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Gerangel am Horn von Afrika

Von WZ-Korrespondent Markus Schauta

Politik

Rohstoffe, Märkte, politische Interessen: Konflikte des Nahen und Mittleren Ostens finden in Afrika ihre Fortsetzung.


Dschibuti/Wien. Die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, allen voran Saudi-Arabien, die Türkei und der Iran, investieren Milliarden US-Dollar in Subsahara-Afrika. Sie bauen Häfen und Militärbasen, Krankenhäuser, Schulen und Moscheen.

Dabei nutzen diese Länder oft Beziehungen und Kontakte, die schon seit Jahrzehnten bestehen, wie Jens Heibach vom Giga Institut für Nahost-Studien in Hamburg feststellt. Der Iran hat seit der "Islamischen Revolution" von 1979 und den darauf folgenden Sanktionen seine Beziehungen zu afrikanischen Staaten wie Südafrika intensiviert. Die Türkei erschließt seit den 1990ern und verstärkt seit der Machtübernahme durch die AKP im Jahr 2002 Absatzmärkte in Subsahara-Afrika.

Saudi-Arabien setzt seit dem arabisch-israelischen Krieg von 1967 auf gute Beziehungen zu Afrika, zunächst um Israel zu isolieren. Absatzmärkte spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. "Es geht aber auch um Bündnispartner, die man für die Durchsetzung politischer Ziele in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie auf internationaler Ebene braucht", so Heibach. Und es gehe um Ressourcen, von Rohstoffen bis zu Nahrungsmitteln.

Königreich ohne Ackerland

Nahrungsmittelsicherheit spielt vor allem für Saudi-Arabien eine wichtige Rolle. Denn Ackerland und Wasser sind knapp im Wüstenstaat. Und das, obwohl Saudi-Arabien der größte Produzent von aufbereitetem Meerwasser ist. Seit Jahren setzt das Königreich daher bei Feigen, Trauben, Alfalfa, Gemüse und Zitrusfrüchten auf ökologische, wassersparende Landwirtschaft. War Saudi-Arabien bis vor zehn Jahren noch ein führender Exporteur von Weizen, wird heute der Großteil des Weizens importiert. Zu wasserintensiv ist der Anbau des Getreides. Trotzdem verbraucht Saudi-Arabien laut einem aktuellen UN-Bericht mehr als 82 Prozent des verfügbaren Wassers für Bewässerung und Tierhaltung (in vollklimatisierten Ställen werden zehntausende Kühe gehalten).

2013 musste der Staat 80 Prozent der benötigten Nahrungsmittel importieren. Darunter Gerste, Weizen, Reis, Hühner und Schafe. Und die Bevölkerung wächst; glaubt man den Statistiken, von aktuell 34 Millionen auf 46 Millionen im Jahr 2050. "Brot-Aufstände" seien in der arabischen Welt keine Seltenheit, so Heibach. Insofern wisse man in Riad um die Bedeutung von Nahrungsmittelsicherheit. "Riad hat lange versucht, ein gewisses Grad an Autarkie in diesem Bereich zu erreichen, was nicht gelang angesichts der klimatischen Bedingungen und des damit einhergehenden hohen Wasserverbrauchs." Die Monarchie lagert daher einen Teil der Produktion landwirtschaftlicher Güter aus: Saudische Firmen bauen Reis auf den Philippinen an, betreiben Rinderfarmen in Kalifornien und Weizenfelder in der Ukraine.

Und die Regierung motiviert saudische Unternehmen durch Subventionen, sich in Afrika zu engagieren. So werden von Südafrika über den Senegal bis Äthiopien mit saudischem Geld Bewässerungsanlagen aufgebaut, Traktoren und Erntemaschinen angeschafft, Düngemittel, Straßen und Kühlhäuser finanziert, um Lebensmittel für Saudi-Arabien zu produzieren. "Dieser Ansatz ist höchst umstritten", sagt Heibach. Denn die Gefahr sei groß, dass für die lokale Bevölkerung die Versorgung nicht mehr sichergestellt werden könne.

Im Jahr 2016 unterzeichneten Khartum und Riad einen Vertrag, wonach Saudi-Arabien mehr als 400.000 Hektar Ackerland im Sudan bebauen darf, eine Fläche so groß wie das Burgenland. Laufzeit der Pacht: 99 Jahre. Unter den guten Beziehungen zum Königshaus litten jene zum Iran. Khartum wies iranische Diplomaten aus. Iranische Waffenlieferungen vom Sudan an die Hamas gingen seit 2016 drastisch zurück. Statt dessen unterstützt der Sudan Saudi-Arabien im Jemen-Krieg. Die Monarchie setzt sich im Gegenzug für eine Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen den Sudan ein.

Neben der Produktion von Lebensmitteln und Agrargütern geht es Saudi-Arabien bei seinem Afrika-Engagement aber natürlich auch um traditionelle geostrategische Interessen. So zählt die knapp 27 Kilometer breite Meerenge Bab el-Mandeb zwischen dem Jemen auf der einen und Eritrea und Dschibuti auf der anderen Seite zu den wichtigsten Schifffahrtswegen vom Indischen Ozean ins Mittelmeer. 2016 wurden auf dieser Route fünf Millionen Barrel Öl pro Tag befördert. Saudi-Arabien und die verbündeten Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) konnten ihren Einfluss in Äthiopien, Eritrea und Dschibuti durch Militärbasen und diplomatische Beziehungen sichern. Diesen Einfluss nutzte Saudia-Arabien 2018, um Eritrea und Äthiopien zu einem Friedensvertrag zu bewegen. Nach zwei Jahrzehnten Krieg sind die Grenzübergänge zwischen den Ländern nun wieder geöffnet. "Riad kann durchaus Anreize setzen, um Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen und Gespräche positiv beeinflussen", sagt Heibach.

Chinesische Basis in Dschibuti

Andererseits verfolge Riad eigene Interessen in der Region, die nicht unbedingt zur Stabilisierung beitragen würden. Zu denen zählt auch der Konflikt mit dem Emirat Katar, das gemeinsam mit dem Bündnispartner Türkei am Horn von Afrika diplomatisch und militärisch aktiv ist. "Die Gefahr ist groß, dass sich hegemoniale Auseinandersetzungen des Nahen und Mittleren Ostens in Afrika reproduzieren", sagt Heibach.

Gleichzeitig zeichnen sich aber auch schon neue Konfliktlinien ab. So hat China bereits 2017 einen Marinestützpunkt in Dschibuti eingeweiht. Die erste ausländische Militärbasis der Volksrepublik liegt damit in direkter Nachbarschaft zu Stützpunkten der Türkei, der USA, Italiens, Japans und des ehemaligen Kolonialherren Frankreich.