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Jenseits von Paris: Kaum Staaten beim Klimaschutz auf Kurs

Von Ronald Schönhuber

Politik

Seit dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen wollen die restlichen Länder noch entschlossener gegen die Erderwärmung kämpfen. Doch das Gros der von den Staaten vorgelegten Klimaschutzpläne ist unzureichend.


Als Donald Trump am 1. Juni 2017 nach einer kurzen Ansprache wieder hinter der Terrassentür des Weißen Hauses verschwand, hatte er ein zentrales Versprechen an seine Wähler eingelöst. Das Pariser Klimaschutzabkommen, das 2015 in der französischen Hauptstadt unter so großen Mühen erstritten wurde, sollte den USA nicht mehr unfaire Fesseln anlegen und den wirtschaftlichen Aufschwung behindern. Dafür sollten Kohle und Öl die dann von "schädlichen Zwängen" befreiten Vereinigten Staaten wieder groß machen.

Mit der Ankündigung im Juni 2017 konnte der US-Präsident allerdings nur einen ersten Schritt setzen. Denn formal bei den Vereinten Nationen einreichen konnte die US-Regierung die Kündigung des Pariser Abkommens erst am gestrigen Montag. Und auch dann muss sich Trump noch gedulden. Endgültig in Kraft tritt der Austritt nämlich erst in einem Jahr.

Die Gewichte in der internationalen Klimadiplomatie haben sich aber ohnehin schon längst verschoben. So sind in den vergangenen drei Jahren Bundesstaaten, Städte und Unternehmen in den USA zu den wichtigsten Verbündeten und Ansprechpartnern im Kampf gegen den Klimawandel geworden. Laut der Denkfabrik World Resources Institute haben sich mittlerweile fast die Hälfte aller US-Bundesstaaten einer Klima-Allianz angeschlossen, die sich zu einer deutlichen Reduktion des Treibhausgasausstoßes verpflichtet. Mehr als 430 US-Städte haben sich zudem schon zur Einhaltung der Pariser Klimaziele bekannt, mit denen die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll.

Neue Allianzen gibt es allerdings auch auf zwischenstaatlicher Ebene. So bekräftigen Frankreich und China nur wenige Stunden nach der formellen Kündigung des Pariser Klimaabkommens durch die USA ihre Entschlossenheit im gemeinsamen Kampf gegen die Klimakrise. In Peking spricht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag aber nicht nur davon, dass "die Zusammenarbeit zwischen Europa und China entscheidend sein wird". Gemeinsam mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping will er am heutigen Mittwoch auch Nägel mit Köpfen machen und ein Dokument unterzeichnen, das die "Unumkehrbarkeit" des Pariser Prozesses festhält.

Die EU als Musterschüler

Die zahlreichen Absichtserklärungen, den Kampf gegen den Klimawandel nach dem Ausstieg der USA umso vehementer fortzuführen, können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem die Staaten in vielen Bereichen säumig sind. So sind laut einer aktuellen Analyse der amerikanischen Umweltschutzstiftung Universal Ecological Fund fast drei Viertel der seit der Einigung auf das Pariser Abkommen eingereichten nationalen Klimaschutzpläne bei weitem nicht ehrgeizig genug.

Gemessen am Zwischenziel, den Ausstoß bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, seien nämlich nur die 28 EU-Staaten gemeinsam und sieben weitere Länder auf Kurs, heißt es in der Auswertung, an der auch mehrere Autoren, die zuvor schon für den Weltklimarat IPCC tätig waren, mitgearbeitet haben. Als "teilweise genügend" bewerten die Wissenschafter immerhin die Pläne von Australien, Aserbaidschan, Weißrussland, Kanada, Costa Rica, Israel, Japan, Montenegro, Neuseeland und Südkorea, die den Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um jeweils 20 bis 40 Prozent reduzieren wollen.

"Die Zusagen der meisten Länder sind schlicht viel zu wenig und greifen viel zu spät", sagt Co-Verfasser Robert Watson, der bis 2002 zum Vorstand des Weltklimarats gehörte. "Sogar wenn alle freiwilligen Klima-Zusagen voll umgesetzt werden, erreichen sie nur die Hälfte dessen, was notwendig ist, um die Beschleunigung des Klimawandels im nächsten Jahrzehnt zu begrenzen."

Im Fokus des Berichts stehen vor allem China, Indien, die USA und Russland, die zusammen mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgase ausstoßen. In der Volksrepublik, dem weltweit größten Klimasünder, fließt zwar so viel Geld wie nirgendwo sonst in erneuerbare Energien, doch gleichzeitig steigt im bevölkerungsreichsten Land der Erde auch der Treibhausgasausstoß an. Denn ebenso wie Indien hat auch die Führung in Peking ihre Reduktionsziele zumindest mittelfristig an das Wirtschaftswachstum gekoppelt. So sollen die Emissionen lediglich im Vergleich zum BIP-Zuwachs sinken. Eine genaue Einschätzung fällt den Wissenschaftern aber auch bei den USA und Russland schwer. Die ursprünglichen Zusagen der Vereinigten Staaten bewerten die Verfasser des Berichtes nicht zuletzt wegen der Präsidentschaftswahlen im November 2020 als noch "in der Schwebe", Russland, dessen Anteil bei knapp fünf Prozent liege, habe dagegen noch gar keine Pläne eingereicht.

Energiehunger als Gefahr

Viele Fragezeichen gibt es aber nicht nur bei den großen Treibhaugasemittenten, auch bei den Klimaschutzzusagen der meisten Entwicklungs- und Schwellenländer ist noch vieles unklar. Denn laut der Studie des Universal Ecological Fund sind die Pläne von 127 Staaten daran gekoppelt, dass die reichen Länder technisch und finanziell bei der Umsetzung der Maßnahmen helfen. Die Unterstützung funktioniere derzeit aber nicht so gut wie beim Abschluss des Pariser Klimaabkommens erhofft.

Die bisher erzielten Fortschritte bei der Reduktion von Treibhausgasen könnten zudem schon bald durch den nach wie vor stark zunehmenden Energiebedarf wieder zunichtegemacht werden. So ist der weltweite Verbrauch laut der globalen Energiemarkt-Studie des Wirtschaftsberaters Capgemini im Jahr 2018 nicht nur um 2,3 Prozent gestiegen. Die Wachstumsrate war auch doppelt so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre und speiste sich vor allem aus einem hohen Zuwachs bei fossilen Energieträgern. Einen Ausreißer gab es dabei nur in Europa. Dort fiel der Zuwachs mit lediglich 0,2 Prozent deutlich geringer aus als im globalen Trend.