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EU beim Klimaschutz allein auf weiter Flur

Von Ronald Schönhuber

Politik
Der Klimagipfel in Madrid wurde als Entscheidungsschlacht stilisiert. Dass es keine neue Zusagen geben wird, war aber bereits davor einigermaßen absehbar gewesen.
© reuters

Analyse: Beim Klimagipfel in Madrid hat sich gezeigt, dass die Europäer als einziger handlungswilliger Akteur übrig geblieben sind. Die in China gesetzten Hoffnungen haben sich als zu optimistisch erwiesen.


Das Muster hat sich schon bei den vergangenen beiden Weltklimakonferenzen in Bonn und Katowice gezeigt. Doch in Madrid war es diesmal noch viel ausgeprägter. Angesichts der fast schon im Monatsrhythmus fallenden Temperaturrekorde und der Millionen Jugendlichen, die die Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straße gebracht hat, ist das unter der Schirmherrschaft der UNO stehende Mammuttreffen zur Entscheidungsschlacht im Kampf gegen die Erderwärmung stilisiert worden. "Tiempo de Acutar", also "Zeit zum Handeln" lautete auch das Konferenzmotto.

Dass die von Klimaschützern erhoffte Zeitenwende nicht in Madrid passieren wird, ist allerdings schon klar gewesen, bevor die rund 26.000 Teilnehmer dort die ersten Sitzungen absolviert haben. Denn den nächsten großen Schritt sieht der Fahrplan des 2015 beschlossenen Pariser Klimaabkommens erst für kommendes Jahr vor. Dann sollen die bisher vorliegenden Klimaschutzpläne der einzelnen Staaten nämlich nicht nur evaluiert, sondern im besten Fall auch deutlich nachgebessert werden.

In Madrid frühzeitig aus der Deckung wagen wollten sich daher absehbarerweise auch jene Staaten nicht, die die Notwendigkeit eines deutlich ambitionierten Kampfes gegen den Klimawandel prinzipiell anerkennen. Denn die allermeisten Länder hinken nicht nur jetzt schon bei der Erfüllung ihrer bisher gemachten CO2-Reduktionsversprechen hinterher. Angesichts der enormen Wucht der von einer Erhöhung der Treibstoffpreise entfachten Gelbwesten-Proteste in Frankreich wollen die meisten Regierungen lieber auch noch ein Jahr warten, bevor sie ihre Bürger mit den unbequemen Wahrheiten konfrontieren, die eine Verschärfung der Emissionsziele mit sich bringt.

Kohle kehrt in China zurück

Doch auch wenn man unrealistische Erwartungen wie die Hoffnung auf eine vorzeitige und ehrgeizige Nachbesserung der nationalen Klimaschutzpläne beiseiteschiebt, bleibt die Madrider Konferenz ein kapitaler Misserfolg für die internationale Klimadiplomatie. So scheiterten die Delegierten wie schon im vergangenen Jahr daran, einen Mechanismus zu etablieren, der regelt, wie reiche Staaten durch CO2-Kompensationsprojekte - etwa den Bau eines Solarkraftwerks in Afrika - ihre eigene Treibhausgasbilanz verbessern können. Das Kernthema der Madrider Konferenz muss nun 2020 in Glasgow noch einmal verhandelt werden.

Im Streit um die Anrechnung von Verschmutzungsrechten, der vor allem von Querschüssen aus den Brasilien, den USA, Australien und Indien geprägt war, hat sich zudem gezeigt, dass unter den großen Treibhausgasemittenten nur noch die EU als handlungswilliger und auch handlungsfähiger Akteur übrig geblieben ist.

Denn während die Europäer mit dem Green Deal und dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 zumindest ein ehrgeiziges Klimaschutzbekenntnis abgelegt haben, erweisen sich die hohen Erwartungen, die in den vergangenen Jahren in China gesetzt wurden, zunehmend als zu optimistisch. So fließt zwar nach wie vor nirgendwo so viel Geld in erneuerbare Energien wie in der Volksrepublik. Angesichts des langsameren Wirtschaftswachstums und des noch immer nicht ausgestandenen Handelsstreits mit den USA scheint sich aber offenbar auch die Kohle wieder unaufhaltsam ihren Weg zu bahnen. Denn seit 2017 ist nicht nur die Kapazität der neu installierten Kohlekraftwerke um 20 Prozent gestiegen, im selben Zeitraum wurden auch dutzende neue Kohleminen genehmigt. Entsprechend zurückhaltend haben sich die Delegierten aus der Volksrepublik auch in Madrid gezeigt. Von chinesischer Seite kamen in der spanischen Hauptstadt neben dem Lob für die Einhaltung des nicht besonders strengen eigenen Klimaplans vor allem Hinweise auf die Untätigkeit der westlichen Staaten.

Demokraten als Hoffnung

Dass China im kommenden Jahr seine Klimaziele noch einmal deutlich nachschärft, ist somit also unsicher. Zum neuen Hoffnungsträger mutieren damit ausgerechnet die USA, die unter Donald Trump aus dem Pariser Klimavertrag ausgestiegen sind. Denn falls der amtierende US-Präsident im kommenden November nicht wiedergewählt wird, würden die USA wohl nicht nur wieder beim Pariser Abkommen mitmachen. Alle maßgeblichen demokratischen Kandidaten haben auch bereits ehrgeizige Klimaschutzkonzepte vorgelegt. So will etwa der New York Bürgermeister Michael Bloomberg den US-Treibhausgasausstoß binnen zehn Jahren um 50 Prozent senken.