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Friedensforscher: "Wenn man unsere Maßstäbe anlegt, wird es schwierig"

Von Michael Schmölzer

Politik
Thomas Roithner, Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft in Wien, im WZ-Interview.
© privat

Der Friedensforscher Thomas Roithner über die Paktfähigkeit der Taliban und einen US-Präsidenten, der die Eskalation liebt.


US-Präsident Donald Trump hat die Verhandlungen mit den Taliban abgebrochen. Die "Wiener Zeitung" hat dazu mit dem Friedensforscher Thomas Roithner gesprochen.

"Wiener Zeitung": Ist es generell sinnvoll, mit den Taliban Friedensverhandlungen zu führen? Sind sie überhaupt paktfähig?

Thomas Roithner: Da muss man auch die Frage stellen, ob Kim Jong-un in Nordkorea paktfähig ist. Wenn man unsere westlichen Maßstäbe anlegt, wird es schwierig. Wenn Nordkorea ausgerichtet wird, es möge sein Atomwaffenprogramm einstellen, dann erst verhandeln wir weiter, dann wird ein Pakt nicht zustande kommen. Bei den Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban muss man abschätzen, was erreicht werden kann. Es sollte nicht geschaut werden, was man für die eigenen geopolitischen und ökonomischen Interessen herausholen kann, um den Widersachern entlang der Seidenstraße das Leben schwer zu machen. Man müsste in den Mittelpunkt rücken, was man für Menschen, die seit Jahrzehnten mit Krieg konfrontiert sind, leisten kann. In den Bereichen Bildung und Gesundheit etwa.

Man kann Trump unterstellen, dass es ihm nicht in erster Linie um die notleidende Bevölkerung Afghanistans geht, sondern darum, einen für die USA nicht mehr gewinnbaren Krieg, der bei der US-Bevölkerung unbeliebt ist, zu beenden. Überhaupt scheint der unmittelbare Griff zu den Waffen nicht Trumps oberste Priorität zu sein?

Krieg ist immer ein Mittel der Politik. Wenn er seine Ziele anders erreichen kann, dann ist das Trump sehr recht. Sieht man sich seine Politik gegenüber China an, wird klar, dass er ständig an der Eskalationsschraube dreht, um seine Interessen entsprechend durchzusetzen. Da ist er auch bereit, mit den transatlantischen Akteuren ein Stück weit zu brechen. Er hat das wesentlich energischer eingefordert als seine Vorgänger im Amt.

Trump ist offenbar als Präsident in erster Linie Geschäftsmann. Da ist der Griff zur Waffe nicht das erste Mittel der Wahl. Denn Gelegenheiten hätte es für Trump schon gegeben. Es scheint, er liebt die Zurschaustellung seiner militärischen Macht, aber das ist es dann.

Trump liebt es, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Man hat das sehr schön auf diversen Gipfeln gesehen, wo er andere Politiker weggeschoben und sich selbst in die erste Reihe gestellt hat. Das spielt bei ihm eine ganz große Rolle. Im Iran und in Nordkorea stellt sich die Situation heute ganz anders dar als im Irak 2003. Der Irak stand mehr als zehn Jahre lang unter Wirtschaftssanktionen. Auch von der Mentalität und Größe ist das ein anderer Akteur. Und Nordkorea ist vor allem sehr unberechenbar.

Nicht vergleichbar also.

Es ist spekulativ, wenn man fragt, wie ein Präsident Trump 2003, als die USA den Irak angegriffen haben, reagiert hätte. Aber man kann nicht sagen, dass Trump friedensgeneigter ist, weil er den Iran nicht angegriffen hat. Da ist einfach ein Unterschied.

Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft in Wien.