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Coronavirus bringt Chinas KP in Bedrängnis

Von Klaus Huhold

Politik

Das Coronavirus ist auch politisch hochbrisant: Ein rigides System, das die Partei in normalen Zeiten trägt, offenbart in dieser beispiellosen Krise seine Schwächen.


Die neuen Zahlen über das Coronavirus waren ein Schock: In der am schlimmsten betroffenen Provinz Hubei hat sich am Donnerstag die Zahl der nachgewiesenen Todesopfer über Nacht fast verdoppelt. 254 neue Todesopfer wurden am Mittwoch in Hubei registriert, teilten die Behörden am Donnerstag mit. Am Vortag waren es noch 97 gewesen. Insgesamt sind in China damit bereits mehr als 1360 Bürger am Coronavirus gestorben. Auch die Zahl der Infektionen ist noch einmal drastisch in die Höhe gegangen: Fast 60.000 Fälle wurden bereits registriert, allein in Hubei sind mit den jüngsten Daten rund 14.840 neue Erkrankungen dazugekommen.

Die Behörden erklären den sprunghaften Anstieg damit, dass sie ihre Methoden zur Erfassung der Fälle überarbeitet haben. Doch nicht nur die neuen Zahlen beunruhigen die Bevölkerung, sondern auch - und vielleicht noch viel mehr - der Umstand, dass sie den Daten der Regierung generell nicht trauen. Viele Chinesen befürchten, dass die Dunkelziffer noch viel höher liegt. Zu oft schon hat das Regime bei Gesundheitskrisen der Bevölkerung das Ausmaß zu verheimlichen versucht: etwa nach dem Ausbruch der Lungenkrankheit Sars 2002, die hunderte Todesopfer forderte. Oder als Kleinkinder an verseuchter Babymilch starben.

Zensur gefährdet Bürger

Auch wenn die Zensurmaschinerie der KP auf Hochtouren arbeitet, zeigen Kommentare in den sozialen Medien, wie viel Misstrauen der KP entgegenschlägt. Und dazu hat die Partei auch in der gegenwärtigen Krise beigetragen: Anfang Dezember wussten die Behörden vom ersten Infizierten. Doch erst am 30. Dezember folgte die erste offizielle Warnung. Damit ist enorm viel wertvolle Zeit verstrichen, in der das Virus wohl viel besser eingedämmt werden hätte können - begrenzte sich der Ausbruch doch am Anfang auf die Gegend rund um einen Markt in Wuhan.

Warum man so spät reagiert hat, wissen wohl nur Leute aus dem Parteiapparat selbst. Einen Umstand haben der Ausbruch des Coronavirus und der Umgang damit aber offengelegt: Ein rigides System, das die Kommunistische Partei in normalen Zeiten trägt, hat in einer derartigen Krise seine Schwächen offenbart.

Die Zensur, die Einschränkung von freier Rede und auch Forschung begründet die Partei gerne damit, dass dies der Stabilität diene. Doch nun sieht die Bevölkerung, wie sie gefährdet wurde, weil sie die Behörden von Informationen abgeschnitten hat. So wollte der Arzt Li Wenliang vor dem Coronavirus warnen, wurde aber von den Behörden drangsaliert. Er ist selbst an dem Virus verstorben und gilt nun als Märtyrer. "Weil die Meinungsfreiheit und die Wahrheit von den Behörden unterdrückt wurden, kann das Virus sein Unwesen treiben", beklagen bekannte Akademiker in einer Petition an den Volkskongress.

Mittlerweile hat die KP-Führung umgeschwenkt. Sie drohte lokalen Behörden Strafen an, wenn sie Ausbrüche verheimlichen. Sie rief jeden Parteikader auf, alles ihm Mögliche für die Bekämpfung des Virus zu unternehmen. Ein deutliches Zeichen wurde nun auch gesetzt: Die Parteichefs der Provinz Hubei und der Metropole Wuhan wurden gefeuert.

Doch auch das Verhältnis zwischen Peking und Provinz zeigt nun in der Krise seine Schwächen. Dieses war schon immer hierarchisch, doch Staats- und Parteichef Xi Jinping hat die Zügel noch einmal gestrafft. Das bringt einerseits der Zentralmacht mehr Kontrolle. Andererseits herrscht dadurch große Angst vor Bestrafung. Die Angst vor Fehlern verhindert dann oft notwendige Maßnahmen - das scheint beim Ausbruch des Virus der Fall gewesen zu sein. Kommt eine Direktive aus Peking, droht wiederum Übereifer, der nicht immer zielgerichtet ist.

Gleichzeitig konnte China in einem gewaltigen Ausmaß gegen das Virus mobilisieren. Millionenstädte wurden mehr oder weniger abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt. Krankenhäuser wurden in Tagen aus dem Boden gestampft - was aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass es an Personal und Medikamenten mangelt. Und bei allem Unmut im eigenen Land - die Weltgesundheitsorganisation lobt, wie transparent China diesmal agiert.

Schwierige Zeiten für Xi

Für Staatschef Xi Jinping ist das Coronavirus politisch hochbrisant. Seit Staatsgründer Mao Zedong hat kein Politiker so viel Macht auf sich vereint, hat kein Politiker einen derartigen Kult um seine Person inszenieren lassen - Bilder mit dem Konterfei von Xi sind in China allgegenwärtig. Nun droht das Image des starken, wohlwollenden Führers kräftig Schrammen abzubekommen - wer alles kontrolliert, ist auch für einen derartigen Kontrollverlust verantwortlich.

Allerdings wird - spätestens, wenn das Virus überwunden ist - der Propagandaapparat noch einmal auf Hochtouren laufen, um Xi zu preisen. Für Fehler werden wohl andere bestraft werden. Und sollte das Virus gar demnächst besiegt sein, wird Xi sich das anrechnen lassen - und könnte sogar gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.