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Kriegsgefahr: Wenn Trump nicht mehr zurück kann

Von Ines Scholz

Politik

Politikwissenschafter Heinz Gärtner über die Wahrscheinlichkeit eines amerikanisch-iranischen Krieges.


"Wiener Zeitung": Joe Biden, der demokratische US-Präsidentschaftskandidat, hat Donald Trump vorgeworfen, mit der gezielten Tötung des Chefs der iranischen Al-Quds-Brigaden Qassem Soleimani eine Dynamitstange in ein Pulverfass geworfen zu haben. Sind wir auf dem Weg in einen amerikanisch-iranischen Krieg?Heinz Gärnter: Im Prinzip ja. Dieser Weg hat sich schon lange abgezeichnet - eigentlich seit der Kündigung des iranischen Nuklearabkommens durch Trump im Mai 2018 samt der darauffolgenden Rhetorik. Dann kamen Zwischenfälle wie die gegenseitige Beschlagnahme von Öl-Tankern und der Beschuss der saudischen Öl-Anlagen, zu dem sich die proiranischen Houthi-Rebellen im Jemen bekannt hatten; danach folgten Anschläge in Syrien und im Irak, deren Urheber aus Sicht Washingtons in Teheran zu suchen sind. Das sind alles Vorkriegszeichen. Die Situation ist also schon sehr explosiv - und der Anschlag auf Soleimani ist ein neuer Eskalationsschritt.

Kam seine Liquidierung für den Iran überraschend?

Die USA haben die Revolutionsgarden auf die Terrorliste gesetzt. Und Soleimani war Oberkommandierender von deren Eliteeinheit, die für Auslandseinsätze zuständigen Al-Quds-Brigaden. Das war schon sehr abzusehen.

Die Führung in Teheran hat einen massiven Vergeltungsschlag angekündigt. Denkbar wäre ein Angriff auf das eng mit den USA verbündete Israel. Doch dann läuft das Land Gefahr einer direkten Militärkonfrontation mit den USA. Kann der Iran sich das überhaupt leisten?

Ich halte einen direkten iranischen Angriff - etwa auf Israel, dem engsten Verbündeten der USA in der Region - für unwahrscheinlich. Allein schon deshalb, weil der Iran sein eigenes Territorium so weit wie möglich aus dem Konflikt heraushalten will. Wenn die USA aber natürlich beginnen, die Atomanlagen im Iran zu bombardieren, dann ist vieles möglich. Ich rechne aber mit einer relativ moderaten Vergeltungsaktion Teherans.

Wie könnte eine solche konkret aussehen?

Die iranische Führung könnte auf die proiranischen Milizen in der Region setzen und sie dazu bringen, verschiedene Anschläge durchzuführen. Das betrifft erst einmal vor allem den Irak und Syrien, wo verstärkte Angriffe auf US-Einrichtungen und -Militärstützpunkte durchgeführt werden könnten. Der Libanon kann über die schiitische Hisbollah miteinbezogen werden. Allerdings müssten diese Milizen dabei auch mitspielen. Denn es ist nicht so, wie in den Medien gerne dargestellt, dass diese lediglich Handlanger des Irans sind und immer das tun, was Teheran möchte. Dies gilt nur für einige Einheiten, die dem Iran direkt unterstehen.

Besteht die Gefahr, dass Israel militärisch in den Iran-Konflikt eingreift und damit die Eskalationsspirale in der Region weiter anheizt?

Ich denke nicht. Israel hält sich im Moment zurück, weil es Angst hat, bei einer militärischen Auseinandersetzung das erste Ziel zu sein. Obwohl Premierminister Benjamin Netanjahu mit seiner anti-iranischen Rhetorik selbst viel zu der angespannten Situation beigetragen hat, mit der wir jetzt konfrontiert sind.

Lässt Trump es diesmal auf ein militärisches Kräftemessen mit dem Iran ankommen, nachdem er einmal bereits die Reißleine gezogen hatte?

Trump hat jedenfalls einen fertigen Kriegsplan in der Schublade. Er zögert aber im Moment aus wahltaktischen Gründen. Denn Trump ist sich nicht ganz sicher, ob ihm so ein militärischer Konflikt bei den Wahlen 2020, bei denen er ja erneut kandidiert, hilft oder schadet. Und es gab Stimmen, die davor gewarnt haben, dass das nach hinten losgehen könnte. Deshalb hatte Trump ja nach dem Abschuss einer amerikanischen Aufklärungsdrohne durch den Iran im vergangenen Sommer eine bereits gebilligte Militäraktion in den letzten zehn Minuten wieder zurückgepfiffen. Man war also schon das letzte Jahr sehr knapp dran, und jetzt ist man einem Krieg noch näher, denn der Iran kann sich das natürlich nicht bieten lassen, dass ein so hochrangiger General, der eine Kultfigur war, umgebracht wird.

Also kein Trumpsches Hazardspiel?

Es gibt einen Moment, wo Trump nicht mehr zurück kann. Es war ja jetzt schon sein Argument, dass bei dem jüngsten Anschlag im Irak ein Amerikaner umgekommen sei. Sollten es weitere US-Opfer in der Region geben, dann bleibt Trump nichts übrig, als militärisch zu reagieren, um daheim sein Gesicht zu wahren.