Zum Hauptinhalt springen

Boltons Abgang sorgt für Aufatmen im Mittleren Osten

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Der Hardliner und Trump-Berater muss gehen. Im Iran und Irak herrscht Feierstimmung.


Bagdad. Der weiße Oberlippenbart und die kalten Augen sind sein Markenzeichen. Wo immer sie auftauchten, hielten viele den Atem an. John Bolton gilt als Architekt des Irak-Krieges 2003, als er Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit bei US-Präsident George W. Bush war. Jetzt, unter Donald Trump, ist der 70-Jährige wesentlich verantwortlich für die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran sowie für Sanktionen und die Strategie des "maximalen Drucks" auf Teheran.

Bolton war über Jahre einer der streitbarsten Politiker Amerikas, ein Neo-Konservativer, obwohl er diese Bezeichnung immer zurückwies. Nun ist der Nationale Sicherheitsberater der USA von seinem Chef rausgeschmissen worden. Großer Jubel herrscht bei den iranischen Revolutionsgarden und bei der libanesischen Hisbollah. Auch im Irak feiern die Schiitenmilizen, die sogenannten Hashd al Shaabi.

Entzweiung mit Trump

Doch den Ausschlag für den Rausschmiss gaben nicht etwa die fragwürdige Iranpolitik oder der verfehlte Irakkrieg, sondern die neuerlichen Vorkommnisse in Afghanistan. Mike Pompeos Außenministerium hatte in den vergangenen Monaten mit Trumps Segen einen umstrittenen Friedensvertrag mit den Taliban ausgehandelt, den der US-Präsident am vergangenen Wochenende in Camp David besiegeln wollte. Hardliner Bolton war strikt dagegen. Tatsächlich sagte Trump das Treffen letztlich ab. Doch es war wohl eine Meinungsverschiedenheit zu viel. Die Strategien und Prioritäten von Bolton passten wohl nicht zu denen des Präsidenten. Das lässt viele auf einen Kurswechsel hoffen.

Wie hochexplosiv die Stimmung im Nahen und Mittleren Osten ist, haben die vergangenen Wochen gezeigt. Schon atmeten die Menschen im Iran, Irak, Syrien und auch im Libanon auf, als der französische Staatspräsident Emmanuel Macron es mit einem geschickten Schachzug schaffte, eine gewisse Entspannung zwischen Teheran und Washington zustande zu bringen. Beide Seiten wollen sich treffen, unter der Vermittlung Frankreichs.

US-Präsident Donald Trump war auf der unerwartet positiven Pressekonferenz im französischen Biarritz Ende August davon angetan, bald Irans Präsidenten Hassan Rohani die Hand zu schütteln. Vorher war sein Außenminister zum G7-Treffen geladen worden. Mohammed Dschawad Sarif gilt seitdem im Iran als Held. Denn die US-Regierung hat gegen sein Land und neuerdings auch gegen ihn Sanktionen verhängt. Er darf nur noch zur UNO nach New York. Ansonsten kann er amerikanischen Boden nicht mehr betreten. Außerdem sollen seine Vermögenswerte in den USA eingefroren werden. US-Bürgern sind jegliche Geschäfte mit ihm untersagt.

Auch hier hatte Hardliner Bolton heftig an der Schraube gedreht. Sarif indes kommentierte diesen Schritt mit einem Schmunzeln: Er habe überhaupt kein Vermögen in den USA. Peinlich für Trump und Co. Ganz besonders für Bolton.

Dass seine Strategie des "maximalen Drucks" gegen den Iran nicht aufgeht, wird indes immer offensichtlicher. Der lange Wochen vor Gibraltar festgehaltene iranische Öltanker "Grace1" hat schließlich seine Destination Syrien erreicht, obwohl die USA genau das verhindern wollten. Syrien ist wie der Iran mit US-Sanktionen belegt. Die Amerikaner wollen erreichen, dass das Ajatollah-Regime kein Öl mehr verkaufen kann. Doch China kauft fleißig weiter und auch sonst wird iranisches Öl in alle Welt verschifft, oft unter anderen Flaggen. Eine Agentur in der Schweiz, die in den Jahren des IS-Kalifats mit dem Öl der Dschihadisten handelte, verkauft jetzt das schwarze Gold aus dem Iran.

Der Irak profitiert am meisten

Wer allerdings am meisten von den US-Sanktionen gegen Teheran profitiert, ist der Irak. Bisher ist das Zweistromland von den Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlung gegen die verhängten Sanktionen ausgenommen, da Iraks Energieversorgung eng mit dem Nachbarland verbunden ist und ohne die Lieferungen aus dem Iran nicht überleben kann.

Da Dollargeschäfte unter den Sanktionen nicht mehr erlaubt sind, wird jetzt in Naturalien oder Euro bezahlt. Schmuggler bringen alles über die Grenze, was tragbar und fahrbar ist. Im Nordirak sind ganze Kolonnen von Trägern unterwegs, die alles, vom Computer über die Waschmaschine bis zum Kühlschrank, buchstäblich über die kurdischen Berge in den Iran tragen.

In Basra, Iraks Südmetropole, liegen so viele Containerschiffe im Hafen wie noch nie. Lastwagen stehen bereit, um die Fracht direkt weiter zu transportieren über die neue Brücke über den Schatt-al-Arab. Von hier sind es nur 30 Kilometer bis zur iranischen Grenze. Ein lukratives Geschäft für die Schiitenmilizen, deren Hauptsitze in Basra liegen und die etwa 140.000 Kämpfer zählen.

Kein Wunder also, dass in Basra gerade Feierstimmung herrscht. Mit Boltons Abgang sei die Kriegsgefahr ein wenig schwächer geworden, sagen viele Iraker. Doch eine gewisse Skepsis bleibt. Dafür hat das Land schon zu viele Kriege erlebt.