Kopenhagen. Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt 2017 oft genug bewiesen, wie unkonventionell er agieren kann. Der US-Präsident gilt als schwer berechenbar, Überraschungen sind jederzeit möglich. Die Meldung, die vorige Woche via "Wall Street Journal" die Runde machte, hielten dann aber doch viele Beobachter erst einmal für einen Scherz: Trump, schrieb das Blatt, erwäge den Kauf Grönlands durch die USA. Die Wirtschaftszeitung war sich aber nicht ganz sicher: Es könnte auch ein Witz sein, nach dem Motto: Ich, der ich die Nummer eins weltweit bin, könnte auch ein Land kaufen. Doch Trump meinte es ernst und bestätigte am Sonntag seine Kaufabsicht der autonom regierten Insel, die zu Dänemark gehört. Ein Kauf wäre "sicherlich strategisch interessant" und "im Grunde genommen ein großes Immobiliengeschäft".

Grönland, die größte Insel der Welt, ist geostrategisch tatsächlich von großer Bedeutung. Seit den 1950er Jahren betreiben die USA im Nordwesten der Insel einen Militärflugplatz. Russland erhebt Ansprüche auf weite Teile der Arktis und schickt seine Langstrecken-Militärflugzeuge hin. Die geographische Lage Grönlands inmitten der begehrten Arktis macht die nur spärlich bewohnte Insel interessant.

Dänemark-Reise abgesagt

Und Grönland birgt auch jede Menge Bodenschätze. In den letzten Jahren hat zwischen den Anrainerstaaten der Arktis der große Wettlauf um die Rohstoffe in der letzten noch unerschlossenen Weltregion mit großem ökonomischem Potenzial begonnen.

Selbst China, das sich selbst als Arktis-Anrainerstaat sieht, mischt dabei mit. So hat sich Peking bereits Vorkommen von seltenen Erden in Grönland gesichert. Durch den Klimawandel schmilzt das arktische Eis, für die Schifffahrt in dem Gebiet tun sich neue Handelsrouten auf. Da ist es kein Wunder, dass Trump im Kampf um US-Dominanz in der Arktis mit einem für ihn geradezu typischen Schachzug aufwartet.

Freunde hat er sich damit in Dänemark freilich keine gemacht. Und das nicht nur wegen seines undiplomatischen Vorstoßes, sondern auch wegen der Absage seines Dänemark-Besuchs, die auf dem Fuß folgte. Trump hätte eigentlich geplant gehabt, nach seinem Polenaufenthalt Anfang September nach Dänemark zu reisen.

Daraus wird jetzt aber nichts: Der US-Präsident hat seinen Besuch in Kopenhagen auf unbestimmte Zeit verschoben, nachdem Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen kein Interesse an einem Verkauf Grönlands gezeigt hatte. Der übrigens völkerrechtlich ohnehin nur schwer möglich ist: Die Insel genießt seit 1979 weitgehende Autonomierechte, die Einwohner Grönlands, die auch das Recht auf Unabhängigkeit haben, müssten also zustimmen.

In Dänemark schütteln jetzt viele den Kopf. "Eine Überraschung" nannte das Königshaus die Absage der Reise. Morten Oestergaard von der Sozialliberalen Partei sagte: "Die Realität übertrifft die Vorstellungskraft - dieser Mann ist unberechenbar." Der Grönland-Beauftragte der Konservativen, Rasmus Jarlov, nannte Trumps Verhalten "beleidigend" und stellte die rhetorische Frage: "Stehen denn Teile der USA zum Verkauf? Alaska? Erweisen Sie uns doch ein bisschen Respekt!" Fredericksen hingegen gab sich zurückhaltend und sprach nur davon, dass sie die Nachricht "mit Bedauern und Überraschung" aufgenommen habe.

Tatsächlich ist der Trump-Vorstoß in historischer Sicht nicht so verrückt, wie es vielleicht den Anschein haben mag: Schon in den 1860er Jahren gab es einen ersten Versuch der USA, Grönland zu kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte US-Präsident Harry Truman die Insel erwerben, in den Siebziger Jahren soll Nelson Rockefeller, republikanischer US-Vizepräsident unter Gerald Ford, mit dem Gedanken gespielt haben. Überhaupt haben die USA bereits öfter Territorien "eingekauft" - auch von Dänemark: 1917 wechselten die heutigen amerikanischen Jungferninseln, die östlich von Puerto Rico in der Karibik liegen, um 25 Millionen Dollar den Besitzer - ein Betrag von heute rund 422 Millionen Euro. Der Grund: Die USA brauchten im Ersten Weltkrieg, in den sie eben eingetreten waren, einen Militärstützpunkt in der Region.

