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Worum geht es eigentlich beim Impeachment-Verfahren?

Von Michael Schmölzer und Konstanze Walther

Politik

Trump wollte von Ukraine Ermittlungen gegen Joe Biden. Erste Schritte für ein Amtsenthebungsverfahren sind gesetzt.


Lange wurde in den USA und der Welt gerätselt, ob es kommt und wann es kommt: Ein Amtsenthebungsverfahren, Impeachment, gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump. Doch worum geht es eigentlich?

  • Was ist Gegenstand der Untersuchungen gegen Trump?

US-Präsident Donald John Trump sieht sich mit dem Vorwurf des Machtmissbrauchs konfrontiert, der Kongress hat Ermittlungen aufgenommen. Die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, fordert, dass der Präsidenten "zur Rechenschaft gezogen" werde. Konkret steht der Verdacht im Raum, Trump habe in einem Telefonat mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Freigabe von Hilfsgeldern, 400 Millionen Dollar an die Lieferung von kompromittierenden Informationen über den Sohn des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Joe Biden geknüpft. Damit, so Pelosi, habe Trump "Verrat an seinem Amtseid" begangen und die nationale Sicherheit gefährdet.

  • Wie lautet die Entgegnung Trumps?

Der Präsident spricht von "Hexenjagd-Müll". Das Telefonat mit Selensky sei "völlig angemessen" gewesen. Die Demokraten würden die Präsidentschaftswahl 2020 trotzdem verlieren.

  • Welche Hürden muss ein Impeachment-Verfahren nehmen?

Die Hürden für eine Amtsenthebung des US-Präsidenten sind hoch, die unmittelbaren Erfolgsaussichten schlecht. Der amerikanischen Verfassung zufolge kann ein Präsident nur von einer Mehrheit beider Parlamentskammern des Kongresses des Amtes enthoben werden. Als Gründe dafür nennt die Verfassung "Verrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen" - eine nähere Definition gibt es nicht.

Eigentlich bezeichnet das Impeachment lediglich die Anklageerhebung durch das Repräsentantenhaus. Dort werden zunächst im Justizausschuss erste Schritte eingeleitet. Später verabschiedet die gesamte Kammer mit einfacher Mehrheit eine Liste von Anklagepunkten und leitet sie an den Senat weiter, dem die Funktion eines Gerichts zukommt. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs leitet das Verfahren, einer Verurteilung müssten am Ende zwei Drittel der anwesenden Senatoren zustimmen. Nach Angaben des Senats ist keine Berufung vorgesehen.

Weil die oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von 235 der 435 Sitze haben, könnten sie das Amtsenthebungsverfahren im Alleingang einleiten. Im Senat haben Trumps Republikaner 53 der 100 Sitze. Die 45 Demokraten bräuchten somit - neben der Unterstützung der beiden unabhängigen Senatoren - die stimmen von 20 Republikanern, um Trump zu verurteilen. Sollte Trump abgesetzt werden, würde sein Vize Mike Pence bis zum 20. Jänner 2021 den Posten des US-Präsidenten einnehmen.

  • Wann kann mit Ergebnissen gerechnet werden?

Das könnte Monate dauern. Bei dem Impeachment-Verfahren gegen Bill Clinton stimmte im Oktober das Repräsentantenhaus für die Amtsenthebung. Erst im Jänner des darauffolgenden Jahres hat der Senat darüber beraten.

  • Wie viele US-Präsidenten mussten sich bisher einem Impeachment-Verfahren stellen?

Erst zwei. Der Demokrat Andrew Johnson war 1868 der erste Präsident, der Demokrat Bill Clinton war 1998/1999 der zweite. Beide Amtsenthebungsverfahren sind an einer fehlenden Mehrheit im Senat gescheitert. Johnson wurde übrigens die Neubesetzung des Kriegsministeriums zum Verhängnis (die er ohne den Kongress durchbringen wollte). Gegen Clinton wurde eine Klage der sexuellen Belästigung von Paula Jones erhoben. Während des Verfahrens stritt er ein Verhältnis mit Monica Lewinsky ab. Damit habe er unter Eid gelogen und die Justiz behindert. Gegen den Republikaner Richard Nixon wurde wegen des Watergate-Skandals (Behinderung der Justiz) auch ein Impeachment-Verfahren eingeleitet, Nixon trat aber zurück, sodass der Senat niemals über ihn abstimmen musste.

  • Trump hat bereits in der Vergangenheit viel Kritik auf sich gezogen. Warum werden die Demokraten gerade jetzt tätig?

Die Demokraten sind bereits voll im Wahlkampf-Modus. Sie wollen unbedingt verhindern, dass Trump nach dem 3. November 2020 weitere vier Jahre im Amt bleibt. Joe Biden gilt als der Mann mit den besten Chancen auf eine Präsidentschafts-Kandidatur. Anlass und Zeitpunkt scheinen aus Sicht der Demokraten günstig, den Präsidenten auszuhebeln. Sie wollen dem Wähler Trumps Skrupellosigkeit vor Augen führen.