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Narendra Modis unbeirrter Hindu-First-Kurs

Von Ronald Schönhuber

Politik
Der 37-jährige Moslem Mohammad Zubair wurde Mitte der Woche von einem hindunationalistischen Mob zusammengeschlagen.
© reuters/Siddiqui

Mit mehr als 30 Toten in drei Tagen erreicht der Protest gegen Indiens Staatsbürgerschaftsreform einen neuen Höhepunkt.


Mohammad Zubair war auf dem Weg nach Hause von der Moschee, als er im Nordosten Neu-Delhis auf eine große Menschenmenge traf. Zubair bog in Richtung einer Unterführung ab, um Ärger zu vermeiden, doch es war zu spät. Nur wenige Sekunden später fand der 37-Jährige sich auf dem Boden wieder, umringt von einer Gruppe junger Männer, die mit Holzstöcken und Eisenstangen auf ihn einschlugen. Zubair, ohne Begleitung unterwegs und auf Grund seiner Kleidung und seines Bartes einfach als Moslem zu identifizieren, war für den hindunationalistischen Slogans skandierenden Mob ein leichtes Ziel.

Muslime ausgeschlossen

Die Szene, die ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters auch bildlich festgehalten hat, macht allerdings nicht nur deutlich, wie aufgeheizt die Stimmung zwischen Hindus und Muslimen derzeit ist. Sie zeigt auch, dass die durch das neue indische Staatsbürgerschaftsgesetz weiter angefachten Spannungen zwischen den beiden dominanten Religionsgruppen noch einmal zugenommen haben. Mit 32 Toten gab es allein in den vergangenen drei Tagen mehr Opfer als in den ersten drei Monaten nach der Inkraftsetzung des Gesetzes im Dezember.

Die umstrittene Reform des 64 Jahre alten Staatsbürgerschaftsrechts ermöglicht den Angehörigen religiöser Minderheiten aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Bangladesch, Pakistan und Afghanistan, die vor 2015 ohne gültige Papiere ins Land kamen, eine vereinfachte Einbürgerung. Muslime sind hingegen davon ausgeschlossen. Begründet hat die regierende BJP von Premierminister Narendra Modi die Reform vor allem mit dem besseren Schutz von aus religiösen Gründen verfolgten Menschen würden. Viele der 180 Millionen Muslime im Land sehen in dem neuen Gesetz dagegen eine bewusste Diskriminierung und einen Bruch mit Indiens säkularer Geschichte zum politischen Nutzen des Premierministers und der BJP.

Denn anders als in seiner ersten Amtsperiode verfolgt Modi nach seinem deutlichen Wahlsieg im Mai 2019 seine Hindu-First-Agenda deutlich offensiver. Und oft geht es dabei Schlag auf Schlag. So kippt Modi bereits im August den Sonderstatus von Kaschmir, der einzigen mehrheitlich von Muslimen bewohnte Provinz Indiens. Im Oktober veröffentlicht die Regierung dann ein neues Staatsbürgerregister für Assam und erklärt fast zwei Millionen Einwohner, die Mehrheit von ihnen Muslime, faktisch für staatenlos. Nur wenige Wochen vor dem Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsreform fällt schließlich noch eine weitere symbolträchtige Entscheidung. So wird den Hindus die Kontrolle über das ehemalige Moschee-Gelände im nordindischen Ayodhya zugesprochen. Das muslimische Gotteshaus war 1992 durch einen fanatischen Hindu-Mob zerstört worden, bei der darauffolgenden Auseinandersetzung zwischen den Religionsgruppen kamen bis zu 900 Menschen ums Leben.

Aufstand der Provinzfürsten

Eine Kursänderung bei Modis Hindu-First-Politik wird es daher auch trotz der nicht abreißen wollenden Proteste wohl nicht so schnell geben. So will die Regierung laut Innenminister Amit Shah "keinen Zentimeter" vom neuen Staatsbürgerschaftsgesetz abrücken. Doch die umstrittene Reform hat nicht nur die Straße mobilisiert, sondern auch den politischen Gegner, der nun endlich einen Hebel gegen die übermächtige BJP gefunden zu haben glaubt. So haben 11 der 28 Bundesstaatschefs Modi bereits mitteilt, dass Staatsbürgerschaftsgesetz in ihren Provinzen nicht umsetzen zu wollen. Die entscheidendste Rolle dürfte demnächst allerdings die Wähler in Westbengalen, einem Bundesstaat mit einem hohen Anteil an Muslimen, spielen. Wenn Sie im kommenden Jahr zu den Urnen schreiten, werden sie wohl auch über Modis neuen Kurs abstimmen.