Alaska für einen Spottpreis

Bekannter und auch viel folgenreicher für das, was sich im 20. Jahrhundert ereignete, ist der Kauf Alaskas durch die USA. Der ging 1867 über die Bühne. Das Land nahe dem ewigen Eis, das vor dem Deal zu Russland gehörte, war damals nicht mehr sonderlich begehrt: Eine Reise von der russischen Hauptstadt St.Petersburg ins entlegene Alaska dauerte mehr als ein halbes Jahr. Das früher recht einträgliche Geschäft der Pelz- und sonstigen Jäger florierte nicht mehr so richtig: Viele Tiere, etwa die Seeotter, waren ob der intensiven Jagd fast völlig ausgerottet. Also zogen sich die russischen Jäger und Abenteurer, die sich nur temporär in Alaska aufhielten, aus dem Gebiet wieder zurück.

Währenddessen blieb die Zahl der russischen Siedler im - aus Petersburger Sicht - sehr fernen Osten konstant niedrig und lag auch in den besseren Zeiten kaum über 800. Nach der Niederlage im Krimkrieg gegen Großbritannien und Frankreich in den 1850er Jahren, die Russlands technologischen Rückstand offenlegte, schwand das Interesse Petersburgs an Alaska endgültig: Es wurde klar, dass Russland sein entlegenes Territorium gegen einen Angriff der Seemacht Großbritannien niemals verteidigen würde können. Also entschloss sich Zar Alexander II., der für seine Reformen Geld brauchte, zum Verkauf. Nachdem laut Berichten zunächst Liechtenstein das Kaufangebot unterbreitet wurde, das Fürstentum allerdings ablehnte, ging Alaska dann 1867 für damals 7,2 Millionen Dollar an die USA.

Der Betrag von heute umgerechnet 120 Millionen Dollar war nicht nur ein Spott-, sondern auch ein Freundschaftspreis: Russland und die USA hatten damals im Britischen Weltreich einen gemeinsamen Gegner, die Rivalität der späteren Supermächte des 20. Jahrhunderts konnte man noch nicht erahnen. Der Kalte Krieg hätte mit einer inneramerikanischen Frontlinie wohl eine andere Dimension bekommen.

Auch hatte man 1867 keine Ahnung von den Gold- und Erdölvorkommen, die auf dem Territorium Alaskas später entdeckt wurden - und die das Gebiet heute zu einem reichen US-Bundesstaat machen. Und zwar nicht nur in Petersburg, sondern auch in Washington: Der von Außenminister William Seward vorangetriebene Kauf war nämlich in den USA keineswegs populär. Die Presse spottete über "Sewards Eiskiste" und bezeichnete den Deal als "Dummheit" und Verschwendung von Steuergeldern.

Ihr größtes Schnäppchen machten die USA aber mit einem anderen Vertrag: mit dem Kauf der ehemaligen französischen Kolonie Louisiana im Jahr 1803 - einem Gebiet, das damals viel größer war als der heutige US-Bundesstaat Louisiana. Es umfasste die gesamte Mitte der heutigen USA bis hinauf zur kanadischen Grenze. Der wohl größte Grundstückskauf der Geschichte verdoppelte das damalige Territorium der USA.

Dabei fing alles klein an: US-Präsident Thomas Jefferson wollte nur die Gegend um New Orleans kaufen, um den dortigen Hafen weiter nutzen zu können - um maximal 10 Millionen Dollar. Doch dann wurde seinen Unterhändlern in Paris von Napoleon das riesige Gebiet vom Mississippi bis zu den Rocky Mountains um 15 Millionen Dollar angeboten - die Unterhändler, die zu einem solchen Kauf eigentlich gar nicht autorisiert waren, stimmten verblüfft zu.

Welchen Grund hatte der spätere Kaiser Napoleon, seine amerikanischen Besitzungen so billig zu veräußern? Er brauchte Geld für seine Feldzüge in Europa und sah eine starke USA als Puffer gegen die britischen Rivalen - vor allem dann, wenn es zum Entscheidungskampf zwischen Frankreich und Großbritannien kommen würde.

Österreichs Arktis-Abenteuer

Auch Österreich hatte übrigens kurz in der Arktis seine Spuren hinterlassen: Im Jahr 1873 hatte die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition, die das nördliche Eismeer erkunden sollte, erstmals das heutige Franz-Josef-Land im Nordpolarmeer betreten und die Inselgruppe nach dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I. benannt. An eine echte Inbesitznahme des Gebiets war damals freilich nicht zu denken. Seit den 1920er Jahren gehörte Franz-Josef-Land zur Sowjetunion, heute zu Russland. (leg)