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Was geschieht mit IS-Kriegsgefangenen im Kurdengebiet?

Von Thomas Seifert

Politik
Maria G. hat sich 2014 dem IS angeschlossen.
© privat

Die Eltern von Maria G., die in einem kurdischen Camp interniert ist, drängen das Außenministerium auf rasche Rückholung ihrer Enkel.


Erbil/Wien. Nach dem Einmarsch türkscher Truppen im mehrheitlich kurdisch besiedelten Teil Syriens sind die Angehörigen der in einem kurdischen Kriegsgefangenenlager internierten jungen Salzburgerin in großer Sorge: "Wir fürchten um die Sicherheit unserer Tochter Maria und ihrer zwei Enkel, den eineinhalbjährigen Muhammad und den vier Jahre alten Isa. " Maria G. wurde von kurdischen Milizen in IS-Territorium aufgegriffen und als IS-Sympathisantin betrachtet.

Die österreichischen Behörden wollten vor der Rückholung der Kinder von Maria G. einen DNA-Test, um sicherzugehen, dass Muhamad und Isa auch tatsächlich die Kinder von Maria G. und somit österreichische Staatsbürger sind. "Dieser DNA-Test hat die Rückholung unserer Enkel bisher verzögert", sagt der Vater, Markus G. "Dabei wissen wir doch, dass das unsere Enkelkinder sind." Die beiden Eltern von Maria G. sind verzweifelt, sie bitten die österreichischen Behörden im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", angesichts der drohenden Kampfhandlungen rasch eine Lösung zu finden. "Vielleicht kann man Maria und unsere Enkelkinder zumindest nach Erbil aus der Gefahrenzone bringen", hofft die Mutter Susanna G.

Tochter Maria G. hatte sich 2014 dem Islamischen Staat angeschlossen und einen Syrer geheiratet. Die Eltern haben im Winter 2017 den verzweifelten Versuch unternommen, ihre Tochter zurück nach Österreich zu schleusen. 6000 Euro hat die Mutter damals dafür bezahlt, doch die Rückholaktion scheiterte. Woraufhin sich die Mutter von Maria G. im Juni dieses Jahres wegen des Verdachts auf Terrorismusfinanzierung verantworten musste - sie wurde freigesprochen. Das Geld habe einzig dazu gedient, der Tochter eine Rückkehr nach Österreich zu ermöglichen, urteilte die Richterin.

Gegen die 23-jährige Maria G. besteht in Österreich seit dem Jahr 2015 ein Haftbefehl: Gegen sie wird wegen des Verdachts der Mitgliedschaft an einer Kriminellen Organisation (Paragraf 278a StGB) und der Mitgliedschaft bei einer terroristischen Vereinigung (Paragraf 278b) ermittelt.

Die Eltern von Maria G. haben erst vor wenigen Monaten wieder versucht, ihre Tochter und ihre Enkelkinder nach Österreich zu bringen, und haben sie im Camp besucht. Eine weitere 20-jährige Frau aus Österreich ist mit ihrem kleinen Sohn im Camp Roj in Nordsyrien interniert.

Und erst vor wenigen Tagen ist es dem österreichischen Außenministerium gelungen, die beiden jungen Söhne der mutmaßlich in Syrien ums Leben gekommenen Sabina S. aus dem Lager Al-Hol nach Österreich zu holen, wo sich nun ihre Großmutter Senada S. um sie kümmert. Die Wienerin Sabina S. war im Jahr 2014 erst 15-jährig mit ihrer Freundin Samra K. nach Syrien in den Dschihad gezogen.

Der Anwalt der Familie S., Clemens Lintschinger, sparte nicht mit Kritik am Außenministerium: Dort habe man sich mit der Rückholung "zu lange Zeit gelassen".

Thomas Schmidinger, ein ausgewiesener Experte für die Region, drängt auch im Fall der Kinder von Maria G. zur Eile: "Die kurdischen Kämpfer haben ihre Präsenz im Lager Al-Hol bereits reduziert. Nun könnte dort ein Aufstand der IS-Kriegsgefangenen drohen. Zweites Szenario: Die Türkei könnte das Gefangenenlager in die Hände bekommen und es könnte dabei zu einer irregulären Freilassung von Kriegsgefangenen kommen. Drittens: Die Kurden übergeben die Lagerinsassen an das Assad-Regime, das weniger menschlich mit den Gefangenen umgeht, als die Kurden das getan haben."