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Ein erster Schritt zum Frieden

Politik

Die USA einigten sich mit den Taliban auf eine Woche Gewaltverzicht in Afghanistan. Danach soll es ein Abkommen geben. Von einem dauerhaften Frieden ist das Land aber noch weit entfernt.


Afghanistan ist geradezu das Musterbeispiel eines "failed state", eines gescheiterten Staates. Spätestens seit über 40 Jahren, als die Sowjets ihre Truppen Richtung Kabul in Marsch setzten, kommt das Land am Hindukusch nicht zur Ruhe. Zuerst kämpften von den USA unterstützte islamistische Mudschahiddin-Kämpfer gegen die Moskauer Supermacht, danach gab es blutige innere Machtkämpfe, aus denen Mitte der Neunziger Jahre die berüchtigten radikalislamischen Taliban als Sieger hervorgingen. Nach den Attentaten vom 11. September 2001 machten die USA die Gotteskrieger für das Massaker mitverantwortlich und schickten ihre Armee nach Afghanisten.

Doch auch den US-Soldaten erging es nicht anders als ihren Moskauer Rivalen: Zwar konnte das Regime von Taliban-Führer Mullah Omar rasch besiegt werden. Das Land zu befrieden, erwies sich aber als Illusion: Die Taliban kontrollieren heute wieder mindestens 50 der 407 afghanischen Distrikte - und sind in weiteren 200 die dominierende politische Kraft. Die US-Truppen kämpfen in Afghanistan auf verlorenem Posten.

Sind die Taliban paktfähig?

Was Wunder, dass sich die USA gezwungen sahen, mit ihren früheren Todfeinden, den Taliban, in Gespräche einzutreten. Nun gibt es bei den seit mehr als einem Jahr stattfindenden Verhandlungen erste Erfolge: "Nach Jahrzehnten des Konflikts haben wir uns mit den Taliban auf eine signifikante Reduzierung der Gewalt in ganz Afghanistan geeinigt", teilte US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag auf Twitter mit.

Die Einigung soll ein erster Schritt auf dem langen Weg zum Frieden sein. Der zweite sollte am 29. Februar folgen: Für diesen Tag ist die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den Taliban und den USA anvisiert - vorausgesetzt, die kommende Woche verläuft einigermaßen gewaltfrei. Das würde den USA auch signalisieren, dass die Taliban-Verhandler ihre Kämpfer unter Kontrolle haben, und dass sie somit paktfähig sind. Für die USA sind vor allem Garantien seitens der islamischen Gotteskrieger wichtig, dass Afghanistan nicht wieder ein Rückzugsort für Terroristen wird. Die Taliban sollen das Terrornetzwerk Al Kaida und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekämpfen und außerdem am Friedensprozess in Afghanistan teilnehmen. Die USA würden sich im Gegenzug dazu verpflichten, Schritt für Schritt ihre Truppen aus dem Land am Hindukusch abzuziehen. "Bald danach", so das US-Außenministerium, sollen die innerafghanischen Verhandlungen für eine Friedenslösung beginnen. Der US-Verhandler Zalmay Khalilzad, der selbst afghanische Wurzeln hat, rang den Taliban die Zustimmung ab, innerhalb von 15 Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags an diesen Verhandlungen teilzunehmen.

Ob diese Gespräche dann tatsächlich die erhoffte Wende zu einem dauerhaften Frieden in Afghanistan bringen, ist freilich mehr als unklar. Denn dass Afghanistan auch ganz ohne Taliban alles andere als ein stabiler Staat ist, war erst am Dienstag klar geworden. Da hatte die Wahlkommission die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Präsidentenwahl vom September anerkannt und Präsident Ashraf Ghani zum Wahlsieger erklärt. Sein Rivale Abdullah Abdullah erkannte die Wahl allerdings nicht an und erklärte umgehend, eine eigene Regierung bilden zu wollen. Die politische Dauerkrise könnte sich als großes Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensabkommen erweisen.

"Das Töten muss aufhören"

Einstweilen gibt man sich allerdings noch optimistisch. Afghanische Beamte gehen ebenso wie Vertreter der Taliban davon aus, dass das Abkommen mit den USA am 29. Februar unterzeichnet werden wird. Die Taliban seien "voll und ganz bereit" zu einem Abkommen mit Washington, schrieb Sirajuddin Hakkani, der stellvertretende Anführer der Islamisten, in der "New York Times". Der radikale Hakkani, der für mehrere Anschläge verantwortlich ist, gab sich "überzeugt, dass das Töten und Verstümmeln aufhören muss". (leg)