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Irak weist US-Truppen die Tür

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik
Die irakische Regierung will die US-Soldaten nicht mehr in ihrem Land haben.
© REUTERS

Das Parlament beschließt, dass ausländische Truppen das Land verlassen sollen. US-Präsident Donald Trump schäumt und droht mit Sanktionen, während ein geleakter Brief für Verwirrung sorgt.


Paukenschlag in Bagdad: Nach der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch US-Drohnen am Flughafen in Bagdad hat das irakische Parlament für einen Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Land votiert. Der geschäftsführende Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi wird damit verpflichtet, das Gesuch um militärische Hilfe im Kampf gegen den IS zurückzuziehen. Zudem sollen ausländische Truppen künftig auch den irakischen Luftraum nicht mehr nutzen dürfen.

Mahdi selbst drängte das Parlament in einer Rede dazu, auf einen kompletten Abzug der US-Soldaten hinzuwirken. "Wir haben zwei Möglichkeiten: die ausländische Präsenz umgehend zu beenden oder einen Zeitplan für dieses Ende festzulegen", sagte der Noch-Premier, der nach wochenlangen Protesten gegen ihn und seine Regierung Anfang Dezember zurücktrat, die Geschäfte aber weiterführt, bis eine neue Regierung im Amt ist.

Pentagon dementiert US-Rückzugspläne

Der Beschluss richtet sich vor allem gegen die 5000 US-Soldaten, die derzeit im Irak stationiert sind. Die Reaktion der USA sorgte für Verwirrung. zunächst berichteten die Nachrichtenagenturen Reuters und AFP, dass General William Seely, der Leiter des US-Militäreinsatzes im Irak, in einem Brief an die irakische Armeeführung erklärt habe, man bereite eine "Bewegung aus dem Irak" vor. Die US-Streitkräfte würden sich dafür in den kommenden Tagen und Wochen neu positionieren. "Wir respektieren Ihre souveräne Entscheidung, unseren Abzug anzuordnen", wurde Seely zitiert.

Kurz darauf kam das Dementi aus dem Pentagon: "Es gab keinerlei Entscheidung welcher Art auch immer, den Irak zu verlassen", erklärte Verteidigungsminister Mark Esper. "Ich weiß nicht, was das für ein Brief ist . . . Wir versuchen das herauszufinden. Aber es gab keine Entscheidung, den Irak zu verlassen. Punkt." Ein hochrangiger US-General meinte dazu, Seelys geleakter Brief sei wohl ein missverständlich formulierter, nicht unterschriebener Entwurf gewesen, "der einen Rückzug der Truppen impliziert hat - das ist aber nicht der Fall", so General Mark Milley, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs. Der Brief sei zwar echt, aber versehentlich verschickt worden.

Gegen die US-Armee gab es in den vergangenen Wochen vermehrt Anschläge im Irak. Vor allem die Militärbasis Al Asad in der Provinz Anbar, nordwestlich von Bagdad, war davon betroffen, aber auch Stützpunkte in Kirkuk und anderen nördlichen Provinzen, in denen Washingtons Soldaten Dienst verrichten. Insgesamt gab es 14 Raketenangriffe auf US-Einrichtungen seit Ende Oktober.

Niemand bekannte sich zu den Angriffen. Die USA machen aber für mehrere der Angriffe die pro-iranischen Hisbollah-Brigaden verantwortlich. Bis zum 28. Dezember blieben diese Angriffe allerdings ohne Personenschaden. Doch dann wurde ein US-Soldat getötet und Washington reagierte umgehend mit einem Raketenangriff auf Stellungen der schiitischen Milizen. 25 Milizionäre wurden getötet, weitere verletzt. Es folgte der tödliche Angriff auf den Konvoi von Soleimani. Neben dem General verloren auch der stellvertretende Chef der Hashd al-Shaabi, dem Zusammenschluss der Schiitenmilizen, und fünf weitere Personen ihr Leben. Abu Mahdi al-Muhandis war Iraker mit einem iranischen Pass und kommandierte jahrelang die Organisation Kata’ib Hisbollah, die die Amerikaner eben für die Angriffe auf ihre Soldaten verantwortlich machen.

Angst vor Stellvertreterkrieg auf irakischem Gebiet

Der Irak befürchtet nun eine gefährliche Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran, einen Stellvertreterkrieg auf seinem Territorium. Die Entscheidung der Volksvertreter in Bagdad hat allerdings nicht nur die USA im Blick, sondern Allgemeingültigkeit. Von dem Rausschmiss betroffen sind neben den Amerikanern auch Iraner, Türken, Franzosen und Deutsche. Doch obwohl der Beschluss des Parlaments den Abzug aller ausländischen Truppen in klaren Worten fordert, lässt er der Regierung zugleich Spielraum, um eine Zahl an ausländischen Militärausbildern und Spezialisten im Land zu lassen.

Damit könnten Deutsche und Franzosen im Irak verbleiben, da sie lediglich ausbildende Funktionen ausüben. Beide Länder sind Teil der Mission "Counter Daesh" - Daesh ist die arabische Abkürzung für den IS.

Anders ist es mit der Türkei. Sie weist das größte Kontingent ausländischer Truppen im Irak auf. Bis zu 30.000 Mann sind im Nordirak stationiert. Ihr Verbleib wird mit dem Kampf gegen den IS gerechtfertigt. In Baschika, in der Nähe von Mossul, unterhält die Türkei einen Stützpunkt. Tatsächlich aber dient die Anwesenheit der türkischen Soldaten dem Kampf gegen die Kurdenorganisation PKK und der Wahrung türkischer Interessen in Gebieten, wo Turkmenen leben. Dies ist vor allem in Mossul und Kirkuk der Fall.

Iranische Soldaten sind im Irak eher selten. Sie kämpfen vor allem in Syrien. Lediglich im Sommer 2014, als die Terrormiliz IS den Nordirak überrollte, kamen Kämpfer der iranischen Al-Quds-Brigaden im Irak zum Einsatz. Die Auslandsbrigaden Teherans bildeten die Schiitenmilizen der Hashd al-Shaabi aus. Je professioneller die irakischen Milizen wurden, desto mehr zogen sich die Quds-Brigaden wieder zurück. Es wird geschätzt, dass derzeit noch etwa 1000 von ihnen im Irak Dienst tun, meist als Strategen und Ausbilder.

Kein Wunder also, dass US-Präsident Donald Trump die Entscheidung des Parlaments in Bagdad vor allem als einen Akt gegen die USA sieht. Er konterte entsprechend: Die Regierung in Bagdad müsse die Kosten für bestimmte von den USA im Irak gebaute Infrastruktur zurückerstatten, darunter ein moderner Luftwaffenstützpunkt, der Milliarden US-Dollar gekostet habe. "Wir ziehen nicht ab, es sei denn, sie erstatten uns das zurück." Sollte es keine einvernehmliche Lösung geben, müsse zu Sanktionen gegriffen werden, sagte Trump weiter. "Im Vergleich dazu werden die Iran-Sanktionen einigermaßen harmlos erscheinen."